25. Touché

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Für mich waren die letzten drei Wochen sowohl die schönsten als auch die grausamsten dieses Jahres.

Lilly hatte eine wirklich gute Zeit. Sie hat sich mit Anthony auch außerhalb der Schule getroffen und einen Freund in ihm gefunden.

Nebenbei traf sie sich fast jede Woche mit Chris, um die Minetta-Thematik weiter zu behandeln. Über Chemie und Minetta wurde bei diesen Treffen jedoch wenig gesprochen. Viel mehr ging es um Ness und Alison, wobei er sich Lilly öffnete und sowas wie eine Freundschaft entstand.

Alison haben die letzten drei Wochen mehr mitgenommen als Lilly. Jedes Mal, wenn Chris über sie sprach, brach es ihr das Herz. Die Taten seiner Eltern und von Ness brachten ihr Inneres, zu brodeln und am liebsten hätte sie ihn fest in den Arm genommen.

Mehr als ein paar flüchtige Telefonate spät in der Nacht, wenn Chris betrunken war und nicht an die Konsequenzen dachte, gab es nicht.

Und ich?

Ich bin irgendwo dazwischen. Bin sowohl Lilly, die glücklich ist, Chris als Freund gewonnen zu haben, als auch Alison, die sich fragt, wann er zu ihr zurückkommt.

Langsam fühlt es sich an, als weiß ich nicht mehr, wer ich bin. Lilly und Alison vermischen immer mehr und mir fällt es schwer, die schüchterne Lilly von früher zu sein.

Rosie meint, dass ich mich einfach verändert habe und jetzt selbstbewusster bin, doch fühle ich mich die meiste Zeit, als hätte ich mich selbst verloren.

Doch eine Ausnahme gibt es: wenn ich Chris sehe.

Wie zuvor fühle ich mich in seiner Anwesenheit wohl und kann ich selbst sein. Auch wenn ich im Moment nicht weiß, wer dieses Ich ist.

Vielleicht unterschätze ich die Gefahr, dass er eins und eins zusammenzählt, doch Lilly ist das egal. Es ist fast so, als würden meine beiden Seiten in Konkurrenz zueinander stehen.

Was jedoch beide schmerzt, ist wenn wir Chris und Ness zusammen in der Schule sehen müssen. Egal ob am Gang, bei meinem Spind oder bei Football Spielen, Ness weicht Chris nicht von der Seite.

Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich denken, dass sie glücklich sind. Die liebevollen Berührungen, das Lachen, die Küsse zum Abschied... Alles was sie tun wirkt so vertraut, aber in den Momenten, wo niemand hinsieht, erkenne ich die Trauer und die Wut in seinem Blick.

Ness lässt ihn so gut wie nie aus den Augen. Treffen darf er sich mit mir nur, weil ich ihm ja Nachhilfe gebe. Dass wir mittlerweile kaum noch lernen, weiß sie nicht. Vielleicht ist das der Grund, warum wir uns mittlerweile auch unter der Woche treffen und nicht wie früher an jedem zweiten Sonntag.

Heute ist wieder einer dieser Tage.

»Also«, beginnt Chris und reißt mich aus meinen Gedanken, »dann meinte sie, ich soll einfach nach Hause gehen, wobei erst 23:00 Uhr war.«

»Hmm«, antworte ich abwesend und drehe mich in Chris' Schreibtischstuhl im Kreis. Wir überlegen eigentlich, wie es für Minetta möglich ist, die Tests zu manipulieren, doch wie so oft wurden wir abgelenkt. Chris erzählt mir gerade vom letzten Wochenende, als Ness ihn von einer Party nach Hause geschickt hat.

»Ich kann nur hoffen, dass sie jemanden kennengelernt hat und mich deswegen nicht dort haben wollte«, schlussfolgert Chris.

»Wie geht's dir eigentlich wegen Alison?«, frage ich vorsichtig nach.

Chris scheint erleichtert über den Themenwechsel. Immerhin hat er nicht viele Menschen, mit denen er über seine Situation reden kann. »Ganz gut«, sagt er gefasst und viel weniger emotional als in den letzten Wochen. »Ich vermisse sie, aber mittlerweile hab ich mich daran gewöhnt, sie nicht zu sehen.«

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