1. College

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2 Monate zuvor

Heute war mein 1. Tag am College. Ich stand gerade im Bad um mich fertig zu machen als ich auch schon meine Oma von unten hoch rufen hörte, dass ich mich beeilen sollte. Ich lachte nur für einen Moment auf und nahm auch schon meinen Rucksack um nach unten zu gehen.
„Oma wir sind noch gut in der Zeit", schmunzelte ich und sah sie ein wenig belustigt an. Eigentlich wollte ich mit den Öffentlichen fahren, aber meine Oma bestand darauf, dass sie und mein Opa mich fuhren. Meine Eltern waren ums Leben gekommen, als ich vier war. Erinnerungen waren kaum vorhanden. Sie sprachen auch kaum darüber, aus Angst mich zu verletzen. Alles was ich wusste war, dass es ein Arbeitsunfall gewesen sei. Ich wusste nicht wie, nicht warum oder sonst etwas. Als auch mein Opa kam, zog auch er sich seine Schuhe an und nahm die Autoschlüssel.
„Bist du schon aufgeregt?", fragte meine Oma, als wir eingestiegen waren.
„Ein wenig", gab ich zu. „Alles ist neu. Man fängt, in gewissermaßen, von vorne an."
„Du schaffst das schon. Du hast bisher alles geschafft", ermutigte sie mich, was mich zum Lächeln brachte. Sobald wir auf die Hauptstraße abgebogen waren, sah ich aus dem Fenster. Seit Monaten war es ruhiger geworden in New York. Dafür stieg die Kriminalität wieder immens in die Höhe. Dennoch war der neue ruhige Alltag ungewohnt gut. Ich lehnte meinen Kopf in die Nackenstütze und schloss meine Augen. NYC war nun für die nächsten Jahre mein zu Hause. Zusätzlich zum College, ging ich arbeiten, damit meine Großeltern nicht alles zahlen mussten. Mein Opa schlängelte sich durch den New Yorker Verkehr, der nie reibungslos von statten ging.
Nach circa einer Stunde Fahrtzeit kam der Wagen vor dem Eingang zum stehen.
„Viel Glück und viel Spaß", wünschte mir meine Oma.
„Werde ich sicherlich haben. Hab euch lieb", erwiderte ich und stieg aus, sobald ich abgeschnallt war. Ich sah noch zu wie sie zurück nach Hause fuhren, bevor ich den Weg in das riesige Gebäude auf mich nahm. Schüler strömten von allen Richtungen hinein und doch gab es kaum Gedränge.
Die erste Amtshandlung war erstmal den Theater Saal zu finden, wo der Direktor eine kleine Willkommensrede halten würde. Anschließend würde es in die Klassenzimmer gehen, wo wir unsere Lehrer kennenlernen sollten und sogar schon mit dem Unterricht begonnen wurde.
Ich suchte mir einen Platz in der dritten Reihe neben dem Fenster aus. Die 1. Reihe überließ ich den Strebern und die letzte den nicht interessieren Schülern, um es mal sehr höflich zu formulieren. Gerade als ich mich setzte, beobachtete ich meine neuen Klassenkameraden und stellte fest, dass es eine ausgewogene Mischung aus Jungs und Mädels war. Viele fanden zügig ihre Plätze, aber natürlich gab es auch hier Chaoten, die Ansprüche auf gewisse Plätze erhoben. Ich konnte nicht anders als meinen Kopf zu schütteln und zu seufzen.
„Guten Morgen zusammen", sprach Frau García, welche sich als unsere Klassenlehrerin herausstellte. „Zuerst möchte ich, dass Sie sich vorstellen. Wie heißen Sie, woher kommen Sie, was sind Ihre Ziele. Anschließend teile ich Ihnen ihren Stundenplan mit und bespreche mit Ihnen, was Sie dieses Schuljahr erwarten werden."
Begonnen wurde mit der vordersten Reihe und schlängelte sich reihum bis nach hinten. Dabei war es äußert interessant, wie die neuen Mitschüler so tickten. Edith kam direkt aus der New Yorker Upper class. Ihre Eltern waren erfolgreiche Unternehmer und man konnte auf den 1. Blick sehen, dass Daddy ihr das College zahlt. Mary kam aus Queens und wohnte direkt 2 Blocks weiter als ich. Sie kam aus einer normalen Arbeiterfamilie, so wie der Rest von uns. Ihre Freizeit verbrachte sie gerne mit Tanz und ehrenamtlichen Aktivitäten. So ging es weiter. Während der Vorstellungsrunde, skizzierte ich unseren Klassenraum und positionierte die jeweiligen Personen zu ihren jeweiligen Plätzen. Eine kleine Starthilfe, da ich im Namen merken eine vollkommene Niete war.
