(46- Epilog) Zu den Sternen

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Hallo :)
Kleiner Hinweis zu Beginn: Der Schreibstil dieses Kapitels unterscheidet sich von dem der letzten. Das liegt daran, dass ich es schon vor einiger Zeit vorgeschrieben und nur nochmal überarbeitet habe.

Außerdem möchte ich euch darum bitten, die Bemerkung nach dem Kapitel zu lesen (wenigstens die ersten beiden Sätze). Sie sind wichtig.

Vielen Dank!

Hektorianja
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Moira

Funken stoben. Milliarden Feuersplitter kämpften gegen die Dunkelheit der Nacht an, ehe sie von ihren Samtlippen verschluckt wurden.
Die Luft schmeckte nach Rauch und Salz, Tang und Teer, Holz und Leinen und Teestaub, die Mischung des Abschieds. Nicht bitter, aber endgültig. Derb.
Riechen tat ich nichts. Nur Vulkangase, deren taube Hitze sich mit dem Geruch der Flammen decken musste. Aber ich wusste auch so, wie der Mitternachtswind duftete. Leer und kalt, durchwabert von den gleichen Dünsten, die meinen Mund ausfüllten und die Worte erstickten. Nicht, dass ich damit nicht gerechnet hätte. Sie lagen bereits sorgfältig gewählt und auf Pergament verewigt neben den unzähligen Kräuterbündeln, die das Seidentuch säumten. Es hatte sich so anschmiegsam um Selmas Züge gelegt, als wolle es ihr für diese Reise hunderte tröstende Umarmungen schenken. Umarmungen, die ich ihr in ihren letzten Tagen verwehrt hatte.

Meine Sicht kippte, die silbernen Enden des Bogens glimmten wissend auf, als Nachtblitz ihren Kopf in den Nacken legte.
Tieftrauriges Jaulen erfüllte die Küstenluft, wunderschön reine Töne perlten zu einer atemraubenden Melodie, unsere Gedanken reihten sich ein, umspielten und begleiteten, trugen und vertieften das Thema, folgten dem Band aus purem Kummer durch den Himmel. Eine Klagesymphonie, die die Welt verstummen ließ.
Dann schwebten nicht länger Töne aus der Kehle meiner Freundin, stattdessen strichen Sternenflammen über die Mondlichtschleier. Streichelten warm meine in Tränen schwimmenden Augen, lösten die Klamme aus meinen narbigen Fingerspitzen, als ich die Pfeilspitze zögernd in ihre Obhut gab.
Lichtschnuppen wirbelten, dann haftete ein flüchtiges Stück endloser Weite an dem schattentrunkenen Zünder.

Der Bogen spannte sich von selbst. Ich hätte es nicht für ihn tun können, die Kunst dieser Waffe beherrschte ich nicht. Doch das sanft geschwungene Schatzstück wusste ganz genau, wie es seiner Meisterin und Freundin die letzte Wertschätzung erweisen wollte. Mitgehen musste er nicht, sie trug ihn im Herzen. Ihr geliebter Bogen würde sie in die Ewigkeit begleiten, wie er es all die Jahre getan hatte.
Das geschmirgelte Holz nahm das Strahlen der Funken auf, verformte es, warf Zaubergespinste. Schrieb seine Abschiedswünsche auf die Finsternisfalter dieser Nacht. Dass sie sie mit zur Ewigkeit nahmen.

Glühendes Weiß in schwarzer Seide.
Schwarz auf weißen Pergamentflocken.
Meine Worte, seine Worte.
Wellenschaum auf einem Meer aus Unsagbarem.

Langsam glitten meine Finger von der Sehne.
Wie Schall fühlte sie sich an, durchdringend und unaufhaltbar.
Weitere Tropfen füllten meine Augen, stauten sich auf, würden die Welt zu Dunkelweben und Silbersprenkeln zerfließen lassen. Doch mir blieb nur das Gefühl und vielleicht war es besser so.
Die Sehne striff meine Nägel, blieb hängen, erstarrte für wenige Unendlichkeiten, vibrierend vor baldiger Erfüllung. Vollendung.
Ich wollte nicht weinen.
Meine Wimpern bogen sich unter der Last ungeweinter Tränen, so viele kleine Bögen unter dem Druck des Weltenschmerzes.
Ich wollte weinen.
Gemeinsam gaben sie nach, Tränenfänger und Lichtersehne.
Pfeil und Tropfen segelten durch die Luft, trafen zeitgleich meine Wange und das weißsilberne Boot.

Es blitzte. Knallte, zischte, loderte.
Tausend Sternenfunken wirbelten, flackernde Nachtspiegel zerknisterten die trockenen Pflanzen zu bleigrauem Glanz, der sich wogend in den Himmel schraubte. Gleich den züngelnden Flammen prasselten Meeresmurmeln auf die Erde, entflutet der tosenden See in mir, wo sonst Wut gleißte.

Sternenfluch - Segen der FinsternisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt