Das Knarren der Tür, als Isabella sie öffnete, ließ den Raum in einer schattenhaften Aura erscheinen.
Die Wände waren mit bröckelndem Putz bedeckt, und die Spuren vergangener Anstriche zeichneten ein Muster aus verblichenen Formen. Einige antike Möbelstücke, von der Zeit gezeichnet, standen verlassen in den Ecken. Ein zerbrochener Spiegel hing schief an der Wand und reflektierte nur noch ein verzerrtes Bild der Vergangenheit.
Die Fenster, von denen einige kaputt und teilweise ausgebrochen waren, ließen ein spärliches Licht herein, das Staubpartikel in der Luft im Schein des Vollmondes zum Tanzen brachte. Der Boden, bedeckt mit einem abgenutzten Teppich, knarrte leise unter Isabellas Schritten. Ein muffiger Geruch, eine Mischung aus feuchter Erde und vergilbtem Papier, hing in der Luft und verlieh dem Raum eine unheimliche Atmosphäre.
In einer Ecke stand ein rostiges Bettgestell, umhüllt von zerfetzten Überresten einer weißen Bettdecke. Die eisernen Streben wirkten, als hätten sie einst die Träume und Albträume der Insassen festgehalten. Ein verlassener Schreibtisch, bedeckt mit vergilbten Papieren und verwitterten Büchern, erzählte von den Geschichten, die hier vielleicht niedergeschrieben wurden.
Die Wände des Raumes waren über und über mit kryptischen Zeichnungen und wirren Schriften bedeckt. Eine Collage aus künstlerischem Ausdruck und scheinbar wahllosen Notizen, die die Grenzen zwischen Genialität und Wahnsinn zu verschwimmen schienen. Ein zerbrochenes Regal barg vergessene Reliquien vergangener Tage, von vergilbten Tagebüchern bis zu rostigen Schlüsseln, die vielleicht einst den Weg zu Freiheit oder Verzweiflung wiesen.
Isabella, noch immer von der unheimlichen Atmosphäre des alten Zimmers umgeben, zog behutsam ein weiteres Schriftstück aus der verborgenen Tasche ihres Kleides. In der schwachen Beleuchtung des Raumes entfaltete sich ein schwarz-weißes Bild, das das Gesicht eines Mannes zeigte. Seine Augen blickten ernst und schienen Geschichten aus den Tiefen seiner Vergangenheit zu erzählen.
Ein Schauer überlief Isabella, als sie das Bild betrachtete. Es war, als ob die Augen des Mannes sie direkt ansahen, als ob er aus der Geschichte heraustrat und mit ihr kommunizieren wollte.
Fest entschlossen ließ Isabella den Blick über die verlassenen Möbelstücke und die mit Zeichnungen bedeckten Wände schweifen. Ihre Augen flogen über den Raum, während sie nach Anzeichen des Mannes auf dem Bild suchte.
Plötzlich fiel ihr Blick auf einen kleinen Schreibtisch, der im Halbdunkel stand. Unter einer verstaubten Lampe lag ein zerfleddertes Tagebuch, und daneben lehnte ein Rahmen mit einem Bild. Die Konturen des Mannes darauf waren verschwommen, als ob die Zeit versucht hatte, sein Antlitz zu verschlucken.
Ein Anflug von Aufregung durchströmte Isabella, als sie näher trat und das Bild betrachtete. Die Ähnlichkeit war unverkennbar. Es war derselbe Mann wie auf dem schwarz-weißen Foto.
In dem Moment, als sie tiefer in ihre Untersuchungen eintauchen wollte, hörte sie ein leises Knarren. Isabella drehte sich abrupt um und ihre Augen trafen auf einen Mann, der plötzlich hinter ihr stand. Er trug einen eleganten Anzug, der in der gedämpften Dunkelheit des Raumes nur von den spärlichen Lichtstrahlen enthüllt wurde. Ein Diener oder vielleicht einer der Sicherheitsleute, der das Anwesen kontrollierte.
"Entschuldigen Sie, junge Dame", sagte der Mann mit einer ruhigen, aber bestimmten Stimme. "Sie sollten diesen Raum eigentlich nicht betreten. Bitte folgen Sie mir."
Isabella fühlte, wie sich ihre Muskeln anspannten. Ein kalter Schauer lief ihr den Rücken hinunter, als sie sich der Unannehmlichkeit bewusst wurde, in die sie geraten war. Das Bild und das Tagebuch lagen in ihren Händen, versteckt hinter dem Rücken.
"Ich habe mich nur ein wenig verlaufen", sagte sie mit einer unschuldigen Geste. "Könnten Sie mich zurück zu den Gästen führen? Diese Gänge sind so verwirrend."
Während sie sprach, nutzte sie die Gelegenheit, um das Bild aus dem zersprungenen Rahmen zu befreien. Die gebrochenen Teile klapperten leise auf den Tisch, als sie behutsam das schwarz-weiße Porträt des Mannes in ihren Händen hielt. Gleichzeitig löste sie das Tagebuch aus ihrer Umklammerung und steckte es geschickt in ihre versteckte Tasche.
Der Diener zögerte einen Moment, als könnte er ihre Absichten durchschauen. Doch dann nickte er schließlich und wies ihr mit einer einladenden Geste ihm zu folgen.
Die gedämpfte Beleuchtung der Gänge warf schaurige Schatten auf das Gesicht des Dieners, der sie durch die düsteren Flure des Manicomio führte. Isabella spürte, wie ihre Sinne auf Höchstleistung schalteten, während sie den Plan formte, der sie aus dieser beunruhigenden Situation befreien sollte.
Als der Diener einen weiteren Korridor betrat, nutzte Isabella den Moment geschickt aus. Ihr Herz pochte wild in ihrer Brust, als sie entschlossen ihre Hände bewegte. Kleine Gegenstände, die sie auf dem Weg aufgelesen hatte, begannen sich in ihrer Hand zu sammeln. Münzen, ein Schlüsselanhänger und sogar ein Taschentuch – alles, was sie griffbereit finden konnte.
In einem geschickten Wurf schleuderte sie die kleinen Objekte geschickt auf den Boden vor dem Diener. Ein leises Klirren, ein leises Klappern erfüllte den Korridor, und der Diener zuckte zusammen und sprang beiseite.
Isabella nutzte den Moment der Ablenkung geschickt aus und eilte in die entgegengesetzte Richtung. Die schummrigen Gänge des Manicomio schienen sich vor ihr auszudehnen, als sie durch das Labyrinth der Flure hastete. Der leise Klang ihrer Schritte wurde von den düsteren Wänden widerhallt, und der Diener, der ihre Verfolgung aufnahm, blieb nicht weit zurück.
Die Flucht durch die verschlungenen Gänge brachte sie schließlich zu einer scheinbaren Sackgasse. Isabella atmete schwer, als sie sich umsah. Das Labyrinth schien sie einzusperren, und der Diener näherte sich unaufhaltsam. Doch dann entdeckte sie eine Tür, die einen Spalt breit geöffnet war.
Mit einem flinken Blick über die Schulter stürmte sie in das Zimmer, das nur von einem fahlen Mondlicht erhellt wurde. Es war klein und wirkte wie ein vergessenes Kämmerchen des Manicomio. Das Fenster an der gegenüberliegenden Wand war herausgebrochen, als hätte jemand in der Vergangenheit einen verzweifelten Fluchtversuch unternommen.
Isabella spürte die Anspannung in der Luft, als der Diener in den Raum trat und den Ausgang versperrte. Der Blick des Mannes war finster, und seine Miene verriet, dass er nicht vorhatte, sie einfach entkommen zu lassen. Isabellas Puls beschleunigte sich, als sie nach einem Ausweg suchte.
Ihr Blick fiel auf das herausgebrochene Fenster. Eine Möglichkeit, der Enge des Raumes zu entkommen. Ohne zu zögern, bewegte sich Isabella in Richtung des Fensters. Doch bevor sie entkommen konnte, versperrte der Diener ihr den Weg. Seine Augen funkelten, während er sich zwischen ihr und der Freiheit positionierte.
"Sie können nicht entkommen", sagte der Diener mit einer unheilvollen Betonung. "Victor Valenzo duldet keine Eindringlinge."
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Manicomio ✓
Romance☆ SHORTLIST ONC 2024 ☆ «Die goldenen Einladungen von Victor Valenzo waren mehr als bloße Papierschnipsel mit Schriftzug; sie waren Kunstwerke.» Viktor Valenzo, exzentrischer Milliadär und ein Mann, dessen Charme und Reichtum jede Frau verzaubert. Al...