„Sie haben alle sehr interessante Aktivitäten. Machen wir mit der dritten Reihe weiter", trällerte Frau García. Dabei geriet ich so sehr in Gedanken, dass ich gar nicht mitbekam, dass ich an der Reihe war.
„Würden Sie sich bitte vorstellen, junge Dame?", drang der scharfe Ton meiner Klassenlehrerin an die Ohren und schreckte auf.
„Wie bitte? Oh. Ja. Entschuldigung. Mein Name ist Stephanie Burke. Bin 22 Jahre und komme aus Queens. Freizeitlich bin ich gerne mit malen sowie Foto- und Videobearbeitung beschäftigt."
„Was haben Sie denn schon bearbeitet? Das klingt äußert interessant." Die Neugierde meine Lehrerin war definitiv geweckt.
„Nichts besonderes. Von Logos bis hin zu Trailern ist es ein breit gefächertes Gebiet."
„Was war Ihre aufwendigste Tätigkeit?"
„Aufwendig sind alle Projekte auf einer gewissen Art und Weise, aber was sehr zeitintensiv war, war der Clip für das Naturkundemuseum."
„Nicht schlecht. Wenn Sie möchten, können Sie gerne für unsere Schulprojekte zuständig sein", teilte sie mir unverblümt mit, was mich in eine ziemliche Verlegenheit brachte.
„Okay", war alles, was ich ein wenig piepsig herausbrachte und war froh, als die Inquisition endlich vorüber war. Gott war das eben unangenehm und zog mich bildlich gesehen wieder in mein Schildkrötenhäuschen zurück.
Sobald das wir-lernen-uns-kennen-Spielchen beendet war, schrieb Frau García unseren Stundenplan an die Tafel. Zu unseren Pflichtfächern gehörte neben Mathe, Englisch und Geschichte auch Physik, Chemie und Bio. Kunst und Sport erschienen hier eher wie nice to have Fächer, da diese Fächer viel zu kurz kamen. An freizeitlichen Aktivitäten nach der Schule konnten wir noch diversen Clubs beitreten und weitere Fächer belegen. Unter anderem Fremdsprachen und anderen Aktivitäten. Ich liebäugelte mit Spanisch, war aber noch unentschlossen.
„Zu guter letzt möchte ich noch mit Ihnen besprechen, was dieses Jahr auf Sie alle zukommen wird", begann sie und vollendete ihren Redeschwall. So zog es sich bis zur Mittagspause hin. Lehrer kamen, man stellte sich vor und bekam zu hören welche Themen dieses Jahr behandelt werden. Sobald der Klang zum Luft holen ertönte, packte ich meine Sachen zusammen, schmiss mir den Rucksack über die Schulter und bahnte mir meinen Weg nach draußen, da ich mich ungern in der Cafeteria aufhalten wollte. Unter einem Baum, fand ich meinen Platz und machte es mir gemütlich. Ich packte meinen Laptop aus, drückte auf die Power Taste und aß mein Sandwich mit Schinken, Käse, Ei, Gurke und Tomate. Mit schnellen Klicks, öffnete ich mein neues Projekt und klinkte mich sozusagen aus der Realität aus. Schneiden, Musik, Übergänge gehörte zu den täglichen to dos. Aktuell sollte ich für ein Social Media Netzwerk einen Clip erstellen, wobei ich komplett frei war. Einzig ein paar Vorgängen und eine Deadline musste ich beachten.
Das Ganze fand seinen Anfang, als ich damals noch Hobbymäßig auf der selbigen Social Media Plattform, wo ich nun diesen Clip erstellen sollte, damit begann Firmenlogos zu modernisieren und zu animieren. Ein dazugehöriger Post mit der entsprechenden Markierung der Firmen, gönnten mir das Glück und sprachen mich diesbezüglich an. Okay sie schrieben mich an.
Ich war so in meine Arbeit vertieft, dass ich nur wage mitbekam, dass es wieder läutete und die Pause beendet war. Ich klappte den Laptop wieder zu und huschte zur nächsten Stunde. Im Chemie Raum würden wir nun die nächsten Stunden verbringen und für erste stand Partnerarbeit auf dem Plan. Als letzte betrat ich den Klassenraum und der einzig freie Platz war noch neben meinem Sitznachbar Peter.
„Hi", grüßte ich ihn freundlich und lies mich neben ihm auf den Stuhl sinken.
„Hi", antwortete er mit seiner etwas rauchigen Stimme und blickte kurz zu mir.
„Alle elektronischen Gegenstände in die Tasche und Aufmerksamkeit zu mir." Der witzige Unterton entging mir nicht und um ehrlich zu sein, einen nicht ganz so strengen Lehrer hieß ich mehr als willkommen. „Ich bin kein Freund davon, von unnötigen Zeitvertreib also lassen wir uns gleich mit dem Unterricht beginnen." Okay, den lockeren Lehrer nehm ich mit sofortiger Wirkung zurück, dachte ich mir und schenkte ihm meine volle Aufmerksamkeit.
Im Schnelldurchlauf zeigte er uns die Themen auf und ging sofort zur Gruppenarbeit über. Jedes Team wurde ein bestimmtes Themas zugeordnet, was eruiert werden sollte. Parker und ich dürften uns mit der Zusammensetzung von Kalkstickstoff auseinander setzen.
Gemeinsam schrieben wir unsere Notizen nieder und saßen vor unserem Braustand.
Dabei war Peter der klügere Kopf wie ich.
Dennoch harmonierten wir auf eine schräge Art und Weise. Nach der Stunde stand noch Englisch und Geschichte auf der Agenda bevor um 15 Uhr Feierabend war. Ich war gerade auf dem Weg zur U-Bahn als ich Peters Stimme nach mir rufen hörte.
„Hey", lächelte ich ihm entgegen.
„Du ... du machst also Bildbearbeitung?", fragte Peter etwas verlegen und rieb sich den Nacken mit seiner Hand.
„Unter anderem ja. Warum? Hoffst wohl, dass Jameson dich dann besser bezahlt?" ich grinste und schlenderte mit meinem Mitschüler die Straßen entlang.
„Was?", fragte er überrascht, was mich lachen ließ.
„War ein Scherz, Parker", zog ich ihn auf. „Also was möchtest du wissen?", lächelte ich ihm aufrichtig entgegen und bemerkte erst jetzt seine dunklen Augen, die so viel Wärme und Aufrichtigkeit ausstrahlten.
„Ich habe gehofft, du könntest mir ein paar Tipps geben."
„Erstaunlich. Du fotografierst, aber fragst nach Tipps?" Es amüsierte mich ein wenig, dennoch half ich ihm. „Im Grunde musst du einfach nur auf die richtige Perspektive und den Farben spielen. Kontraste setzen und verschiedene Einstellungen probieren", gab ich ihm mit. „Übrigens sind deine Fotos nicht schlecht."
„Ach wirklich?" antwortete er und war etwas überrascht.
„Das ist mein Ernst, Peter." Diesmal war kein Sarkasmus oder eine Belustigung zu hören. Es war wirklich mein Ernst.
„Oh. Ähm. Danke."
„Ich kann ein paar Bilder sichten, wenn du möchtest", bot ich ihm an. „Ich hab noch Zeit."
„Klar." Peter nickte energisch und verzog seinen Mund zu einem leichten Grinsen. „Danke."
„Gern geschehen", antwortete ich und fuhren in ein kleines Café in Manhattan. Wir suchten uns einen Tisch und Peter holte seinen Laptop aus dem Rucksack. Er fuhr ihn hoch und öffnete die Dateien. Anschließend drehte er mir den Laptop zu und lehnte sich lässig zurück.
„Hallo. Darf ich euch etwas zu trinken bringen?", fragte die Kellnerin und sah uns an.
„Hallo. Ich hätte gern ein Wasser", gab ich meine Bestellung auf.
„Ich möchte nichts. Danke."
Sobald die Dame gegangen war, widmete ich mich den Bildern. Einige zeigten Gwen, andere wiederum Spider-Man. Es gab auch vereinzelte, mit Gwen und Peter zusammen. Sie passten gut zusammen, dachte ich mir.
Ich vergrößerte ein Bild von Spider-Man und studierte es ausgiebig.
„Wow", staunte ich nicht schlecht. Anschließend kopierte ich es in ein Bearbeitungsprogramm und tobte mich aus. Etwas von der Sättigung genommen, spielte etwas mit Reflexen und Schatten und nahm etwas von dem Kontrast.
„So. Fertig", sprach ich ungefähr 20 Minuten später und präsentierte ihm mein Ergebnis.
„Nicht schlecht", komplimentierte er.
„Jeder hat seine Talente." Ich nahm mein Glas und trank etwas, sobald es gebracht wurde. „Du fotografierst also den Spider-Typen, wie ich gesehen habe. Obwohl Jameson ihn abgrundtief hasst."
„Spider-Man wird einfach nur falsch verstanden", verteidigte er den Wandkrabbler. Ich kniff meine Augen ein wenig zusammen und beobachtete ihn.
„Achja?"
„Ja. Ja, klar."
„Ist ziemlich ruhig geworden um Spidey. Gibt es eigentlich so etwas wie einen Superheldenurlaub?", fragte ich lachend und sah ihn an. Auch Peter begann zu lachen und es klang aufrichtig.
„Superheldenurlaub", wiederholte er und blickte amüsiert zu mir. „Ich weiß es nicht. Vielleicht eine Identitätskrise oder so." Peter zuckte nur seine Schultern.
„Eine Identitätskrise? Dein Ernst?", fragte ich unglaubwürdig.
„Klar." Ich lachte noch immer und trank einen weiteren Schluck.
„Wie dem auch sei", beendete ich das Thema und trank mein Wasser aus. „Ich muss jetzt los." Ich stand auf und legte genügend Geld auf den Tisch.
„Wir sehen und dann morgen", folgerte ich und machte mich auf den Weg zum Ausgang. Währenddessen verabschiedete ich mich vom Personal und trat wieder an die Luft.
„Steph?", eilte mir Peter nach. Ich blieb stehen und wandte mich zu meinem Klassenkamerad. „Hättest du etwas dagegen, wenn ich dich begleiten würde?"
„Warum nicht." Ich wartete bis er aufschloss und so musste ich den Heimweg nicht alleine antreten.
„Was hältst du eigentlich von Spider-Man?" Neugierde schwang und seiner Stimme mit.
„Ich würde mich da lieber enthalten", wollte ich mich rausreden und griff mit beiden Händen an die Schulterträger meines Rucksacks.
„Oh verstehe. Du bist also auf Jameson's Seite."
„Ganz und gar nicht!", rief ich brüskiert und sah ihn entrüstet an. Schließlich seufzte ich auf und zögerte ein wenig. „Spidey ist cool. Auf seiner Art und Weise und klar der ein oder andere Tagtraum schleicht sich mit ein. Aber seit er weg ist, steigt die Kriminalität. Die Einbrüche steigen, die Überfälle nehmen zu. Und um ehrlich zu sein, es ist nur eine Frage der Zeit, bis das Chaos wieder über New York hereinbricht", argumentierte ich und lies die Besorgnis in meiner Stimme mitschleifen. Wieder richtete ich meinen Blick auf Peter, der meine Besorgnis zu teilen schien. Während ich stehen blieb steckte ich meine Hände in die Jackentaschen und ließ meinen Blick schweifen.
„Tagträume also", kicherte Peter amüsiert.
„Den Teil habe ich nicht gesagt", versuchte ich mich rauszureden und lief weiter.
„Oh doch du sagtest ,der ein oder andere Tagtraum schleicht sich mit ein'. Jetzt werde ich neugierig." Peter stellte sich vor mich und versperrte mir somit den Weg. „Erzähl's mir", bat er mich und sah mich hoffnungsvoll an.
„Oh nein! Du würdest nur lachen", gatzte ich herum und versuchte mich irgendwie aus der Schlinge zu ziehen.
„Oh nein. Keine Ausflüchte. Ich will's wissen", drängte er. „Ich werde auch nicht lachen. Versprochen." Natürlich zögerte ich gab mich dennoch geschlagen, weil Peter mir das Gefühl gab, es ernst zu meinen.
„Aber wehe du lachst. Dann erzähle ich dir nichts mehr, hast du mich verstanden!", drohte ich ihm und sah ihn entsprechend an. Abwehrend hob Peter seine Arme, grinste dennoch belustigt.
„Weißt du... ich würde auch gerne mal zwischen den Wolkenkratzern umher schwingen."
„Ach wirklich?"
„Ja. Es scheint ein Gefühl der Freiheit zu sein ohne Sorgen."
„Wenn ich ihn sehe, werde ich es ihm ausrichten", nahm er mich auf den Arm.
„Ich wusste du würdest mich auf den Arm nehmen!"
„He, war nur ein Scherz", lachte er und steckte nun ebenfalls seine Hände in die Hosentaschen. Wir redeten während den gesamten Weges und hielten vor unserem Haus.
„Hier wohne ich", sagte ich nun etwas nervös. Für einen kurzen Augenblick sah ich zur Tür, dann wieder richtete ich meinen Blick zu Peter. „Danke fürs begleiten. Wir sehen uns dann morgen in der Schule." Bevor ich mich umdrehte, schenkte ich ihm nochmal ein Lächeln und stieg die Treppen zur Veranda hoch um letztlich ins Haus zu schlüpfen.

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