Kapitel 10

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H E L I O 

Wie hatte das passieren können? Ich hatte auf der Tanzfläche direkt neben ihr gestanden und nicht rechtzeitig gemerkt, dass dieser Kerl ihr schaden wollte. Die dunkle Energie hatte ich gespürt, aber nicht wie sie sich manifestieren würde. Und wenn es jemand hätte merken müssen, dann ich. 

Tief durchatmend konzentrierte ich mich auf das Licht in meiner Bauchgegend. Für meine Schuldgefühle hatte ich später noch Zeit. Fürs Erste mussten wir Daphne sicher nach Hause bringen. 

Auf meine Anweisung hin schloss sie in meinen Armen für wenige Sekunden die Augen. Dabei lehnte sie ihren Kopf an meine Schulter. Die Wärme, die von ihr ausging, ummantelte mich. Ihre Finger in meinem Nacken zu spüren, ließ mich träumen. Davon, dass ich ihr auf ewig nah sein wollte.
Devil sprach im Gehen jemanden an, der eine Zigarette rauchte und bat ihn um Feuer, weshalb ich stoppte und einen Moment auf ihn wartete. 

Plötzlich begann Daphne sich in meinen Armen seltsam zu winden. Sie presste die Schenkel zusammen und ich spürte, wie sich ihre Gesäßmuskulatur anspannte. Was war mit ihr los?
Jetzt öffnete sie die Augen und sah mich unter schweren Lidern an. Irgendetwas war anders.

Als wir weitergingen und sie zwischendurch zu wimmern begann, machte ich mir Sorgen.
Devil sah zu uns herüber. Sein Blick fiel auf ihre Hüften. »Es wirkt.«
»Sollte sie nicht bewusstlos sein?« Ich hielt sie ein wenig von mir weg, um sie besser betrachten zu können. Sie hob den Kopf an, weil der Abstand zu meiner Schulter jetzt zu weit war.

»Sie hat nicht die volle Dosis intus.« Devils teuflischem Blick folgte ein schnaubendes Lächeln. Ihn schien irgendetwas zu amüsieren. »Sie wird dir vielleicht gleich um den Hals fallen. Gib sie lieber mir. Ich weiß, wie man mit Frauen umgeht, die gierig werden.« 
Daphne schien vollkommen neben sich. Wie in Trance sah sie zu mir auf. 

Ich blieb erneut stehen und stellte sie vorsichtig auf die Beine, um mir ein Bild über ihre Verfassung zu machen. Devil blies den Rauch aus, bevor er, genau wie ich, ihr Gesicht untersuchte. Direkt vor ihr schnippte er zweimal, begutachtete sie skeptisch, um ihr schließlich drei Finger vor die Nase zu halten. »Lolita? Wie viele Finger siehst du?«

Sie zog die Augenbrauen zusammen und fächerte mit der Hand schwach vor ihrer Nase herum. »Ich sehe nur zwei Freaks. Lass das! Was macht ihr mit mir?«, lallte sie vor sich hin und schüttelte kaum merklich den Kopf. »Ihr denkt, ... nur weil ihr heiß seid, ... dürft ihr alles tun, was ihr wollt.« Sie presste erneut die Schenkel zusammen. »Aber ich bin vollkommen immun.«
»Immun?«, hakte ich nach, zwischen ihren Augen hin und her sehend.

»Immun gegen eure Heißheit«, bekräftigte sie. Heißheit? Ich zog die Augenbrauen in die Höhe. Jetzt erfand sie schon Wörter. Sie nickte und führte ihre benebelten Gedanken weiter aus. »Ja, eure durchtrainierten Körper ... und dieses ganze ... ihr wisst schon ... eure heißen Ärsche und das alles.« Devil lachte laut auf. Auch ich musste grinsen.

»Du findest unsere Ärsche heiß?«, fragte Devil und zwirbelte jetzt eine ihrer gelockten Haarsträhnen zwischen seinen Fingern.
»Nein, das tu ich nicht! Genau das meine ich ja.« Sie versuchte die Arme zu verschränken, aber hatte offenbar vergessen, wie das funktionierte. Sich ratlos auf die Hände und Arme schauend, entschied sie sich nun doch dagegen. Devils und mein Blick trafen sich. Sie verhielt sich wirklich albern, aber sie tat mir auch Leid. 

»Na komm«, sagte ich und wollte sie wieder auf meine Arme nehmen, aber sie ging auf Abstand.
»Keiner von euch fasst mich an!«, stellte sie plötzlich lallend klar. War sie jetzt wütend? Nach vorne stolpernd ging sie an uns vorbei. Devil eilte ihr nach, packte sie am Nacken und drehte sie um. »Wenn du schon selbst gehen willst, dann zumindest in die richtige Richtung.«

Als wäre nichts gewesen stolperte sie nun wieder an mir vorbei Richtung Bahnstation.
»Sie ist launisch. Wird das noch schlimmer?«, fragte ich ihn.
»Ich hab keine Ahnung. Solange die Wirkung anhält ist sie voller Überraschungen.« Sein diabolisches Grinsen wuchs, als ich nach vorn joggte, um sie wie ein Kind davon abzuhalten über die rote Ampel zu gehen. Trotz der späten Stunde fuhren immer noch ein paar Autos über die Kreuzung.

An der Haltestelle angekommen, hatten wir Glück. Die Bahn fuhr ein und wir konnten sofort einsteigen. Einen Viererplatz ansteuernd setzten wir uns. Da Daphne Abstand hielt, schaffte sie es nicht, rechtzeitig Platz zu nehmen. Der Wagon setzte sich in Bewegung und sie taumelte zurück. Ich stand wieder auf und schnappte mir ihren Arm, bevor sie hinfiel und sich noch den Kopf stieß.

»Mein Held«, schwärmte sie jetzt. Ich platzierte sie neben mich in Fahrtrichtung, damit ihr nicht übel wurde. Ihre Augen schwebten immer wieder zu und auf, wobei ihr Atem an Lautstärke gewann. »Mir ist heiß.« Sich die Jacke zupfend wand sie sich auf dem Sitz hin und her. Ich zog den Reißverschluss auf und half ihr sie auszuziehen. Wir bekamen wieder dieses verführerische Outfit zu sehen, mit dem sie uns und vielen anderen heute Abend den Kopf verdreht hatte. Mein Blick haftete an ihrem Hals und wanderte ihr Dekolleté hinab. 

Ihr Wimmern ging in ein Murmeln über. »Immer noch zu heiß.«
Sie begann sich die Hose aufzuknöpfen. Meine Hand schnellte vor, um sie aufzuhalten. Sie lag nun nah an ihrem Schritt. Mit aufgerissenen Augen hielt ich sie davon ab, sich auszuziehen. 
»Halte noch durch. Wir sind gleich zu Hause.«
Devils Lachen hallte durch den Wagon. »Lass sie doch! So leicht wie jetzt werden wir es nicht mehr haben. Morgen kann sie sich wahrscheinlich sowieso an nichts mehr erinnern.«

Unsere Station wurde genannt. Ich richtete mich auf und zog sie auf die Beine.
»Wir sind da«, sagte ich und hoffte, dass sie mich verstand.
Devil drückte mir ihre Daunenjacke in die Hand. »Lass nur, den Rest des Weges übernehme ich
Kaum waren wir durch die Tür, rannte Daphne auf einmal los. 

»Was?« Mein Hirn brauchte einen Moment, um zu realisieren, was passierte. Genau wie Devil, der erst jetzt begriff, was abging. Er spurtete ihr hinterher.
»Wo hat sie auf einmal die Energie her?«, rief ich, als ich losjoggte und ihnen schließlich hinterherrannte. Daphne eilte ums Eck in eine Gasse. Offenbar hatte sie jetzt völlig den Verstand verloren. 

»Hätte er dir lieber Ketamin gegeben!«, ruft Devil im Laufen. 
Bis ich sie und Devil wieder zu Gesicht bekam, hatte sie sich die Pumps und die schwarze Hose ausgezogen. Nur noch in diesen halbtransparenten Body gehüllt, wollte sie gerade wieder losrennen, da legte Devil den Arm um ihre Taille und packte sie sich über die Schulter. »Hier geblieben!«

Sie trommelte auf seinen Rücken. »Liam, lass mich los!«
Devil blieb stehen. Wir tauschten Blicke aus. »Wer ist Liam?«
Ich schnaufte. »Ihr Ex.« 
Daraufhin lief er weiter und verpasste ihr einen ordentlichen Klaps auf den Hintern. »Dieser Liam war wohl zum Davonlaufen.« Ich schnappte mir ihre Sachen vom Boden und folgte ihnen.

Das Treppenhaus hoch fielen die Nachbarn aufgrund ihres Geschreis wahrscheinlich waagerecht aus dem Bett. Sie quietschte, zappelte und beschwerte sich in Dauerschleife. Erst als ich ihre Zimmertür öffnete, damit Devil sie ins Bett legen konnte, wurde sie ruhiger. Er ließ sie auf die Matratze sinken. 

Jetzt schien sie wieder erschöpft zu sein. »Ich will es doch auch. Aber ich hab Angst«, murmelte sie vor sich hin. Mit der Hand fuhr sie sich zwischen die Beine.
Devil drehte sich zu mir um und grinste. »Sie ist ziemlich willig. Das turnt mich an.« 
»Lass die Finger von ihr.« Ich sah ihn eindringlich an. »Sonst bist du nicht besser, wie dein blutender Freund im Club.«  

»Ich mein ja nur.« Er zog sich entschuldigend zurück. »Hey Lolita!«, sprach er sie mit Abstand an, bereits zur Tür gerichtet, an der ich auf ihn wartete. Sich rekelnd und leise stöhnend, schenkte sie ihm keine Beachtung. »Ich bin übrigens der leibhaftige Satan und er«, Devil zeigte mit dem Finger auf mich und beobachtete ihre Reaktion. »Er ist minderbemittelt und braucht dringend Hilfe.«

Ich schnaubte und atmete tief durch. »Lass sie sich jetzt erholen.«
Als ich ihre Zimmertür hinter uns schloss, verharrten wir an ihren Türrahmen gelehnt. 
Während wir schwiegen und mir der Abend nochmal durch den Kopf ging, musterte er mich. »Du solltest sie zulassen.« Verwirrt erwiderte ich seinen Blick. »Deine dunklen Seiten.«

»Damit ich so werde wie du?«, fragte ich und gab mir Mühe meine Ablehnung für ihn nicht zu sehr durchsickern zu lassen. Aber es gelang mir kaum. Ich wollte dankbar für dieses kurze Leben sein, aber ich war wütend. »Ich verliere mein Licht und meine Schwingung. Und meine Fähigkeiten Daphne zu beschützen, sind kaum noch spürbar«, gestand ich und war mir sicher, es war ein Fehler, ihm das zu verraten.

»Du bist kein Engel mehr. Du bist ein Mensch. Genau, wie ich es momentan bin. Das solltest du dir bewusst machen. Du bist mehr wie ich, als du zugeben willst.« 
»Ich bin ganz sicher nicht wie du
»Ach nein?« Seine Lippen zuckten. 

Ich schluckte. »Ich hätte verhindern müssen, was passiert ist. Aber ich werde niemals wie du sein.« Die Enttäuschung wog schwer. Aber ich wusste, dass die Seele niemals litt. Nur das Ego empfand Schmerz. Ich wusste es, aber ich fühlte es nicht. Warum nicht?

Celesdeal - Ein himmlischer Pakt (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt