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Wincent

Als Anna und ich nach unserem kurzen Spaziergang wieder ins Auto stiegen, merkte ich die Müdigkeit. Ausnahmsweise hielt ich mich also mal an die Straßenverkehrsordnung und in Annas Wohnung angekommen, fielen wir fast nur noch ins Bett.
Mein Wecker riss mich viel zu früh aus dem Schlaf. Doch ich zwang mich, ihn direkt auszuschalten und aufzustehen. Bevor ich allerdings meine Sachen zusammengesucht hatte, bewegte sich Anna.
„Hm?", murmelte sie verschlafen.
Ich ging zu ihr und gab ihr einen sanften Kuss.
„Guten Morgen. Es ist noch früh, du kannst nochmal schlafen, wenn du willst. Ich geh nur fix duschen."
„Wenn du mir zwei Minuten gibst, stehe ich auch auf."
„Okay. Ich warte im Bad auf dich."
Ich nahm meine Sachen und ging schon vor. Tatsächlich kam Anna keine zwei Minuten später auch hinein. Sie sah aber wirklich noch ziemlich müde aus. Für mich waren kurze Nächte nicht so das Problem, aber meine Freundin war das nicht gewohnt. Daher beschloss ich, sie jetzt den ganzen Morgen über richtig zu verwöhnen. Immerhin war sie nur durch meinen Wecker um diese Zeit wach. Ich selbst brauchte nie viel Zeit zum Duschen, also kümmerte ich mich erst einmal um Anna. Zwanzig Minuten später waren wir beide frisch geduscht und sahen deutlich wacher aus.
„Kaffee?", fragte ich Anna, nachdem wir uns für den Tag angezogen hatten.
„Auf jeden Fall", lautete die Antwort und gab ihr noch Zeit, um sich endgültig fertig zu machen.
Währenddessen ging ich in die Küche, wo Fritz schon auf mich wartete. Ich wusste genau, dass er Essen haben wollte, aber ich konnte Annas Erziehung ja nicht komplett kaputt machen. Daher kochte ich nur Kaffee für meine Freundin und mich und holte dann Müsli für das Frühstück heraus. Wir aßen gemeinsam und anschließend föhnte ich Annas Haare. Durch das frühere Aufstehen hatten wir beide noch Zeit und die nutzten wir, um gemeinsam mit Fritz eine Runde im Park zu drehen. Ich liebte diese kleinen Momente, wo wir einfach keine Worte brauchten. Es zählte nur Annas Hand in meiner, die altbekannten Straßen und Fritz, der ruhig zwischen uns lief.
„Was steht heute eigentlich bei dir auf dem Plan?", fragte Anna mich auf dem Rückweg.
„Bisschen Studio und dann Büro mit Anna", antwortete ich.
„Wann fährst du ins Büro?"
„Gegen Mittag wahrscheinlich. Wieso?"
„Ich hatte überlegt, ob du Fritz mitnehmen kannst. Lara und ich haben um 14 Uhr Feierabend und dann könnten wir einkaufen und dann direkt zu Lara."
„Ja, ergibt Sinn. Ich ruf dich an, wenn ich aus dem Studio raus bin und hol ihn ab, okay? Aber nur, wenn das wirklich in Ordnung ist", sagte ich eindringlich.
„Das wäre super. Danke."
„Nicht dafür."
Zurück bei Anna packte ich meinen Rucksack, während sie Fritz fütterte. Ich fand es immer wieder faszinierend zu sehen, was für ein eingespieltes Team die zwei waren. Es brauchte kaum Worte und dennoch schien Fritz genau zu wissen, was Anna von ihm erwartete. Wenn der bei mir mal so gut hören würde... Aber da reichte nur sein Hundeblick und ich war verloren. Die Karte konnte er bei seinem Frauchen nicht ausspielen. Also war ich immer das Opfer. Ich brachte Anna noch zur Arbeit und fuhr dann von dort aus ins Studio. Philipp war auch schon da und so fingen wir direkt an. Das war der letzte Song für das Weihnachtsalbum und dann hatte ich das Projekt auch erst einmal abgehakt. Allerdings unterbrach uns nach einer Stunde das Klingeln meines Handys.
„Weiß?", meldete ich mich und gab Philipp ein Zeichen, dass ich gleich zurückkam.

