Kane Morgan ⌠ Distrikt Zwei ⌡
Es war wieder erschreckend still im Verabschiedungsraum geworden, nachdem Kanes Eltern die Tür hinter sich geschlossen hatten, auch wenn dieser noch nicht so recht sagen konnte, ob er das Schweigen genoss oder nicht. Es war ein schickes Zimmer, fand er, große Fenster, helle, mit Dutzenden von Landschaftsaquarellen bestückte Wände, und eine mit tiefrotem Samt gepolsterte Couch, bei der man gar nicht anders konnte, als sich quer darüber zu fläzen und beide Beine über die Armlehne zu schwingen. Es war schließlich nicht so, als könnte ihn irgendjemand davon abhalten. Die beiden Friedenswächter, die man hinter ihm in einer Ecke des Raumes postiert hatte, schienen sich jedenfalls nicht daran zu stören.
Kane hielt das kleine Stück Metall gegen das Licht und drehte es prüfend zwischen seinen Fingern, während sein Kopf auf der gegenüberliegenden Armlehne ruhte. Die reichlich zerkratzte Oberfläche reflektierte den Schein nur dürftig, und hob all die Unebenheiten darauf im Gegenteil nur noch stärker hervor ... das Ding war wirklich nicht gerade ein Meisterwerk der Schmiedekunst. Eigentlich war es ja auch bloß ein kleiner Teil von dem, was er ursprünglich damit hatte schaffen wollen, aber allzu viel konnte man von einem elfjährigen Jungen, der zum ersten Mal in der Schmiede seines Vaters den großen Hammer schwingen durfte, auch nicht erwarten. Es waren die Erinnerungen, die das kleine Stück Schrott am Ende zu etwas Besonderem machten – und das hatte auch sein Vater gewusst, ansonsten hätte er es ihm vorhin nicht mit auf den Weg gegeben.
Kane verbarg das Metallstück in seiner Faust, genoss für einen Augenblick das Gefühl der ungeschliffenen Kanten, die sich in seine Haut gruben, und seufzte.
Es hatte ein regelrechter Sturm aus Emotionen in den Augen Castor Morgans getobt, tausende davon, die Kane kaum richtig hatte erfassen können.
»Ich bin so verdammt stolz auf dich, weißt du das?«, hatte er gesagt und Kane war sich fast sicher, dass er eine Träne im Augenwinkel seines Vaters hatte aufblitzen sehen. »Unfassbar. Mein Sohn ist jetzt ein Mann ...«
Aber irgendetwas an seinen Worten hatte ihm auch das Gefühl gegeben, dass er es nicht so gemein hatte. Da waren Zweifel gewesen, ganz sicher. Auch wenn er nach Kräften versucht hatte, sich diese nicht anmerken zu lassen.
Dabei gab es dazu verdammt noch mal keinen Grund! Kane hatte genau gewusst, was er tat, seit seiner Kindheit trainierte er hierfür, und ihm musste doch auch klar sein, dass er das Zeug dazu hatte, diese Spiele zu gewinnen, oder?
Es war ganz allein seine Entscheidung gewesen, sich heute zu melden – und nicht die seiner Mutter.
Ihre Blicke brannten noch immer in seiner Brust, scharf und unnachgiebig wie Speerspitzen, graugrüne Augen, die sein ganzes Leben lang nur auf ihn herabgesehen hatten, selbst jetzt noch, wo er sie theoretisch um einen halben Kopf überragte ... jedes Mal, wenn Major Eliana Morgan den Raum betrat, fühlte Kane sich mit einem Mal wieder wie ein kleiner Junge, dümmlich und unbeholfen, ganz egal, wie tadellos seine Noten, seine Aufnahmeprüfungsergebnisse für die Friedenswächterakademie, oder die Empfehlungen seines Trainers auch sein mochten.
Er war niemals gut genug für sie gewesen.
Aber heute ... heute war das anders.
Es hatte echter Stolz in ihren Augen gelegen. Ein leichtes Zucken ihrer Mundwinkel, ein anerkennendes Nicken, und sogar ein aufbauendes Schulterklopfen.
»Gut gemacht, Kane. Ich wusste doch, dass du es dieses Jahr schaffen würdest.«
Als ob er das nicht bereits die letzten drei Male versucht hätte ...
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me & the devil ✶ Die 59. Hungerspiele ⌠mmff⌡
PertualanganWir schreiben das Jahr der 59. Hungerspiele. Der Tag der Ernte hängt wie ein Damoklesschwert über den Köpfen der Familien, die in den zwölf Distrikten Panems tagtäglich um ihre Existenz fürchten. Denn wie jedes Jahr müssen auch diesmal vierundzwanzi...