Rebecca's Geschichte

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Trigger Warnung: Häusliche Gewalt; Fehlgeburt; Vergewaltigung; Kindesmissbrauch

Rebecca

"Was willst du?" fragte er. Schmerz und Trauer in seiner Stimme. Ich sah ihn nur an. Mein kleiner Mikhailo. Der kleine Mikhailo, den ich vor so vielen Jahren verlassen habe. Ich sah ihn nur an. Konnte meine Stimme nicht finden. sah zu Boden. Tränen in den Augen. "Verschwinde." sagte er und knallte die Tür zu. Ich konnte es ihm nicht übel nehmen. Er hatte jedes Recht sauer zu sein. Aber die letzten Jahre waren hart. Ich klopfte nochmal. Jetzt öffnete jemand anderes. Der rothaarige. Ian war sein Name. Ich erinnere mich. "Ian?" fragte ich und sah in wütende, grüne Augen. "Wir brauchen dich nicht. Weder Mickey, noch Alex. Verschwinde und lass uns in ruhe." sagte er und sah mich an. "Ian, bitte. Ich will..." "Niemanden interessiert  was du willst. Kommst aus irgendeiner Laune heraus hier an und stellst unser leben auf den Kopf. Nein. Verschwinde." sagte er und auch er schlug mir die Tür vor der Nase zu. Es dauerte eine weile, bis ich meine Füße dazu bringen konnte sich zu bewegen. Tränen sammelten sich in meinen Augen. Ich stieg langsam die Stufen der Veranda herunter, als sich die Tür hinter mir öffnete. Mikhailo sah mich an und trat zur Seite um mich herein zu lassen. Ich ging ins Haus und setzte mich Ian gegenüber auf das helle Sofa. Mikhailo stand halb in der Küche. Er sah mich an  und drehte sich um. Er holte eine Flasche Whiskey aus dem Schrank und schenkte sich ein Glas ein. Dann kippte er es hinter. Dann trank er noch ein zweites, bevor er wieder ins Wohnzimmer kam. "Erzähl" forderte er auf. "Was willst du hier? Nach so vielen Jahren." "Vielleicht sollten wir Mandy anrufen" sagte Ian. Mikhailo nickte. Er holte sein Handy heraus und wählte eine Nummer. Kurz darauf sagte er kurz "Komm rüber. Sie ist hier" und legte auf, ohne die Augen von mir zu lassen. Er setzte sich neben Ian. Es war unangenehm. Eine unangenehme stille legte sich über den Raum. Kurz darauf hörte ich jemanden die Treppe herunter kommen. Ein Mädchen mit langen schwarzen Haaren und einer schlanken Figur kam herunter. Die Augen im Handy ging sie in die Küche, ohne aufzusehen. Sie öffnete den Kühlschrank, trank einen schluck Saft und schloss ihn wieder "Dad? Ich geh mit Becca und Franny..." begann sie, als sie mich ansah. Anstarrte. Ich sah in ihre Blauen Augen. Das musste das Baby sein... Iggy's Baby... Ich merkte, dass sie wusste, wer ich war. Sie sah zu Mikhailo. "Soll ich ihn holen?" fragte sie. Er nickte. Die Tür ging auf und eine Frau in ihren späten 30ern stand vor mir. Sie sah mich nicht an. Sie sah ihren Bruder an. "was will sie?" fragte sie ihn und ignorierte mich. Ein junger Mann kam die Treppe herunter. Groß, muskulös, schwarze Haare. Er erinnerte mich an Terry. Meinen Terry, bevor er so wurde wie er wurde. 

"Ich geh mit Amy, Becca, Franny und den anderen ins Alibi." sagte er und sah Mikhailo an. "Willst du nicht..." "Nein danke." sagte der junge Mann und ging an uns vorbei. Er zog seine Schuhe an und drehte sich nochmal um. "Wer 18 Jahre lang nur Briefe schickt, kann sich gern verpissen." lächelte er uns zu.  Dann stürmte er zur Tür raus und Mikhailo lächelte seinem Sohn stolz hinterher. Amanda setzte sich neben ihren Bruder. Wieder schwiegen wir. Ich wusste nicht wo ich anfangen sollte. "Es tut mir..." "Spar dir deine Entschuldigungen, Rebecca." sagte Amanda schnippisch. "Sag uns nur warum? Warum kommst du an seinem Geburtstag hier her? Scheint dir mehr an ihm zu liegen las an uns." sie überschlug die Beine. "Nein, so ist das nicht..." begann ich wieder. Diesmal sprach Mikhailo: "Ach, dann kommst du jetzt, wo es einfach ist? Aber als es schwer war hast du dich verpisst? Lustig. Wir hatten nie die Chance uns zu verpissen. Oder Mandy?" er sah sie an. Sie schüttelte den Kopf und antwortete "Nein. Wir hatten keine Chance davon zu laufen. Wir hatten keine Chance auf ein Leben ohne Terry Milkovich. Wir saßen in der Falle." Es war kurze zeit still. Ich verstand nicht... "Ohne Terry?" fragte ich und zog die Augenbrauen zusammen. "Ja. Du wusstest doch wie er ist. Iggy hat uns erzählt, warum du abgehauen bist." sagte Mikhailo hart. Ich atmete tief durch. "Was hat er euch erzählt?" "Er sagte du bist abgehauen, als er angefangen hat zu trinken. Er hat dich ein mal geschlagen und dann hast du dich verpisst." sagte Amanda. Ich atmete nochmal tief durch. Ich sah auf meine Hände. Die Erinnerung schmerzte. "Was wisst ihr sonst noch?" fragte ich leise. Mir dämmerte, dass er mit den Kindern nie darüber geredet hatte. "Sonst noch?" flüsterte Mikhailo. Ich nickte. "Ihr solltet wissen, dass ich mit Terry glücklich war. Er liebte mich und ich ihn. Wir kauften das Haus in dem Amanda mit ihrer Familie jetzt wohnt. Er war meine Jugendliebe. Und ich war seine. Wir gründeten eine Familie. Wir bekamen einen wunderbaren Sohn. Er war ein Toller Vater. Es war die Southside, aber er war ein guter Mann. Wir... wir waren glücklich. Dann hatte man eurem Vater Drogen untergeschmuggelt und er wurde verhaftet. Er bekam 2 Jahre. Kurz danach bekam ich unsere Tochter. Sie hatte ihn die ersten Jahre nur durch eine Plexiglasscheibe gesehen. Iggy war inzwischen 4 und Amanda 2, als euer Vater aus dem Gefängnis kam. Ich wurde wieder schwanger. Aber er war anders. Er hatte sich verändert. Er war nicht mehr der selbe. Er war nicht mehr mein Terry. Ich versuchte herauszufinden, was im Gefängnis passiert war. Ich fand über mehrere verschiedene Ex-Häftlinge heraus, dass Terry mich betrogen hatte. Im Knast. Ja. Mit einem Mann. Er hatte scheinbar nicht nur sex mit ihm. Er... hatte sich verliebt und wollte mit ihm zusammen sein. Als er kurz nach Terrys Freilassung ebenfalls entlassen wurde, war er oft hier. Er hatte mich vor meinen Augen betrogen. Ich habe Terry nie erzählt, dass ich es weiß. Er sagte, es sei ein Freund, der eine Unterkunft braucht. Er schlief auf der Couch. Jede Nacht, wenn ich so tat, als würde ich schlafen, stand Terry auf und war bei ihm. Ich hörte sie. Jede Nacht." Ich sah niemanden von ihnen an, aber ich konnte spüren, wie Mikhailo in seiner Bewegung einfror. "Eines Abends, Mikhailo war etwa ein Jahr alt, war Terrys Vater zu Besuch um die Kinder zu sehen. Er schlief im Gästezimmer. Ich weiß nicht genau was passiert ist, aber ich glaube er hatte seinen Sohn mit einem Mann erwischt. Er nahm ein Küchenmesser und hatte Terrys Affäre abgestochen. Überall war Blut. Sein Vater schrie und prügelte auf seinen Sohn ein. 'Kein Milkovich lässt sich in den Arsch ficken', sodass Iggy und ich aufwachten. Terry... er... holte eine Knarre und... er hatte seinen Vater getötet. Iggy war inzwischen 6 und hatte alles mit angesehen. Er muss traumatisiert gewesen sein." Mir liefen Tränen über die Wangen. Die schuld holte mich ein. 

