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„Was ist eigentlich mit dir los Bruder?“ Bill Weasley blieb neben Charlie in ihrer Küche im Fuchsbau stehen, und starrte nun ebenfalls aus dem Fenster, hinaus zu den zwei Jungs, die erstaunlich ruhig auf einer der aufgestellten Bänke im Garten saßen.
Sie waren alleine im Haus ihrer Eltern. Alle anderen, ihre Gäste sowie Molly und Arthur selber, befanden sich in diesem Augenblick im Garten, wo sie sich ausgelassen unterhielten, oder in dem magisch vergrößerten Zelt, das sich ebenfalls auf ihrem Grundstück befand.

„Ich habe mir nie darüber Gedanken gemacht, ob Mom und Dad es einem von euch erzählt haben-“, Charlies Stimme war leise, mit einem nachdenklichen Unterton, ohne, dass er seinen Blick von Ron und Harry abwandte. „Allerdings bin ich mir ziemlich sicher, dass du es weißt ...“

Einen Moment lang war es still in dem kleinen bunten Raum mit seinen zusammengewürfelten Möbeln aus Holz, in dem es immer herrlich nach Essen und Gewürzen duftete. Nur das leise Klirren und Schrubben der Topfbürsten war im Hintergrund zu hören, welche soeben durch Magie selbstständig die dreckigen Pfannen und Teller reinigten, bevor Bill resigniert auf die halbfertigen Sätze seines Bruders antwortete. „Du redest von deiner Adoption, oder? Soweit mir bekannt ist, weiß es neben mir nur noch Percy.
Wie kommst du jetzt darauf? Was hat das mit den Zweien da draußen zu tun?“ Williams Augenbraue, oder Bills, wie ihn jeder nannte, hob sich fragend, was ein geräuschvolles Ausatmen das Zweitältesten zur Folge hatte.
„Es scheint, als wäre nicht nur in mir das beinah ausgestorbene Erbe der Drenai erwacht, Bill.“ „Du willst mich auf den Arm nehmen?“ Bill wandte sich nun ganz seinem Bruder zu. „Du meinst ... unser Grünauge?“ Nun waren es beide Augen des ältesten Weasley, die sich vor Verstehen und Unglaube weiteten.
„Ja.“ Charlie seufzte leise, während sich ein Gefühl der Enge in seiner Brust ausbreitete. „Was meinst du, warum ich ein solches Händchen für Drachen hab? Es gibt keinen Zweifel, Bill. Mein Wesen erkennt ihn als möglichen Gefährten. Als ich ihn das letzte Mal gesehen hab, hab ich nicht ganz verstanden, was los ist, was daran liegt, das sein Erbe noch nicht erwacht war. Doch jetzt-. Sein Geruch hat sich verändert. Es zieht mich regelrecht zu ihm hin! Was heißt, dass er auf keinen Fall ein dominanter Drenai ist, wie ich es bin.“ „Das erklärt endlich, warum du schon bei der Quidditchweltmeisterschaft deine Augen nicht von ihm lassen konntest.“ Bill grinste und stieß den etwas Jüngeren mit der Schulter an, bevor die kurz aufgewallte Freude wieder aus Williams Gesicht und Stimme verschwand. „Aber das ist nicht alles, oder?“
„Nein ... irgendetwas stimmt nicht, Bill. Sie ihn dir doch an. Er lehnt sich nicht an, bewegt sich kaum und wenn er denkt, keiner bekommt es mit, sieht er einfach nur geschafft aus. Als habe er Schmerzen. Und das hat ganz sicher nichts mit dem Tod seines Paten zu tun.“
„Er kommt direkt von seinen Verwandten.“
„Ja-“, Charlie schnaubte. „Von seinen Magie hassenden Verwandten, zu denen er von Dumbledore gezwungen wird zurückzukehren. Er darf nur die zweieinhalb Tage bleiben, bis der alte Schulleiter ihn persönlich zurückbringt, obwohl Mom und Dad gesagt haben, dass er gerne die restlichen Ferien bleiben kann. Wenn sie überhaupt seine Verwandten sind. Ich kann mich nicht erinnern, jemals gehört zu haben, dass die Potters Drenai-Blut in ihrer Linie haben. Du weißt, ich traue dem Alten nicht, Bill.
Wo hast du eigentlich deine Braut gelassen?“ Charlie riss seinen Blick los und sah zu seinem Bruder, der nun ebenfalls nachdenklich dreinsah. „Hm ... er ist auf jeden Fall nicht der nette Großvater, den er jedem vorgaukelt. Du solltest dir bei Gelegenheit Ronnykins schnappen - wenn jemand etwas weiß, dann er. Was meine Frau anbelangt. Fleur begrüßt gerade ihre Eltern, draußen im Zelt. Ich wollte eigentlich nur kurz sehen, wo du steckst. Meinst du, Harry hat dich auch erkannt?“
„Das mit Ron ist eine gute Idee.“ Charlie hatte seinen Blick wieder durch das Fenster nach draußen gerichtet und beobachtete nachdenklich, wie Harry Potter sich in diesem Moment leicht an seinen jüngsten Bruder anlehnte, und seine Augen schloss. Was Ron keinesfalls neu zu sein schien, so niedergeschlagen wie der seinen besten Freund von der Seite musterte. Ja, da stimmte etwas ganz und gar nicht!
„Er hat bestimmt etwas gemerkt, ich glaube nur nicht, dass er mit seiner eigenen Reaktion auf mich etwas anfangen kann. Wenn er überhaupt weiß, welches Kreaturenerbe in ihm erwacht ist, bedenkt man, wie erschreckend wenig er überhaupt über unsere Welt weiß.“ Charlie verschränkte seine Arme vor der Brust.

„Hier steckt ihr! Bill, deine Frau sucht dich!“ Beide Rotschöpfe wandten sich synchron zu Percy um, der in diesem Augenblick auf sie zu kam. „Wen beobachtet ihr?“ Der drittälteste der Weasleys stellte sich zu seinen beiden Brüdern und sah ebenfalls aus dem Fenster. Woraufhin sich auch seine Augen verdunkelten, als er einen einwandfreien Blick auf seinen jüngeren Bruder und Harry hatte. Percy versteifte sich. „Euch ist also auch aufgefallen, das mit unserem Grünauge etwas nicht stimmt?“
„Dir also auch?“ Bill wandte sich überrascht an Percy, der daraufhin kaum hörbar schnaubte. „Nur ein Blinder würde das nicht bemerken. Es ist offensichtlich!“
„Demnach müsste so gut wie jeder blind sein.“ In Charlies Stimme schwang unüberhörbar die Verärgerung mit.
„Nicht wirklich, auch Fred und George machen sich Sorgen. Mit denen hab ich erst vorhin kurz gesprochen. Nur unser liebes Schwesterlein nicht, die schwärmt jedem vor, dass sie es kaum erwarten kann, bis Harry ihr endlich den Antrag macht. Was in ihren Augen nicht mehr lange dauern kann.“ Während sich Charlies Gesichtsausdruck auf Percys‘ Aussage hin nur weiter verdunkelte, schmunzelte Bill. „Da kann Ginny warten, bis sie alt und runzlig ist.“
„So-?“ Percys‘ Augenbrauen hoben sich überrascht. „Das hat aber nicht zufällig etwas mit einem erwachten Erbe zu tun? Das würde jedenfalls erklären, weshalb Ron letzte Nacht auf die Idee kam eines meiner Bücher über magische Wesen aus meinem Zimmer zu entwenden. Ungefragt versteht sich. Wohl in der Hoffnung, ich bekomme es nicht mit.“
„Ich hoffe, er hat sich den dicken Wälzer geschnappt.“ Charlie schielte zu Percy, der mit einem kleinen Lächeln nickte. „Gut, dann können wir zumindest davon ausgehen, dass Harry weiß, was er ist.“

***

„Charlie, verdammt nochmal, wach endlich auf ... Charlie! Bei Merlins‘ Plüschsocken!“ Ron entkam ein kaum hörbares, genervtes Schnauben, ohne das Rütteln an der Schulter seines schlafenden Bruders zu unterbrechen. Solange bis dieser ebenfalls leise grummelte, sein Gesicht allerdings nur noch tiefer in das Kopfkissen drückte und es mit seinen Händen feste umarmte.

Man - er wollte nicht! Er war vor gefühlt einer Stunde erst ins Bett gekommen. Schließlich hatte er sich von der Hochzeitsfeier seines Bruders nicht einfach so mittendrin aus dem Staub machen können. Auch wenn er müde war. Wenn er sich schon extra deswegen sechs Wochen frei genommen hatte. Was nur so problemlos gegangen war, da um diese Zeit kein ganz so hektischer Betrieb im rumänischen Drachenreservat herrschte und er noch genügend Resturlaub hatte. Wenn er auch seine freie Zeit gerne anders verbracht hätte, anstatt hier. Zudem war es ihm nicht einfach gefallen, Harry aus dem Weg zu gehen.
Dennoch konnte er nicht leugnen, dass es auch schön war, seine Familie wiederzusehen, wenn auch Ginny seiner Meinung nach zu sehr unter Dumbledores Einfluss stand.

„Charlie ... ich weiß, dass du wach bist!“
Charlie seufzte auf Rons harsch geraunte Aussage hin in sein Kissen, bevor er einen Moment später seinen Kopf zu seinem jüngeren Bruder drehte, der ihn mit unerwartet verärgert zusammengekniffenen Augen anstarrte. „Denkst du, ich würde zu dir kommen und dich wecken, wenn es nicht wichtig wäre! Verdammt - ich ... Harry braucht deine Hilfe!“
„Harry ... was ist mit ihm?“

Rons‘ Gesicht verzog sich leicht amüsiert, indessen Charlie sich, zum Glück in T-Shirt und Jogginghose gekleidet, wie eine Sprungfeder in seinem Bett aufgesetzt hatte und seinen Bruder nun mit großen Augen anstarrte.
Schien, als hätte er ein paar Schlüsselworte in richtiger Reihenfolge aneinandergereiht. Wenn das Ganze nicht nur so ernst wäre.
Rons kurz aufgeflammte Freude verschwand ebenso schnell, wie sie in seinen Augen aufgeleuchtet hatte, und schluckte schwer. „Ihm - ihm geht’s echt nicht gut. Ich weiß nicht, was ich machen oder zu wem ich sonst gehen soll. Er hat mir verboten, zu Mom zu gehen ... und-“, Ron atmete tief durch, „-ich ... ich weiß längst, was du bist! Du musst nach ihm sehen, bitte! Vielleicht lässt er sich ja von dir helfen.“

Broken Wings (BxMxM) HarryPotter-FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt