3. American Museum of Natural History

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„Oh", entwich es mir und war sichtlich überrascht. „Morgen ist Samstag und ich muss arbeiten. Du weißt das College und ich möchte meine Großeltern nicht alles zahlen lassen", musste ich höflich ablehnen und sah ihn entschuldigend an.
„Verstehe, verstehe", sprach er.
„Tut mir leid, Peter", wiederholte ich. „Ich sollte zurück, es wird schon dunkel und ich muss morgen früh aufstehen."
„Ja klar. Kein Problem", meinte Peter etwas unbeholfen. „Wir sehen uns am Montag."
„Ja. Gute Nacht", wünschte ich ihm noch bevor ich mich auf den Heimweg machte. Diesmal war ich es, die ihre Hände vergrub. Allerdings fanden sie in den Jackentaschen ein zu Hause. Bevor ich um die Ecke bog, blickte ich nochmal zurück aber Peter war schon verschwunden. Ich senkte für einen Moment meinen Blick, lief jedoch im selben Moment weiter um zurück nach Queens zu kommen. Zwischenzeitlich legte ich mir wieder Musik auf die Ohren um den Heimweg etwas erträglicher zu machen. Einmal stieg ich um, wegen Gleisarbeiten, was meine Ankunft zu Hause etwas verzögerte, aber es war okay, da ich alleine zu Hause war. In der Küche stand etwas zu essen, was ich mir nahm und mich in mein Zimmer verzog. Den Teller stellte ich auf meinem Schreibtisch ab und schälte mich aus den Klamotten.
Nachdem ich im Bett war, welches am Fenster stand, schaltete ich den Fernseher ein.
„Heute Nachmittag eröffnete ein geflohener Häftling in Midtown eine Schießerei. Dabei wurden 8 Personen verletzt. 2 davon schwer. Alle Beteiligten kamen umgehend ins nächstgelegene Krankenhaus. Der Zustand der schwerverletzten Personen ist derzeit noch kritisch", hörte ich die Nachrichtensprecherin sagen. Mit dem Teller auf den Schoß aß ich die Makkaroni. Die dazu eingeblendeten Bilder waren der absolute Horror. „Nach wie vor gibt es keine weiteren Anhaltspunkte für diese Tat und weiterhin fragen wir uns: Was ist mit Spider-Man?" Tja, der befindet sich im Superheldenurlaub, dachte ich und aß meine Portion auf. Den Teller stellte ich zurück auf den Schreibtisch und ging zurück in mein Bett. Irgendwann schaltete ich auch den Fernseher aus um Schlaf finden zu können, damit ich für morgen fit war.

Pünktlich um halb sieben riss mich der Wecker schon wieder aus meinen Träumen. Auch wenn ich es inzwischen gewohnt war, samstags aufstehen zu müssen, war es dennoch immer wieder aufs Neue eine Tortur. Meine Großeltern waren irgendwann heute Nacht nach Hause gekommen, weswegen ich mich quasi durchs Haus schlich. Da zwei Garnituren an Arbeitskleidung zu Hause waren, konnte ich mich jedes Mal in den eigenen vier Wänden fertig machen. Eine Garnitur bestand aus einem bordeauxroten knielangen Bleistiftrock, einer weißen gängigen Bluse, einem marineblauen Blazer mit einer zweireihigen Knopfreihe und ebenso einem bordeauxroten kleinen Halstuch. Nichtsdestotrotz hing eine Ersatzgarnitur in meinem Spind. Rechtzeitig wie immer, verlies ich das Haus. Mit der U-Bahn ging es direkt zurück Richtung Central Park wo ich auch um viertel vor 10 eintraf. Ich hüpfte die Stufen nach oben, schlüpfte durch die Tür und ging Richtung Mitarbeiter Raum.
„Ah. Morgen, Steph", grüßte mich unser Hausmeister fromm wie eh und je.
„Guten Morgen, Stephan", grüßte ich ihn zurück. „Wie gehts dir?"
„Muss, Steph, muss", lautete seine Antwort und erkundigte sich auch nach meinem Wohlbefinden, was ich ebenso beantwortete. Wir führten noch ein wenig Smalltalk, bevor ich mich fix in den Mitarbeiterraum begab um mein gesamtes Zeug abzulegen.
Pünktlich um 10 war ich an Ort und Stelle. Für den heutigen Tag war ich lediglich als Wachhund eingeteilt. Ich musste aufpassen, dass die Gäste sich benahmen. Somit schlenderte ich während meiner ganzen Schicht gefühlt ein dutzend mal durch jedes Stockwerk. Ab und zu blickte ich auf mein Handy, aber es war wie immer still.
„Entschuldigung?", fragte ich höflich und nährte mich einer Gruppe Teenager, die zu nah an ein Ausstellungsstück kamen. „Bitte nicht so nah ran."
„Das Ding ist hinter Glas!", beschwerte sich ein Halbwüchsiger Junge mit mittellangen blonden Haaren.
„Bitte", erwiderte ich. „Wenn du den Alarm Auslösen möchtest, die Kavallerie anrückt und feststellt, es war nur ein Scherz, dann hoffe ich für dich, dass deine Eltern einen ausgedehnten Geldbeutel haben", keifte ich ein wenig und zuckte mit meinen Schultern. Ab und zu kam ein Funkspruch durch und ich wechselte auf den 2. Stock des Museums. Dieser Trakt war ausschließlich mit Kleintieren, Wirbel- und Gliederfüßern gewidmet. Auch hier drehte ich meine Runden und war sozusagen die Museumspolizei. Spaß sah zwar anders aus, allerdings verging die Zeit wie im Fluge und das Museum zahlte auch ordentlich.
Gegen 14:00 Uhr verschwand ich in der Mittagspause. Mit meiner Tasche ging ich in den Central Park und genoß die Ruhe. Die Sonne zeigte sich von ihrer Pracht. Meine Pausen verbrachte ich hauptsächlich im Park, mit einem guten Buch oder ich zeichnete. Heute war das Bild von Peter mit dabei. Die Skizze war schon mal fertig, jetzt ging es an die Farben bevor Licht und Schatten dazu kamen, damit es einen dreidimensionalen Effekt bekam. Der Nachteil daran war jedoch, dass ich jedes Mal meine Pausen überschritt und immer zu spät meine Schicht begann.
„Hast du wieder die Zeit vergessen?", fragte Celine amüsiert.
„Du kennst mich doch", erwiderte ich und hechtete und den Aufenthaltsraum um meine Tasche zu verstauen. Im Eiltempo nahm ich letztlich meine Arbeit wieder auf. Wenn du weiterhin zu spät kommst, wirst du noch gefeuert!, dachte ich mir seufzend, legte meine Hände hinter meinen Rücken und schlenderte aufmerksam durch das Museum. Nun ja, ich könnte mich ja kundig machen, wo es mir besser gefallen würde. Um ehrlich zu sein, präferierte ich diese Tage, wo ich einfach nur an der Kasse saß und die Tickets verkaufte, denn Museumspolizei spielte ich eher ungern. Aber was sein muss, musste eben sein. Und manchmal wurden Wünsche erhört.
„Steph, kannst du an der Kasse übernehmen? Christin muss nach Hause, weil ihr Kind einen Unfall hatte", dröhnte schon Marc's Stimme aus dem Funkgerät.
„Schon unterwegs", antwortete ich knapp und machte mich schon auf den Weg.
„Danke, dass du einspringst. Du siehst es ist die Hölle hier los." Marc kam mir bereits entgegen, als ich das Foyer, welches hell und mit imposanten Säulen errichtet war erreichte.
„Klar. Kein Problem", erwiderte ich lächelnd und begab mich hinter die Theke um kassieren zu können.
„Hallo", begrüßte ich freundlich die Kunden und ließ die Tickets über den Tresen gleiten. Ich war so in meinem Element, dass die Zeit nur zu rasen schien. Als die letzte Karte des Tages verkauft war, ging es mit den Einnahmen nach hinten ins Büro um Kassensturz zu machen. Jeder zählte seine Kasse, berechnete die Einnahmen, welche von dem vorgegebenen Einnahmen abgezogen wurden.
„Was hast du?" erkundigte sie sich.
„Das übliche." Bei knapp 30 Dollar Eintritt und knapp 1.500 Besuchern täglich kamen schon knappe 41.000 Dollar zusammen. Davon ging jedoch ein Großteil für die Instandhaltung und neue Attraktionen des Museums drauf. Danach kamen alle fixen Ausgaben und zum Schluss der Lohn für die Mitarbeiter. Dennoch konnten wir einen guten Tag verbuchen. „Und du?"
„Bisschen weniger wie du", beschwerte sie sich, was mich lachen lies. „Glaubst du ernsthaft, ich verkaufe mehr Tickets, wegen meinem Aussehen?"
„Hast du dich schon mal in den Spiegel geschaut?", wollte sie wissen und sah mich an.
„Jetzt nach mal einen Punkt", meinte ich bescheiden. Celine war ebenso hübsch. Ihre Platinblonden Haaren fielen ihr immer in großen Wellen über ihre Schultern, während meine hellbraunen Haaren meist glatt und leblos an meinem Kopf herunter hangen. Für aufwendige Stylings war einfach nie die Zeit und die Lust da.
„Lust nachher noch ins Café zu gehen?" wechselte sie das Thema. Da ich heute wieder alleine war, was momentan wieder häufiger passierte, willigte ich ohne zu zögern ein.
Zusammen zogen wir uns um und stiegen die Stufen des Museums hinab.
„Und war die Museumspolizei heute wieder unterwegs?", erkundigte sie sich.
„Du kennst es doch", erwiderte ich. „Es vergeht eigentlich kein Tag, wo man die Kids nicht zurecht weisen muss, weil sie sich ihre Nasen an den Scheiben platt drücken", erzählte ich ihr.
„Die Jugend ist auch nicht mehr das, was wir damals waren", schwelgte sie in Erinnerungen, wo ich ihr stumm zustimmte.
Wir entschieden uns für das Restaurant Manhattan, welches ein paar Blocks weiter war. Zugegeben ich war oft in der Gegend aber nie direkt zur Location. Aber typisch für Celine, dass sie diese fancy Locations kannte. Das Etablissement befand sich ein paar Blocks weiter und es hatte hervorragende Anbindungen zu den Bahnen nach Queens.
„Guten Abend", grüßte Celine. „Ein Tisch für 2 Personen bitte."
„Ja. Einen Moment", sprach der Kellner und verschwand in der zwischen den Tischreihen. Wir standen da und hofften auf einen freien Platz, aber kurz darauf kam er wieder und winkte uns zu sich rüber.
„Hier bitte sehr", sprach er. „Möchten Sie von der Karte oder Buffet?"
„2 mal das Buffet. Zu trinken ein Wasser", gab Celine die Bestellung auf.
„Für mich bitte eine Mango-Maracuja Schorle", lächelte ich den jungen Mann zu.
„Danke sehr." Mit einem dankenden Nicken, zog er von dannen und wie setzen uns hin.
„Hast du letztens die Nachrichten gesehen?", fragte sie und sah mich an.
„Habe ich, ja", beantwortete ich ihre Frage.
„Ich frag mich, was in den Köpfen der Menschen wohl herum geistert. Einfach aus dem Nichts eine Schießerei anzufangen", echauffierte sie sich. Ich ahnte bereits, wohin das Thema führen würde.
„Du musst nicht weiter reden, Celine. Ich kann mir gut denken, worauf du hinaus möchtest. Aber es gab auch vor Spider-Man ein Leben auf dem Planeten und bis dahin kamen die Cops auch zurecht." Ich war das Thema langsam etwas leid. Ständig drehten sich die Gespräche um den Spinnen Typen. Alle taten so, als wäre er der Held des Jahrhunderts, wo ohne ihn die Welt untergehen würde. Allerdings musste ich mir auch eingestehen, dass das sicherlich passiert wäre, würde es ihn nicht geben.
„Eine Verbündete von Jameson. Wer hätte das gedacht", ließ sie ihren Gedanken freien Lauf.
„So ein Quatsch! Ich finde nur, er wird viel zu sehr gepuscht!" Ich stand auf uns holte mir etwas zu essen. Dabei kamen wir Peters Worte wieder in den Sinn. Er sagte etwas ähnliches, dass ich eine Verfechterin von Jameson wäre, was aber absolut nicht den Tatsachen entsprach. Innerlich seufzte ich auf und kehrte an meinen Tisch zurück um essen zu können. Dabei bemerkte ich, dass ich von Peter nichts mehr hörte, seit unserem Treffen auf dem Friedhof. Das war gestern, Schätzchen, bemerkte mein Unterbewusstsein und ich schob mir frustriert eine Gabel mit Rindfleisch in den Mund.

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Blog: https://www.tumblr.com/stephanie-bering

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