"Du willst mir sagen, dass mein Vater, Terry fucking Milkovich schwul war?" Mikhailo's stimme wurde dünn. Er stand auf und ging in die Küche. Er holte den Whiskey und das Glas. Er schenkte sich ein und trank. Ian legte eine Hand auf seine Schulter. Dann begann Mikhailo hysterisch zu lachen. Ian sah ihn besorgt an. Als er aufhörte zu lachen begann er leise zu weinen. Leise Tränen verließen seine Augen und tropften auf seine Hose. Ian strich ihm über den Rücken. "was war dann?" Fragte Amamda kalt.

"Als wir die Leiche weg geschafft hatten, wurde es schlimm. Terry begann zu Trinken. Er begann, sich Frauen zu holen. Er schlief mit vielen, während ich seine Kinder groß zog. Immer wenn ich es wagte, mit ihm zu sprechen, schlug er mich. Er schrie 'Deine beschissenen Kinder sind schuld, dass er hier war und ihn umgebracht hat'. Er prügelte mich jedes mal fast zu Tode." Ich schluckte. Alle schwiegen. "Als er das nächste mal in den Knast ging, ergriff ich die Chance zu verschwinden. Ich packte euch drei und wollte zu meiner Mutter, aber er hatte seinen Bruder auf mich angesetzt. Er brach in mein Elternhaus ein und nahm euch mir weg. Er sagte, wenn ich je versuche euch zu kontaktieren oder euch zu holen, würden sie mich und euch umbringen." Mir stiegen ebenfalls die Tränen in die Augen. Ich versuchte stark zu sein. "Ich wollte euch nicht zurück lassen. Ich konnte nicht anders. In den ersten Wochen haben sie mein Haus bewacht und mich verfolgt. Ich... Ich war damals erst 16 als ich Iggy bekam. Ich war selbst noch ein Kind. Ich war verängstigt. Es tut mir leid. Wirklich." Alle schwiegen. Es war totenstill. 

"Wie ging es weiter?" fragte Ian. Ich wusste welche Geschichte er hören wollte.

"Ich habe euch beobachtet. Über die letzten hinweg. Seit ich euch verlassen habe, habe ich euch beobachtet. Amamdas Einschulung, Mikhailos erstes Baseballspiel. Ignatius' erste Freundin, und auch dein coming out, Mikhailo. Ich habe alles mitbekommen. Als Terry dann starb, war es, als hätte man mir einen Stein vom herzen genommen. Als könnte ich wieder Atmen. Ich hatte vor, euch zu besuchen. Ich wollte wirklich, doch... da war Terrys Bruder. Er war mir immer noch auf der spur. Ich war auf dem weg zu euch, etwa drei Tage nach der Beerdigung. Er lauerte mir auf. Machte mir wieder angst, dass er mich umbringen würde. Er hatte mich über die Jahre nicht vergessen. Er... er zog mich mit sich... Er sperrte mich in sein Haus... Nahm mich, wann immer er wollte. Schlug mich, quälte mich, schlimmer als Terry es jemals hätte tun können." Ich atmete tief ein. "Ich wurde schwanger. Das erste Kind überlebte die Schwangerschaft. Ich lief davon und brachte es ins Krankenhaus. Alexandr. Er fand mich wieder. Die meisten der Kinder überlebten die Schwangerschaft nicht, die die ich geboren hatte, starben danach an Unterernährung oder massiver Gewalteinwirkung." Ich atmete tief ein und sah auf. Alle drei starrten mich an "Ich... Ich habe ihn umgebracht." ich machte eine Pause. "ich habe ihn umgebracht und musste für mehrere Jahre ins Gefängnis, obwohl es eine Art Notwehr war. Der Richter war ein Arsch und ich hatte nur einen Pflichtverteidiger. Als ich vor ungefähr 5 Jahren entlassen wurde, war ich ein Wrack. Ich war körperlich und Seelisch am Ende. Ich... Ich war vom jahrelangen psychischen Terror durch Terry und seinen Bruder kaputt. Ich... Ich wollte euch so nicht gegenüber treten. Ich habe mich einweisen lassen. Jetzt... Jetzt geht es mir besser." 

Mickey stand auf und kam um den kleinen Tisch herum. Er setzte sich neben mich und nahm mich in den Arm. Mandy tat es ebenfalls. "Es... es tut mir leid." sagte ich und schluchzte. Mandy und Mickey weinten ebenfalls. 

Love is a Battlefield... [Gallavich]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt