11.Kapitel Die Stadt der Städte

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Jolly spürte das Gras zwischen ihren Fingern. Gras? Verdutzt öffnete sie ihre Augen und setzte sich auf. Doch zunächst sah sie nichts als grün. Die Grashalme überragten sie derzeit um etwa zwei Kopflängen. Sie richtete den Blick nach oben und sah direkt auf einen blauen Himmel, der allerdings nicht in hellem Himmelblau, sondern eher in dunklem Meerblau erstrahlte. Noch etwas benebelt stand sie auf, um sich einen Überblick über das Meer aus grün zu verschaffen. Das war aber leichter gesagt als getan, denn auch nach dem Jolly sich aufgerichtet hatte, sah sie immer noch nicht mehr als schier unendliches Grün und Blau. Das Gras wiegte sanft im Wind, erinnerte Jolly aber eher an eine der großen Seetangwiesen, die sich auf ihrer Reise gesehen hatte. Apropos Reise: wo waren die anderen? Vorsichtig begann sie, sich einen Weg durch die wogenden Halme zu bahnen. Sie bewegten sich beinahe ohne ein Geräusch zur Seite, ließen Jolly scheinbar freiwillig passieren und schlossen sich hinterher wieder hinter ihr zusammen, als wäre sie nie da gewesen. Lange Zeit geschah nichts, doch auf einmal flatterte ein Vogel auf. Jolly blieb stehen und beobachtete fasziniert, wie er um sie herum schwirrte. Wenn er einem die Zeit ließ, ihn genauer zu betrachten, dann sah man, dass es eigentlich nicht wirklich ein Vogel war. Zwar hatte er Flügel mit langen rot - orangen Federn, aber der Rest seines etwa Kaninchengroßen Körpers war mit Schuppen bedeckt, die in allen erdenklichen Farben schillerten. Jolly streckte bedächtig ihre Hand nach ihm aus, und tatsächlich ließ er sich auf ihrem Arm nieder. Sie spürte, wie sich seine Krallen ein Stück in ihre Haut bohrten ohne sie jedoch zu verletzen. Langsam hob sie ihre andere Hand und streichelte ihm vorsichtig über die beschuppte Brust. Er hob den Kopf und stieß einen leisen, aber dennoch durchdringenden Schrei aus, so dass es Jolly kalt den Rücken herunter lief. Dann schwang er sich anmutig wieder in die Lüfte, kreiste aber weiterhin über ihrem Kopf. Jolly verspürte den Drang, ebenfalls in Richtung Himmel zu steigen und dem Fischvogel überallhin zu folgen. In einer losen Hoffnung bewegte sie ihre Arme wie die Schwingen eines Vogels auf und ab und erschrak selber fürchterlich, als sie bemerkte, dass ihr der Boden unter den Füßen schwand. Beinahe hätte sie aufgehört mit den Armen zu wedeln, doch sie war schon so hoch, dass sie ihren neuen Freund beinahe erreicht hatte. Als sie immer noch überrascht an sich hinab sah, bemerkte sie verblüfft, dass dort, wo sonst ihre Beine waren, mit Krallen versehene Füße über dem Abgrund baumelten, die in einem hellen rosa glänzten. Außerdem entdeckte sie elegant geschwungene Federn, die sie, wie sie mit Belustigung feststellte, hin und her schwenken konnte. Sie blickte den Vogelfisch an und dieser schrie erneut, aber dieses Mal sagte er deutlich: „Folge mir!". Jolly tat nichts lieber als das und folgte ihm, wie er es verlangt hatte, immer weiter nach oben. Plötzlich hielt er inne. Die beiden waren mittlerweile so hoch, dass die Gräser zu einer einzigen gigantischen grünen Masse verschmolzen. Er schaute sie direkt an und vor ihren Augen färbte er sich schwarz. „Hüte dich vor der Schlange!" dröhnte es auf einmal von allen Seiten. Jolly wollte zurückweichen, stellte aber entsetzt fest, dass sie anstelle von Flügeln wieder Arme besaß. Mit einem Ruck begann sie zu fallen, fiel immer weiter, immer schneller. Sie schrie aus vollem Halse und überall um sie herum hörte sie Stimmen, die wiederholt ihren Namen nannten. Sie fiel und fiel, kam dem Boden immer näher und näher, die Stimmen die sie umgaben brüllten nun schon beinahe und ihr eigener Name dröhnte ihr durch den Kopf. Sie begann zu trudeln und sich zu drehen, war nun mit dem Gesicht zur Erde gewandt und beobachtete, wie sich genau unter ihr ein klaffender Spalt öffnete, nur um sie im nächsten Moment zu verschlucken. Alles um sie herum war verschwunden. Der Fischvogel, die Gräser, der Himmel. Nur die Dunkelheit und die bedrängenden Stimmen blieben.

Jolly fuhr schreiend aus dem Schlaf. Gehetzt blickte sie in die Gesichter von vier verwirrt und gleichzeitig geschockt dreinschauenden Nixen. Das Echo der Stimmen klang immer noch durch ihren Schädel. Ihr Atem ging schwer und schnell, als wäre sie gerade sehr weit gerannt und sie spürte, wie ihr Herz wild in ihrer Brust pochte. „Ist alles in Ordnung?", fragte Suri besorgt. Jolly nickte aus Reflex und schüttelte dann doch schnell den Kopf. „Was ist denn passiert?", schaltete sich Wani ein. „Nichts Schlimmes", sagte Jolly eilig. Sie wollte den anderen nicht unnötige Sorgen bereiten „War nur ein Alptraum." „Dann ist ja gut", seufzte Suri erleichtert und alle setzten sich still an ihre angestammten Plätze. Schweigen. „Träume sagen öfter die Wahrheit als dir lieb ist", kam es plötzlich leise aus der hintersten Ecke der Kutsche. Nun war es Heweli, die von allen angestarrt wurde. Sie hatte die Augen geschlossen und ihren Kopf entspannt an die Wand gelehnt. „Hört nicht auf sie", sagte Nakago mit erbostem Unterton. Aber Heweli lächelte nur und flüsterte kaum hörbar: „Wenn du wüsstest...". Nakagos Gesicht bekam einen leichten Rotstich und er wollte gerade zu einer Entgegnung ansetzen, als Gimbranis Stimme von draußen ertönte. „Kommt raus!", rief sie aufgeregt. Augenblicklich öffnete Wani die Tür und zog sich am Äußeren der Kutsche nach oben aufs Dach. Die anderen taten es ihr nach. Dabei hatte Jolly einen Vorteil dadurch, dass sie sich mit ihren Füßen abdrücken und so leichter klettern konnte. Endlich etwas, indem sie besser war als die Nixen, freute sie sich heimlich. Oben angelangt schaute sie nach Vorne und sah direkt, was Gimbrani entdeckt hatte. Vor ihnen, immer noch weit entfernt und trotzdem deutlich zu erkennen, erstreckte sich Teyloa. Zahlreiche Türme reckten sich gen Himmel, aber alles wurde überragt von einem Palast, wie Jolly ihn noch nie gesehen hatte. Ein wenig erinnerte er sie an die Hagia Sophia, eine Moschee, die Jolly einmal in der Zeitung ihres Vaters gesehen hatte. Mitten aus seiner blau funkelnden Kuppel schien der riesige Cor zu wachsen, wie das Horn eines Einhorns aus dessen Stirn. Ein Leuchten schien ihn zu umgeben und Jolly meinte ein Knistern zu spüren, dasselbe wie damals, als sie Suri das erste Mal am Strand hatte liegen sehen. Sie konnte ihren Blick nicht abwenden und die Gebilde kamen immer näher. Schnell glaubte Jolly, Bewegungen zu sehen, die bald darauf eindeutig als N ixen zu identifizieren waren. Jolly fuhr zusammen, als Nakago sie an der Schulter packte. Unsanft zog er sie an die Rückseite ihres Fahrzeugs. Wie immer ohne eine Erklärung. „Was soll das?", fuhr Jolly ihn verärgert an und versuchte wieder zurück zu gelangen. Doch Nakago hielt sie zurück. „Sie dürfen dich noch nicht sehen." Jolly verstand nicht. Sie wollte die Stadt sehen, ihre Bewohner, die Häuser, und alles andere, was sich in ihr verbergen mochte. „Halt!", tönte auf einmal eine fremde Stimme. „Schnell!", zischte Nakago, klappte zu Jollys Erstaunen den „Kofferraum" auf, die Kiste, aus der Tureel die Trensen und Sättel geholt hatte und bevor sie protestieren konnte, hatte der Nix Jolly wieder am Arm gegriffen und grob in den Kasten geschoben. „Hey!", schrie sie außer sich. Schnell schloss Nakago den Deckel und Jolly hörte, wie ein Verschluss zu schnappte. Sie war gefangen. „Sei bloß still!", klang Nakagos Stimme dumpf zu ihr durch. Jolly wollte wieder schreien, aber dann schwieg sie doch. Er würde schon einen guten Grund haben, sie einfach so in eine unbequeme Kiste zu sperren. Hoffentlich. Es war zwar stockduster, aber Jolly versuchte trotzdem sich durch fühlen zurecht zu finden. Schon beim ersten Mal hatte sie sich gewundert, wie das ganze Pferdegeschirr hier hinein gepasst hatte und auch jetzt stellte sie verwundert fest, dass ihre Hand keine Begrenzung ertasten konnte, wenn sie sie nach links ausstreckte. Direkt neben ihrem Gesicht lag etwas, das ein weiterer Sattel sein musste. Da befanden sich noch viel mehr Dinge um sie herum, die meisten konnte sie allerdings nicht zuordnen. Dann erinnerte sie sich an die fremde Stimme und versuchte angestrengt zu lauschen, verstand aber nur Fetzen: „Wo... gewesen?", fragte der Unbekannte. „Wir... Ausflug... Keppar", drang Nakagos tiefe Stimme zu ihr. Dann verstummten die beiden. Plötzlich klopfte jemand auf die Kiste. Jollys Herzschlag schien für einen Moment auszusetzen. „Aufmachen!", hörte sie nun laut und deutlich. „Das geht nicht", erwiderte Nakago wortkarg und bestimmt wie immer. „Warum nicht?", langsam wurde der andere ungeduldig. „Wir haben den Schlüssel irgendwo auf der Strecke verloren. Es sind nur ein paar Stangen Vead und Sättel für die Seepferde darin." „Na gut, das lasse ich noch mal durchgehen. Ich wünsche ihnen viel Spaß in der Stadt der Städte. Hoffentlich können wir ihnen einen angenehmen Aufenthalt ermöglichen." Die letzten Sätze klangen auswendig gelernt und runter gerattert. Jolly fiel ein Stein vom Herzen, als sie spürte, dass sich die Kutsche langsam und ruckelnd wieder in Bewegung setzte. Jetzt blieb nur noch die Frage, wann sie diesen Kasten endlich verlassen durfte. Trotz seiner eigentlich unmöglichen Größer war er doch irgendwie beengend.

Hey Wattpadder :D

Hier bin ich endlich mit einem neuen Kapitel... Es tut mir wirklich leid, dass ich so lange gebraucht habe :/ Ich hatte doch recht viel Stress in der Schule und so weiter, sodass ich meine Nachmittage doch gerne einfach nur im Bett oder auf meinem Sessel verbracht und gelesen statt geschrieben habe. Aber jetzt bin ich ja wieder da :D Ich hoffe, dass ich demnächst mehr Zeit und Motivation haben werde.

Gedanken zum Kapitel wie immer gerne in die Kommis, sei es auch nur ein Wort :) Kommis freuen mich sogar meist mehr als Votes, egal ob Lob oder Kritik <3

Eure Jolly

Bermuda  *on hold*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt