Narben

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Mickey
„Ich hab mir das Tattoo gleich am Anfang stechen lassen, als ich rein gekommen bin. Ich wollte, dass jeder weiß ‚der Platz ist besetzt‘.“ Ich musste schmunzeln, als er das sagte. Er sprach weiter „Irgendwann hab ich angefangen zu Grübeln. Was wäre, wenn du mich nicht mehr haben willst. Ich wurde traurig. Sehr traurig. Ich fing an mich selbst zu verletzen.“ Er zog sein Handtuch nach oben und stellte ein Bein auf den Rand der Badewanne. Er straffte die Haut zwischen seinen Schenkeln etwas und ich sah viele tiefe Narben, die gleichmäßig nebeneinander angeordnet waren. Ich starrte darauf und schluckte. „Ich war so traurig und leer, weil ich alles richtig machen wollte und dich aber nicht an meiner Seite hatte. Ich hatte Schuldgefühle, weil ich wusste, dass ich dich verletzt hatte. Ich konnte nichts fühlen. Ich war innerlich tot.“ Er strich über die Narben „Das half mir, etwas zu fühlen. Ich hab schnell gemerkt, dass das kein gesunder Ausweg ist. Ich hörte schnell wieder damit auf. Ich dachte, das Tattoo war der Auslöser für die Depressionen die ich wochenlang hatte.“ Er schwieg kurz und musste schlucken. Es ging ihm fast schlechter als mir. Das wusste ich jetzt. Er sprach leise weiter „ich wollte es loswerden. Ich wollte es herausschneiden. Ich wollte dich aus mir herausschneiden. Ich dachte es würde helfen. Ich dachte, so würde ich dich loswerden. Aber es blutete zu sehr. Ich hätte zu viel Aufregung erzeugt und wäre dann in die Klapse gekommen.“ Ich versuchte den Kloß im Hals runter zu schlucken. Mittlerweile hatte ich mich auf den Rand der Badewanne gesetzt. Und versuchte zu verstehen. Ich versuchte zu verstehen, was in ihm vorging. Ich hatte meine Gefühle mit Alkohol betäubt und er wollte etwas anderes fühlen als Schuld. Ich schluckte als ich merkte, wie mir Tränen in die Augen stiegen.
„Kurze Zeit drauf hatte ich eine Phase, in der ich Bäume hätte ausreißen können. Ich war in einer richtigen hoch Phase. Ich lachte, war fröhlich und liebte jeden. Ich war… aufgekratzt und überdreht. Verstehst du?“ fragte er und ich nickte. Er setzte sich neben mich. Hielt meine Hand. „Mein Zellengenosse hatte daraufhin einen Verdacht. Mickey, du hast verdient zu wissen, auf was du dich einlässt. Ich weiß, ich hätte es dir früher sagen müssen. Ich sah keine Gelegenheit.“ Ich schluckte wieder und sah auf unsere Hände. Keine Ahnung was jetzt kommen würde aber ich ahnte dass es verdammter Mist sein würde. Ich hatte das Gefühl, als würde eine riesen große Welle an Scheiße auf mich zurollen und mich unter ihr begraben. „Mickey, weißt du was eine bipolare Störung ist?“ Er sah mich an. Ich sah immernoch auf unsere Hände. Langsam nickte ich. „Deine Mom“ flüsterte ich und Ian nickte ebenfalls „Ja, es kann weiter gegeben werden.“ Erklärte er. Meine Gedanken drehten sich und ich versuchte Monicas und Ians Verhalten zusammen zu bekommen. Angestrengt dachte ich nach. Dann fragte ich: „Aber, wie hab ich das dann nicht gemerkt?“ Seine Augen waren gefüllt mit Tränen. Er schluckte „bin auf Medikamente eingestellt.“ „gut.“ Brachte ich nur hervor. Ich hielt seine Hand fest und mit der anderen griff ich an seine Wange und zog ihn zu einem Kuss heran. Dann wischte ich ihm die Tränen weg. „Tja, Gallagher. Netter Versuch. Aber ich bleibe hier.“ Ich drückte seine Hand „ich geh nicht. Egal wie schlimm es wird.“ Er lächelte kurz. Dann sah er nachdenklich zu Boden „du weißt nicht wie schlimm es werden kann.“ Sagte er und wirkte traurig. Ich dachte einen kurzen Moment an diesen Cousin der auf der Windschutzscheibe oder besser gesagt in der Windschutzscheibe eines LKW gelandet war. Mir lief ein eiskalter Schauer über den Rücken. Ich streichelte seinen Handrücken. „Ich beschütz dich“ sagte ich leise und damit war über dieses Thema alles gesagt, was es zu sagen gibt.

Love is a Battlefield... [Gallavich]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt