Den Start in meinen Urlaub hatte ich mir irgendwie anders vorgestellt. Eigentlich sollte ich mit David am Flughafen sein und meinen Koffer zum Gate schieben. Stattdessen schiebe ich die schweren Koffer meiner Chefin einmal quer durch den Flughafen - in meinen Schlafklamotten. Und das auch noch völlig unfreiwillig.
Unsanft werde ich aus dem Schlaf geweckt und sehe mich verwundert um. Wo zum Teufel..-
„Aufwachen Florence, wir sind da. Sie müssen mir mit den Koffern helfen." meine Chefin schnippst energisch vor meinem Gesicht rum.
Es dauert noch ein paar Sekunden bis ich verstehe, wo ich bin. Ich sitze in meinem Auto. Als Beifahrerin. Am Berliner Flughafen. Nun, das wäre schön und gut wenn ich in Berlin wohnen würde. Doch ich wohne in Hamburg. Und mein Flug in den Urlaub geht an diesem Morgen in Hamburg um 4:25 Uhr. Panik steigt in mir auf und ich sehe mich aufgeregt im Auto nach einer Uhr um.
„Florence! Ich habe nicht ewig Zeit. Mein Flug geht gleich!"
„Wie viel Uhr ist es?" Die Antwort befürchtend sehe ich in das entnervte Gesicht meiner Chefin.
„Es ist 3 Uhr, Florence. Beeilen Sie sich endlich! Wenn ich wegen Ihnen den Check-In verpasse, können Sie sich auf etwas gefasst machen."
Mein Herz setzt aus. 3 Uhr morgens. Und ich bin mehrere Kilometer entfernt von Zuhause. Wo meine Koffer bereitstehen und David sicher seit Stunden versucht mich zu erreichen. Wie eine wildgewordene Furie beginne ich nach meinem Handy zu suchen. Mich zu entführen ist eine Sache. Mein Auto dafür zu benutzen ist eine andere. Aber wenigstens an mein Handy musste Valentina doch gedacht haben?! Ich kann mein Handy nirgendwo entdecken und ein kurzer Blick zu meiner Chefin verrät mir, dass sie meine „Trödelei" mehr als missbilligend findet. Wut kocht in mir auf. Ungläubig was hier passiert, steige ich aus dem Wagen und will Valentina gerade die Meinung geigen, als ich abrupt stehen bleibe. Ich habe keine Schuhe an. Meine nackten Füße stehen auf Asphalt und ein Blick über meinen Körper verrät mir, dass ich lediglich die kurze Schlafshorts und den Pulli trage, mit denen ich schlafen gegangen bin. Was zum...?!
„Florence! Hören Sie auf zu Trödeln!"
In mir kommt ein Schwall verschiedener Gefühle hoch. All die Jahre, in denen ich für diese Frau gearbeitet habe und nicht einmal habe ich die Wörter Bitte oder Danke aus ihrem Mund gehört. Doch jetzt ist es sowieso zu spät. Meinen Flug werde ich verpassen und bei David kann ich mich ohne Handy offensichtlich auch nicht melden. Vielleicht finde ich ein paar Münzen in meinem Auto und entdecke ein Münztelefon im Flughafen - obwohl ich nicht sicher bin, ob sowas im Jahr 2024 überhaupt noch existiert.
Entmutigt und alle Gefühle ignorierend, gehe ich vorsichtig über den Asphalt, in Bedacht nicht auf die kleinen spitzen Steinchen auf dem Weg zu treten, und hebe die schweren Koffer aus dem Kofferraum meines Wagens. Valentina sieht mir dabei von der Seite zu und selbst durch ihre dunkle Sonnenbrille kann ich ein Augenrollen erkennen.
"Hier, fangen Sie." Gerade so kann ich den Autoschlüssel auffangen, den Valentina mir zuwirft und seufze schwer. Ein toller Start in meinen Urlaub. Vielleicht fliegt David voraus und ich kann mit einem späteren Flug nachkommen...
Wortlos aber temperamentvoll wie immer dreht Valentina sich um und läuft mit ihrer viel zu teuren Louis Vuitton Handtasche in der Armbeuge voraus Richtung Eingang des Flughafens. Dabei klappern die Absätze ihrer Louboutins und die Haare ihres engen Zopfes schwingen im Takt hin und her. Würde man diese Frau nicht kennen, wäre sie wohl als wunderschön zu bezeichnen. Mit ihrer karamellfarbenen Haut, ihren dunklen, seidig-glatten Haaren und ihren großen braunen, mandelförmigen Augen steht ihr ihre spanische Abstammung quasi ins Gesicht geschrieben. Und nicht nur ihr Äußeres lässt ihre Herkunft vermuten, auch ihr Temperament. Nicht umsonst war sie einer der Gründe, weshalb ich unter ihr arbeiten wollte. Sie war trotz ihres noch jungen Alters zur Redaktionsleitung befördert worden und das nicht durch Beziehungen oder Ähnliches, sondern rein durch ihren Erfolg. Sie ist eine wahnsinnig gute Journalistin, Autorin und nun Leiterin der Redaktionsabteilung eines internationalen Multimillionenkonzerns. Und trotzdem kann ich aus eigener Erfahrung sagen, dass man als ihre Assistentin eine ganz persönliche Hölle durchlebt. Zu Beginn hatte ich sie noch verehrt und jeden ihrer Befehle ohne sie zu hinterfragen durchgeführt, doch nach einigen Monaten und schließlich nach einem Jahr war klar, dass ich nicht mehr war als eine moderne Sklavin. Mit meiner ursprünglichen Arbeit hatten ihre Aufgaben für mich schon nach wenigen Tagen nichts mehr zu tun.
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A british Getaway
RomanceAm Flughafen von ihrem Freund zurückgelassen, der mit ihrer nun ehemaligen Chefin durchgebrannt ist, macht Florence sich auf ihren eigenen Weg in ein Abenteuer. Sie will herausfinden, wer sie eigentlich ist und was sie für ihre Zukunft möchte. Scho...