Irgendwann zwischen Schluchzen und Zittern bin ich eingeschlafen. Ich finde mich noch in meiner Unterwäsche auf dem Bett wieder. Die letzte Nacht kommt mir wie ein weit entfernter Traum vor. Ich schweige den ganzen Morgen, sage nichts zu meinem privaten Training, sage nichts zu Riven, gehe nicht auf seine Versuche ein mit mir zu reden.
Und ehe ich mich versehe sitzen wir in der Cafeteria vor dem Trainingscenter und warten darauf aufgerufen zu werden. Riven schaut immer wieder zu mir herüber, während wir warten.
„Riven Moore, Distrikt vier“, schallt es plötzlich aus dem Lautsprecher.
Ich lächle ihn schwach an. „Viel Glück.“
„Lass uns heute Abend reden, bitte.“ Er wendet sich ab und geht zur Tür.
„Okay“, murmle ich, als die Tür hinter ihm zuschlägt.
Kurz darauf wird mein Name aufgerufen. Ich stehe auf und gehe mit zittrigen Schritten auf die Tür zu. Ich spüre die Blicke der anderen Tribute auf mir und schaue kurz zurück. „Viel Glück“, formt Artemis mit ihren Lippen und ich lächle sie kurz an.
Ohne die Tribute kommt mir der Trainingsraum noch größer vor. Ich stelle mich vor die Spielmacher. „Cassiopeia Pearl, Distrikt vier“, rufe ich.
„Sie können beginnen Miss Pearl!“, ruft mir der Oberste Spielmacher Seneca Crane zu. Ich nicke und atme tief durch. Ihre ganze Aufmerksamkeit ist auf mich gerichtet. Doch mein Kopf ist wie leer gefegt. Ich weiß nicht, was ich machen soll. Ich nehme mir die Doppelschwerter und einige Messer, dann starte ich den Simulationsmodus auf schwerster Schwierigkeit. Eigentlich sollte das mit meinem Jahrelangen Training zu machen sein. Doch die Simulationen überraschen mich vollkommen, ich kenne die Technik nicht, werde überrannt von Gegnern und erwische nicht annähernd alle. Schließlich gehen mir die Messer aus und ich kann nur noch im Nahkampf kämpfen. Wenigstens dabei stelle ich mich geschickt an und schalte die Gegner in meiner Nähe aus. Als die Simulation endet atme ich schwer und der Schweiß klebt mir an der Stirn.
Ich gehe zurück zu den Spielmachern. Sie scheinen nicht sehr begeistert, einige verziehen sogar das Gesicht. Ich laufe rot an. „Vielen Dank, Sie dürfen gehen, Miss Pearl.“
„Ich danke Ihnen“, erwidere ich und nicke Ihnen zum Abschied zu, dann gehe ich gelassen zur Tür, versuche mir nichts anmerken zu lassen. Doch schon im Fahrstuhl beben meine Schultern und ein Schluchzer dringt aus meinem Mund. Ich fasse es nicht, dass ich mich so unfassbar überschätzt habe vor den Spielmachern. Als ich oben ankomme starre ich in die Meergrünen Augen von Finnick. Auf sein fragenden Gesicht hin schüttle ich nur den Kopf und gehe in mein Zimmer.
Riven fragt an der Tür nach mir, doch ich ignoriere ihn und starre wieder hinab auf die Straßen des Kapitols. Was werden sie nach der Bewertung der Spielmacher von mir denken? Wird überhaupt noch ein Sponsor mich wollen? Dabei hatte ich so gut vorgelegt in den vergangenen Tagen.
Als mich Ameena zur Zusammenfassung ruft, traue ich mich wieder heraus und setze mich zu den anderen auf die Couch. Die Hymne von Panem erklingt und kurz darauf erscheint Caesar Flickermann auf dem Bildschirm.
Er verkündet die Bewertungen von Distrikt eins. Das Mädchen erhält eine acht, der Junge neun. Beides ziemlich gute Bewertungen.
Der Junge aus Distrikt zwei erhält eine zehn. Ich tausche kurz einen nervösen Blick mit Riven. Das Mädchen erhält eine neun.
Die Tribute aus Distrikt drei erhalten eine sehr niedrige Bewertung, wie ich es erwartet habe. Am liebsten würde ich sie gleich überspringen, denn jetzt kommt Distrikt vier. Ich knabbere nervös an meinen Fingernägeln und starre auf den Bildschirm. „Und Riven Moore erhält eine Punktzahl von…“, Caesar macht eine dramatische Pause, „neun!“
„Herzlichen Glückwunsche“, murmle ich und lächle Riven schwach an. In Gedanken schon bei meiner Bewertung.
„Und Cassiopeia erhält eine Punktzahl von sechs.“ Ich beiße mir auf die Wange und schließe die Augen. Versuche zu begreifen, was das heißt und warum es mir den Boden unter den Füßen wegreißt. Eine sechs ist gut für jemanden aus den Armen Distrikten, zwölf zum Beispiel. Nicht für jemanden, der sein Leben lang trainiert. Alle um mich herum schweigen.
„Ach, Darling“, sagt Ameena und hockt sich vor mich, um mir eine Strähne aus dem Gesicht zu streichen. „Es gibt da ein altes Sprichwort. Hinfallen, aufstehen, Krone richten. Bei den Interviews richten wir das wieder.“ Sie lächelt mich mitfühlend an, als wüsste sie, was das für mich heißt.
„Sie har Recht, wir machen sie neugierig im Interview, was du wirklich kannst.“ Finnick drückt meine Schulter. „Vielleicht spielt uns da der Sieg von Johanna sogar in die Karten.“
„Bestimmt sogar“, stimmt sogar Annie nun zu und lächelt mir aufmunternd zu, ehe ihr Blick in die Ferne wandert.
Ich atme tief durch. „Wenn ihr meint. Ich habe keine Wahl, ich muss es wohl versuchen.“ Ich spüre Rivens Hand auf meiner. Er drückt sie zärtlich und streichelt kurz mit seinem Daumen darüber.
„Ihr habt Distrikt fünf und sechs verpasst. Sieben, fünf, vier, vier“, sagt da eine Stimme aus der Ecke. Es ist Nyx, mein Stylist. Will wohl live sehen, wie ich versage. Ich fühle mich gleich noch schlechter. Weil sein Outfit für die Interviews morgen bestimmt fantastisch aussehen wird. Rivens Stylistin steht neben ihm und verdreht die Augen. Sie lächelt mich kurz aufmunternd an und setzt sich dann neben Riven. Nyx bleibt in der Ecke stehen.
Als nächstes kommt Distrikt sieben, ich erinnere mich an den Jungen gut, er war in der Trainingshalle mit seiner riesigen Gestalt kaum zu übersehen. „Taylor Wood erhält eine Punktzahl von neun, herzlichen Glückwunsch.“ Ich kaue auf meiner Unterlippe, es sind einige fantastische Wertungen dabei. Das Mädchen bekommt eine sieben. Selbst sie ist besser als ich.
Distrikt acht und neun erhalten Punktzahlen um die sechs herum. Das Mädchen aus zehn überrascht mich mit einer sieben. Sie hat eine eher kleine Gestalt und ist noch sehr jung. Ich frage mich, was sie wohl vorgeführt hat. Vermutlich wird sie es bei den Interviews erzählen. Der Junge erhält eine fünf.
Jetzt folgt Distrikt elf. Ich hoffe, dass wenigstens Artemis gezeigt hat, was sie kann. Auch wenn ich sie als Konkurrenz sehen sollte, stücke ich ihr die Daumen. Zuerst kommt Johnny. Er erhält eine fünf. Knoten kann man auch nicht besonders gut vorführen. Vielleicht hat er gezeigt, wie schnell er ist, sonst wäre die Punktzahl noch niedriger. Jetzt kommt Artemis. Sie erhält eine Punktzahl von acht. Das ist wirklich fantastisch. Ich freue mich für Sie, aber der Neid nagt an mir. Diese Punktzahl hätte meine sein müssen.
Die Tribute aus zwölf erhalten beide eine vier.
„Morgen habt ihr Privatstunden mit euren Mentoren und mit mir“, sagt Ameena lächelnd. „Du kommst zuerst zu mir, Riven.“
Er nickt und verlässt dann den Raum „Morgen finden wir schon eine Lösung“, sagt Finnick zu mir kurz bevor ich den Raum verlassen. Ich lasse mir etwas zu Essen ins Zimmer rufen und streifen danach durch unser Apartment. Ich bin schon wieder ruhelos und fühle mich eingesperrt. Am liebsten würde ich an die frische Luft gehen, doch bis ich die wirklich wieder schmecken kann, muss ich wohl auf die Arena warten.
Schließlich kommen ich zum Pool. Ich linse hinein und sehe Riven am Fenster stehen. Eigentlich hatte er mich gebeten, zu reden, doch ich fühle mich einfach nicht in der Lage, über die Türschwelle treten, als hätte man dort eine unsichtbare Wand gezogen. Ich beobachte ihn ein wenig und wende mich dann ab und ziehe die Tür hinter mir zu. Ich fühle mich, als wolle ich für immer schweigen und ich bereue den Kuss. Ich bereue ihn so sehr. Vor allem nach Rivens Bewertung. Das ganze Kapitol wird sich um ihn reißen. Denn im Gegensatz zu dem Jungen aus zwei kann er charmant sein und sieht unfassbar gut aus. Er wird definitiv jetzt schon bei den Wetten ganz oben stehen.
Ich gehe zurück in mein Zimmer und liege stundenlang auf dem weichen Bett, ohne ein Auge zuzutun.
~*~
Leider habe ich die beiden letzten Kapitel vertauscht. Es tut mir sehr leid, falls ich euch damit total verwirrt habe. Jetzt kontrolliere ich am besten fünf mal, ob es passt.
Ich hoffe, die Geschichte gefällt euch trotzdem weiterhin.
Habt noch viel Spaß beim Lesen <3
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Die Tribute von Panem - Eisige Wellen
Fiksi Penggemar„Wagen wir es, uns auch in der Arena nahe zu sein, oder werden wir uns wieder hassen?", fragt Riven mich mit rauer, schlaftrunkerner Stimme. Es ist der Morgen vor den 72. Hungerspielen. Ich schließe die Augen und spüre die ersten Sonnenstrahlen dur...