Kapitel 17 - Luis

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"Der Gedanke muss wichtiger sein", wiederholte Meira zum gefühlt tausendsten Mal. "Emotionaler. Versuch es noch mal."

Luis seufzte. So ging das schon seit Stunden. Mindestens seit drei, vermutlich aber eher fünf. Sie hatte ihn einfach nach der letzten Stunde abgefangen und ihn in die Bibliothek geschleift. Da - Zitat - da sowieso nie jemand hingeht. Doch beim besten Willen, er konnte nicht mehr. Sein Kopf dröhnte und seine Glieder schmerzten. Er hatte schon zuvor den halben Unterricht verschlafen.

Ehrlich - er konnte froh sein, das die erste Woche nur Mrs. Povleí und ihr Einführungskurs auf dem Programm stand. Zumindest hatte er sich so nicht allzu viel merken müssen. Die Basics hatte er ohnehin schon von klein auf mitbekommen. Kaia hatte nie etwas gegen seine Anwesenheit gehabt.

"Fokus, Luis", ermahnte Meira ihn. Ebenfalls erneut. "Behalte den Satz im Kopf, fühle ihn in deinen Fingern. Du musst daran glauben, sonst können selbst die Götter dir nicht weiterhelfen."

Luis rieb sich mit den Fingern über die Augen. Magie war scheiße. Wie hatte Kaia das je durchgestanden? Wie stand überhaupt irgendwer das durch? 

I'm tired. I'm tired. I'm tired. I'm tired. Immer wieder wiederholte er diese Worte in Gedanken, bis die Silben miteinander verschwammen.

Die Minuten vergingen und obwohl er die Schleife nicht unterbrach, regte sich nichts an der magischen Front. Seine Hände blieben leer. Der Tisch auch. Langsam schien es so, als würde der liebe Monroe rechtbehalten. Tausend Jahre könnten vergehen und dennoch würde er keinen Zauber bewerkstelligen. 

Es war frustrierend. Umso stärker er versuchte, die Magie aus seinem Körper zu zerren, umso rascher schien sie ihm zu entgleiten.

"Das klappt doch nie", sagte er schließlich und ließ seinen Kopf auf den Tisch fallen.

"Von wegen", entgegnete Meira. "Das ist einer der leichtesten Zauber, den es gibt."

Luis lachte. "Für dich vielleicht." Beim ihm regte sich überhaupt nichts. Null. Nada. Niente. Wahrlich eine super Streicheleinheit für sein Ego.

Meira schüttelte den Kopf. "Nein, ehrlich. So klischeehaft es auch klingen mag, die Magie in dir ist nun mit deiner Seele verbunden. Sie möchte deinen Gedanken, Wünschen, Träumen, alldem, was dich zu dir macht, Ausdruck verleihen. Genau darum ist Desire ja auch so eine mächtige Halbgöttin." Sie legte ihre Hand auf seine Schulter. "Erfasse den Gedanken und lass die Magie den Rest erledigen."

Luis Blick fiel herab auf seine Hände. Es waren nicht die Hände eines Magiers. Es waren klobige Dinger, rau, mit Handflächen voller Hornhaut. Er dachte an James Hände. Wie sie ihnen immer beschrieben wurden. Von zwei bis vierzig Fingern, lang und groß, fähig jedes Handwerk in Minuten zu erlernen. Mal grün, mal blau, dann wieder rosa. Das waren die Hände eines Magiers.

"Kommt er dir eigentlich auch so komisch vor?", fragte er Meira. 

'Bringt er dich auch so sehr aus dem Konzept?', dachte er sich.

James war das schlechteste vom Schlechten. Soweit Luis gesehen hatte, soweit er gehört hatte, war James unlogisch, impulsiv und frech. Er keifte seine Mutter an und kommandierte andere nach Lust und Laune herum. Er war kein guter Mensch, gewiss ein guter Magier, aber kein guter Mensch. Kurz gesagt, er war seelenlos oder zumindest verdammt nah daran.

Dennoch: Luis hatte diese Nacht viel Zeit zum Nachdenken gehabt - danke dafür Jimmy Boy - ja, okay, nein, das kling dämlich. Auf jeden Fall hatte viel zu viele Stunden damit verbracht, an die Decke zu starren und dabei realisiert, dass er ihre Gespräche schon irgendwie mochte. Die wenigen, die sie hatten, konnte er gut leiden. Verdammt, er war sich ziemlich sicher, dass Monroe es war, der ihm das Teilstück der Kette der Halbgöttin gegeben hat.

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