Annalena                  

Ich mochte die Arbeit mit Lara im Laden sehr und normalerweise freute ich mich über viel Kundschaft. Allerdings nervte es mich heute, dass so viele Menschen da waren. So bekam ich einfach keine Gelegenheit, Lara auszuquetschen. Sie wirkte irgendwie anders als sonst, deutlich besser gelaunt, und das machte mich noch neugieriger. Wir hatten ordentlich zu tun und so verging die Zeit wie im Flug. Als mein Hund freudig von seinem Platz aufsprang, wusste ich, dass wir fast Feierabend hatten.
„Hey, ihr zwei", sagte Wincent. „Sorry, bin etwas spät."
„Kein Problem", beruhigte ich ihn. „Viel Spaß euch beiden und vergesst das Arbeiten nicht."
„Niemals. Wir kommen schon klar, hat in Hamburg auch funktioniert", erwiderte Wincent.
„Okay. Dann bis heute Abend irgendwann."
„Bis später."
Wincent gab mir einen Kuss und dann verschwand er mit meinem Hund wieder aus dem Laden. Ob das wirklich so eine gute Idee war? Hoffentlich bekam Wincent keinen Ärger mit seiner Managerin.
„Google, wie spät ist es?", wollte ich von meinem Handy.
„Es ist 13 Uhr und fünfzehn Minuten", lautete die Antwort.
Nur noch 45 Minuten und dann konnte ich endlich alles loswerden, was mir durch den Kopf ging.
„Anna, ich brauch dich hier mal", riss mich Lara aus meinem Gedanken.
„Klar, ich komme", antwortete ich und ging zu meiner besten Freundin.
Die restliche Zeit verflog nur so und als endlich unsere Ablösung kam, zog ich Lara schon fast aus dem Laden.
„Jetzt entspann dich mal", sagte sie.
„Nein, ich will endlich alles wissen."
„Können wir erst einkaufen gehen?"
„Nur, wenn du mir sagst, warum du heute so unglaublich gut drauf bist. Was ist gestern noch mit Mats passiert?"
„Anna, du nervst!"
„Ich weiß. Ist mein Ziel", erwiderte ich. „Komm schon. Du hast mich bei Wincent auch ausgequetscht."
Lara schwieg weiter und versuchte mich abzulenken, indem sie aufzählte, was wir alles brauchten. Ich tat so, als würde es mir nicht auffallen und hielt beim Einkaufen meine Klappe, was das Thema Mats anging. Allerdings würde sie heute noch auspacken müssen, da kam sie nicht drum herum und das wusste sie auch ganz genau.
Bei Lara angekommen, aßen wir erst einmal Kuchen, den wir beim Bäcker geholt hatten. So lange hielt ich noch die Füße still, aber als Lara abräumen wollte, stellte ich mich vor den Geschirrspüler.
„Anna, komm schon."
„Nein. Du erzählst mir erst von gestern Abend. Währenddessen kann ich das Geschirr ja einräumen", schlug ich vor.
„Nicht gegen dich, aber ich glaub eher nicht."
„Okay...", sagte ich gedehnt. „Was... ist... passiert?"
Lara seufzte. „Lass uns ins Wohnzimmer gehen."
Wir machten es uns auf dem Sofa bequem und ich sah erwartungsvoll in Richtung meiner besten Freundin.
„Also, er hat mich gestern noch nach Hause gebracht."
„Moment. Ganz kurz für mich", unterbrach ich sie. „Wie kam es, dass ihr zusammen am See ward?"

Bin ich für sie blind? Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt