Narben

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Ian
Als ich mit den Schlüsseln zurück kam, lud Mickey gerade den Truck aus. „114. Gibt nur lauwarmes Wasser. Dafür keine Nachbarn." „Gut." Mick sah müde aus.
Wir gingen in unser Zimmer und warfen die Taschen vor das Bett. „Du gehst duschen und dann pennst du ne Runde. Ich hätte doch für ein paar Stunden fahren sollen." Ich packte ihn bei den Schultern und brachte ihn ins Bad. Er wankte wie ein Zombie. „Scheiße, alles gut Mickey?" er rieb sich die Augen und gähnte. Er setzte sich auf die geschlossene Kloschüssel und gähnte nochmal. Scheiße. Dann helf ich dir eben du Idiot, dachte ich während ich seine Jacke und seine Schuhe auszog. „Fuck Gallaghers was machst du da?" fragte er in Zeitlupe. Als er nackt war stieg er in die Dusche und ich half ihm beim abwaschen. Er stieg heraus und ich trocknet ihn ab und führte ihn zum Bett. Er legte sich mitsamt Handtuch und nassen Haaren hin und schlief sofort ein. Er war so verletzlich. Wie ein rohes Ei. Ich legte mich neben ihn und deckte ihn etwas zu. Scheiße. Ich konnte mich nicht abwenden von ihm. Die Mittagssonne die durch die kleinen Fenster schien, glitzernde auf den nassen Stellen seiner Haut. Ich sah die Narben. Ich strich darüber. An der linken Seite auf Höhe der Rippen hatte sein Vater ihm einen Schnitt mit einem Messer verpasst. Die, die gleich daneben war, stammte von einem Kerl, der ihn durch ein selbstgebasteltes Messer im Knast verletzte. Die Narbe auf seinem rechten Schulterblatt musste die sein, als Terry ihn damals durch den Glastisch geworfen hatte. Am rechten Oberarm wurde er mal angeschossen. Ich strich mit den Fingerspitzen über jede Narbe seines Körpers. Die rechte Arschbacke war überseht mit Narben einer Schrotflinte von Jimmys Mutter. Der rechte Oberschenkel wurde von Kash aus Eifersucht angeschossen. Am Hinterkopf hatte er eine, die man nur sah wenn er die Haare kurz hatte. Fast 3 Zentimeter lang war sie. Mickeys Bruder Iggy hatte vergessen Bier zu kaufen. Terry warf einen Aschenbecher nach ihm. Iggy duckte sich. Mickey nicht. Da war er gerade einmal 7. Er erzählte in der Schule damals dass er mit 6 Stichen genäht wurde. Kaputte scheiße was in diesem Haus abging. Aber ich wusste auch, dass die Narben die er auf dem Herzen trug, tiefer waren. Schmerzhafter. Sie würden lange brauchen um zu heilen.
Ich sah ihn immer noch an. Jetzt sah ich seine Hand. FUCK stand da. Jeder einzelne Fingerknöchel verriet dass er schon tausende Male zugeschlagen hatte. Plötzlich wurde mir etwas bewusst. Mickey konnte so viel Scheiße ertragen, wie kein anderer. Er hatte schon so viel durch und jetzt würde er auch noch meine Scheiße ertragen müssen. Mein verkorkstes Leben. Meine Junkie Eltern, meine Flucht vor der Militärpolizei, meine ganze ‚ich will mich nicht verstecken scheiße'. Er würde sich für mich outen, obwohl er noch nicht bereit dazu war. Er würde es alles ertragen. Mir zuliebe . Ohne sich zu beklagen. Fuck. Als mir das klar wurde, hatte ich nur einen Ausweg im Kopf.

 Als mir das klar wurde, hatte ich nur einen Ausweg im Kopf

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