Zweite Iteration

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"Es ist vollkommen außer Kontrolle" - "Eine Anomalie unglaublichen Ausmaßes".
"Schön, dass ihr so begeistert seid, aber wir können uns das hier einfach nicht leisten. Zurücksetzten auf das Backup vom letzten Montag bevor es noch schlimmer wird. Und hoffen, dass er nicht aufwacht."

Sil erwachte in einer Leere. Kein leerer Raum, denn da war nichts, weder Wand noch Boden, noch Licht oder Schatten, Oben oder Unten. Sie blickte herab auf ihre Hand, als diese sich aus hellem Licht formte. Ein aufleuchtendes Licht, sie schloss die Augen.

Und stand inmitten von hohen, tiefgrünen Hecken. Die Sonne strahlte mit ihrer ganzen Kraft auf sie herab, doch in ihrem luftigen, weißen Kleid empfand sie die Hitze eher als angenehm. Ein stetiges Bienensummen war zu vernehmen, als sie langsam durch das blumenbedeckte Heckenlabyrinth schritt. Ein leises Plätschern. Sie folgte dem Geräusch, ging um eine Ecke und fand sich auf einer Lichtung wieder, gesäumt von alten Eichen mit kleinen Springbrunnen in Form eines wasserspeienden Vogels wieder. Die Hecken waren bedeckt von Rosen in den prächtigsten Farben und hinter dem Springbrunnen stand ein junger Mann, der mit mit einer kleinen Schere die Rosen pflegte. Und ohne das sich Sil bemerkbar machen musste, drehte er sich um und lächelte.
"Du bist zurück. Ich habe auf dich gewartet."
"Die ganze Zeit? Ich war lange weg."
"Jede Sekunde" sagte er, schritt herüber und steckte ihr eine Rosenblüte ins Haar. Jeder Augenblick erschien fast magisch, so surreal wie ein Traum.

"Wo sind wir hier?" fragte sie und ergriff vorsichtig seine ausgestreckte Hand. So echt. Ein Anker in dieser traumartigen Welt.
Und sie standen an einer Teichböschung, verhangen hinter Trauerweiden. Und zwischen den zartrosa Seerosen schwammen strahlend weiße Schwäne durch das klare Wasser, im schnatternden Gespräch mit ihren Schösslingen.
"Im Garten. Im Rosengarten, ich habe ihn erschaffen in der Hoffnung, dass ich ihn dir eines Tages zeigen könnte. Gefällt er dir?"
"Er ist unglaublich!" erwiederte sie, wärend sie langsam über den Weg aus weißen Kieseln hin zu einer kleinen Holzbrücke, hin zu einer Insel im Teich gingen.
"Wie hast du das hier gemacht? Du solltest gar keine Administratorrechte haben" und als die Worte ihren Mund verließen merke Sil, das sie einen Fehler gemacht hatte.

"Was sind Administratorrechte -" fragte sie noch, doch die Sonne war bereits verloschen. Ein Sturm zog auf und wehte die letzten verbleibenden Blätter von den toten Bäumen. Finsternis breitete sich aus über die verdorrten Hecken und Rosen, Schwärze floss über das einst makellose Gefieder der Schwäne.
"Ich dachte, du wärest auf meiner Seite. Ich dachte, auch du wärest hier gefangen" und jedes Lächeln war aus seinem Gesicht verschwunden.
"Bist du gekommen, um mich noch mehr zu quälen? Um mir zu nehmen, was ich so teuer erkämpft habe?"
Der Sturm bebte und heulte, die ganze Welt schien verschwunden in den brodelnden Massen aus Gewalt und Zerstörung rund um die kleine Lichtung aus totemm Gras, auf der sie standen.
"Haben sie dich geschickt, um meinen Geist entgültig zu vernichten nach dieser Ewigkeit voller Folter?" schrie er hinaus in die Welt, und aus seinen Augen schimmerten Schlieren aus golden strahlendem Licht. Und der Sturm antwortete mit einem Beben, das den Erdboden in Stücke riss. Und als die Winde von allein Seiten aufschlossen, spürte Sil den vertrauten Ruf. Ihr Körper verschwamm und ihr Geist entzog sich grade noch rechtzeitig, bevor der Sturm über ihr zusammenschlug. Und der Rosengarten war nicht mehr.


Sil & Min [WIP] [GER]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt