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Gähnend reckte Josh seine Gliedmaßen, dann stellte er sich auf die Zehenspitzen und presste seinen Mund für einen kurzen, aber leidenschaftlichen Kuss auf Duncans Lippen. Danach streifte er sich rasch das Shirt wieder über, das Rafe ihm zum Schmusen ausgezogen hatte (ohne kuschelt es sich einfach viel besser!) und schlüpfte in seine Schuhe. Fröhlich summend hüpfte der Omega aus dem Nestraum und sah sich suchend um.
„Sie ist draußen," sagte der Tracker des Königsclans und zwinkerte dem Kleinen mit diesen wunderschönen dunklen Mandelaugen freundlich zu.
In seinem Eifer zu Gwenny zu kommen, drehte Josh eine regelrechte Pirouette und stürmte mit einem geflöteten „Daaaanke schöööön!" nach draußen.
Dort angekommen blieb er für einige Herzschläge nahe der Tür stehen, um den Anblick zu genießen.
Seine süße, kleine Freundin saß auf einer gemütlich aussehenden Holzbank und ließ sich von der Sonne die Glieder wärmen. Ein leichter Wind strich durch das blühende Heidekraut und bildete mit seinem leisen Rauschen gemeinsam mit dem Gezwitscher der Vögel die Hintergrundmelodie. Etliche Dutzend Schmetterlinge tanzten in der warmen Brise und Gwen's Augen folgten dem Flug der Insekten, welche sie für die Seelen geliebter Verstorbener hielt.
„Hey... woran denkst du?" fragte Josh, hüpfte über die Banklehne und riss seine Besti mit kräftigen Schulterschlenker aus ihren Tagträumen.
Unbeabsichtigt oder nicht... jedenfalls flog Gwenny dabei mit dem Gesicht voran ins Heidekraut und scheuchte weitere Schmetterlinge auf. Genervt stemmte sie sich hoch, drehte sich zu ihrem Freund um und maulte: „Och, menno... Jooohosh!"
Mit einem leichten Grinsen drehte der Junge das Gesicht zur Sonne und schloss genüsslich die braunen Augen.
Hmmm... das fühlte sich echt gut an!
„Du kannst ruhig aufhören, hier rumzumeckern. Schließlich hast du mich gerade ziemlich in die Bredouille gehauen! Wie kommst du nur auf die beknackte Idee, meinen Alphas zu erzählen, dass wir beiden intim gewesen sind... ich meine, Hallo? Diese Männer sind mit mir verpartnert. Hast überhaupt eine Ahnung, was das bedeutet? Du niedliches Hohlköpfchen! Du hast doch das Temperament von Rafe selbst kennen gelernt, erinnerst du dich? Vor ein paar Tagen auf der Schmetterlingswiese beim Grab deiner Mama? Mensch, Gwendolyn... Du bist doch nicht etwa lebensmüde oder?"
Mit einem tiefen Seufzer setzte sich die rothaarige junge Frau wieder neben ihren besten Freund und lehnte den Kopf an seine Schulter. Ihre zierlichen kleinen Hände umschlossen die seinen und begannen mit den schlanken Fingern des Omegas zu spielen.
„Ach, Josh... Ich weiß doch auch nicht. Ich bin in letzter Zeit einfach nur verwirrt. Was noch schlimmer ist: ich bin so müde... vom Angst haben, vom ständigen Weglaufen, vom Verstecken... Manchmal möchte ich mich einfach nur hinlegen und bis in die Ewigkeit schlafen!"
Josh schlang seine Arme um Gwens Schultern und zog sie enger an sich heran. Er lehnte seinen Kopf an ihren Scheitel und kraulte liebevoll ihren Nacken.
„Was macht dir denn immer noch Angst?" fragte er leise und sah zu den entfernten Gipfeln der Berge hinüber. Die Sonne begann sich langsam zu senken und pinselte schon jetzt ein Hauch von Rosa, Rot und Gold an den noch strahlend blauen Himmel.
„Ich hab Angst vor dem, was ich fühle, wenn die Alphas des königlichen Clans in meiner Nähe sind. Weißt du, es ist gerade mal sieben Monate her, da hat Tjorben mich noch zusammengeschlagen und kurz danach hat der Prinz den gleichen Befehl gegeben. Ich hab mir selbst versprochen, dass ich das nie verzeihen werde. Und jetzt? Jetzt habe ich den Schläger als meinen ersten Gefährten markiert und mir gleich zweimal von dem Obermaker mein Hintern versohlen lassen. Diese Männer kommen mir immer näher und ich weiß nicht, wie lange ich noch die Kraft habe, sie mir vom Leib oder gar von meinem Herzen fern zu halten."
Diesen letzten Teil flüsterte die junge Frau, zog ihre Beine an den Körper heran und legte die Arme darum. Der Omega seufzte traurig und spiegelt dann ihre Haltung. Nachdenklich legte er den Kopf zu Seite und musterte sie aus den Augenwinkeln.
Dann sagt er leise: „Die wirklich wichtige Frage ist doch: willst du sie überhaupt von deinem Herzen fernhalten? Und bevor du jetzt wieder los schimpfst... Du könntest es echt schlechter treffen und ja, ich weiß, dass das jetzt so richtig Plattitüdenhaft klingt... Aber stell dir mal vor, du würdest einen dieser Alt-Alpha-Clans abbekommen, die in den Schlüsselpositionen sitzen. Oder so richtig, richtig übel: Prinz Henrys Vater! Dieser Typ ist hochgradig meschugge und hat nicht mal mehr den Hauch einer Menschlichkeit an sich... plus er klammert sich an seinen Thron als bestünde dieser aus reinster Schokolade!"

Als sie leise zu kichern begann, wusste Josh, dass er sein Ziel erreicht hatte. Er hatte zumindest für kurze Zeit ihre dunklen Gedanken vertrieben.
Doch zu welchem Preis?
Jetzt wollte er Schokolade haben!
Verdammt...
Oh, was würde er jetzt für ein Stück von Grammys köstlichen Mandelbrownie geben! Mit extra Schokoladensoße darüber..
Unauffällig wischte Josh sich über die Mundwinkel, um zu überprüfen, ob er nicht etwa vor lauter Gier schon am sabbern war.
Gerade noch verstrickt in seine Tagträume, die aus ganzen Bergen von köstlichen Schokobonbons, Torten, Keksen und sonstigen Süßkram bestanden, hörte er seine Freundin leise fragen: „Kommst du mit auf einen kleinen Spaziergang?"
Spaziergang?
Das klang jetzt nicht ganz so toll, wie sich gedanklich in Flüssen aus Schokoladensoße zu wälzen, aber vielleicht würde das eine Gelegenheit sein, ein paar etwas tiefgründigere Gespräche mit seiner Freundin zu führen. Daher sprang er sofort auf und sagte: „Klar doch, Schatz! Äh... ich schätze mal, dass du nicht so wahnsinnig scharf auf eine Alpha-Begleitung bist, oder?"
Gwenny schüttelte entschieden den Kopf und verschränkte die Arme vor der Brust.
‚Kleiner Sturkopf' dachte Josh mit einem leisen, amüsierten Kichern über ihren Gesichtsausdruck und hüpfte hinüber zu seinem geliebten Kuschelbär, der gerade als Häuserstütze fungierte und somit drei Meter von ihnen entfernt an der Wand der Hütte lehnte.
Xander hob eine Augenbraue und legte im Kopf schief. Dann seufzte er und sagte: „Okay, okay... Wenn du das wirklich willst, bleibe ich hier. Aber... weiter als bis zum Waldrand da vorne geht ihr mir nicht, hast du das verstanden, mein kleiner Frechdachs?"
Während Gwen im Hintergrund nur leise vor sich hin schnaubte, sprang Josh freudestrahlend den blonden Riesen in die Arme.
„Danke, Xander! Danke, danke, danke!"
Und - nur um ganz sicher zu gehen, dass sein geliebter Mechaniker die Botschaft auch klar und deutlich verstand - wurde jedes ‚Danke' sicherheitshalber von einem zärtlichen Kuss begleitet, bis der Alpha schließlich erregt zu knurren begann.
„Josh? Wenn du nicht willst, dass es hier gleich ziemlich schnell, ziemlich nicht jugendfrei wird, dann solltest du jetzt besser aufhören!"
Der Omega spürte die beeindruckende Härte  der Erektion seines Mannes durch dessen Lederhose und wurde rot. Mit einem Kichern wand er sich aus dem starken Griff seines Alphas und murmelte verlegen: „Uuupsiii.."

Schnell - bevor er in Versuchung geriet, etwas nicht jugendfreies zu tun - stürmte er zu Gwendolyn zurück, schnappte sich ihre Hand und zerrte sie hinter sich her - begleitet von Xanders tiefen und warmen Lachen.
„Weißt du, ich vermisse echt diese kleine Wiese hinter dem Haus meiner Tante. Da konnte ich doch immer so gut nachdenken... Und, auch wenn es jetzt dumm klingt... da hatte ich irgendwie das Gefühl, dass Mamas Seele bei mir war, um auf mich aufzupassen. Ich fragte mich echt, was Tante Clarissa wohl gerade macht?"
„Vermutlich versucht sie, ihrer missratene Tochter bei deren neuen Zukunft zu helfen."
Verwirrt blieb die Epsilon stehen und sah Josh fragend an.
„Hä? Wie meinst du das? Ist irgendetwas passiert?"
Der Omega bückte sich und pflückte eine kleine weiße Blume. Sachte drehte er den Stil zwischen seinen Fingern, dann steckte er die Blüte in ihre feuerroten Locken und nickte zufrieden.
„Sehr schön... steht dir gut... Äh, was passiert ist? Na, was denkst du denn? Sabine hat ein Kapitalverbrechen begangen. Sie hat einem Alpha geschadet und sich in die Paarbindung eines Clans eingemischt. Das bedeutet ja in der Regel die Todesstrafe. Aber dein Vollstrecker hat beschlossen, sie im Leben zu lassen. Obwohl manche behaupten würden, dass seine Strafe für dieses dumme Miststück schlimmer ist als das, was gesetzlich vorgeschrieben ist. Wenn du mich fragst, ich würde es eher als Charakter formend bezeichnen!"
Gwen verdrehte ihre Augen, stemmte die Fäuste in die Hüften und fauchte: „Joooosh! Jetzt spann mich nicht auf die Folter! Was genau ist Sabinas Strafe?"
Der Blick des jungen Mannes geschweifte durch das lichte Unterholz, kurzfristig abgelenkt durch eine Bewegung im Schatten.
„Hm? Was? Oh, ja... Richtig... Sabina wurde dazu verurteilt, sich niemals beruflich in der Gesellschaft zu erheben. Darüber hinaus wurde eine Heirat für die nächsten fünfundzwanzig Jahre verboten. Ach, und sie darf sich nicht fortpflanzen. Also... so überhaupt nicht. Was, ehrlich gesagt, jetzt nicht weiter schlimm ist. Somit bleibt der nächsten Generation zumindest ihre außergewöhnlich charmanten Charaktereigenschaften erspart. Tja, im Prinzip wird sie nun den Rest ihres Lebens die Aufgaben erledigen, die sonst keiner durchführen möchte. Wie zum Beispiel öffentliche Toiletten säubern, in der Müllbeseitigung arbeiten und so weiter und sofort."
Langsam breitete sich ein breites Lächeln in Gwennys Gesicht aus. Sie sah aus, als hätte sie einen ganzen Baum aus purer Schokolade vor sich. Und Josh musste feststellen, dass er den exakt gleichen Gesichtsausdruck hatte. Diese Strafe war einfach perfekt für die versobbte, fiese und intrigante Missgeburt von Cousine.

Brennende HimmelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt