Nia lag in ihrem Bett. Um sie herum ein Haufen benutzte Taschentücher.
Sie hatte eine Playlist laufen, mit irgendwelchen Schnulzen, die sie eigentlich nur an hatte, um ihr immer wieder auftretendes Weinen zu verschleiern. Obwohl sie sich sicher war, dass es eh niemanden interessierte, wie es ihr gerade erging.
Alle hatten ihre eigenen Probleme.
Sie war nicht blind. Ihre Eltern hatten eine Menge Probleme.
Ihr Vater hatte wiederholt auf der Couch geschlafen. Dieses Anzeichen hatte sie ja zuvor schon einst bemerkt gehabt und somit fragte sie sich, ob ihr Vater eventuell trotz alledem weiterhin diese eine Frau traf.
Doch wieso sollten sie dann an ihrer Ehe arbeiten wollen, wenn keiner richtig Bock auf den anderen hatte?
Sie sah einfach keine Liebe zwischen den beiden.
Wenn sie sich früher angesehen hatten, war da etwas. Etwas, was sie auch mal haben wollte. Jetzt ... war da nichts Leuchtendes mehr. Nur böse Wörter und keinerlei ... Freundlichkeit.
Sie erinnerte sich noch, wie widerlich sie es manchmal fand, wenn sie ihre Eltern küssend vorgefunden hatte. Heute sehnte sie sich nach diesem Anblick.
Ihre Mutter arbeitete und arbeitete gefühlt umso mehr als sonst. Zeit für ihre Tochter hatte sie somit so oder so nicht.
Irgendwie hatte Nia die Hoffnung gehabt, dass wenn beide sagten sie würden wieder zusammen sein wollen, es in einfachen Worten ausgedrückt dann genauso wie früher sein würde.
Wie früher war es ja auch ... mehr oder weniger.
Doch Nia meinte ... viel früher.
Nicht das früher, wo sie sich bereits nur anmeckerten und ... ignoriert hatten.
Sie wollte lieber, die in Arm liegenden Eltern wiederhaben, als jene, die nicht mal alleine in einem Raum verweilen konnten.
Doch sie bezweifelte, dass solche Tage je wieder kommen würden.
Ohne klopfen wurde ihre Türe geöffnet. »Ich bin jetzt weg.« , sagte Isabelle.
Nia zog die Nase hoch und wischte über ihre Augen und Wangen. »Wohin?« , fragte sie.
»Arbeiten.«
Dass ihre Mutter sie nicht mal auf die verbrauchten Taschentücher ansprach, tat dem jungen Lockenkopf weh. »Wo ist Papa?« , kam deshalb fragend über ihre Lippen. Er wollte ja gestern Abend mit ihr reden und auch wenn er nicht anders war als Robin in der Hinsicht, wusste sie, er würde sie wenigstens in den Arm nehmen wollen und trösten. Etwas, was sie gerade dringend nötig hatte.
»Er ist schon weg?«
Geschockt setzte sie sich auf. »Wie? Zum Flughafen?« Nias Stimme war glockenhell.
»Ja.«
»Aber ... er ... er hat sich gar nicht verabschiedet.«
»Dein Vater ist halt seltsam geworden. Damit müssen wir beide leben.« Nun zeigte Isabelle doch auf die Tempotaschentücher auf Nias Bett. »Räum' das bitte nachher weg. Und ... Nia, es nützt nichts Tränen zu vergießen. Wenn Robin nicht merkt, das er sich hätte entschuldigen müssen, dann solltest du deinen Stolz nicht vergessen. Kein Mann oder Junge ist es wert, das man ihm hinterherheult.« Mit den Worten ging sie.
... und Nia heulte sofort aufs Neue los.
Ihre Mutter hatte nicht mal gefragt, was geschehen war. Sie hatte eh nicht vorgehabt, dies zu beantworten, weil sie sich dafür schämte, dennoch hätte sie gern' ein wenig Aufmerksamkeit gehabt.
Wo war die Mutter hin, die sie sonst tröstend in die Armen genommen hatte?
Nia fand ihren Vater als Ansprechpartner jetzt auch nicht überragend, da er ja selber fremdgegangen war, dennoch war er immer bereit gewesen sie in schlimmen Situationen zu umarmen.
Dass er aber in der gegenwärtigen Zeit ohne eine Verabschiedung gegangen war, tat Nia extrem weh.
War sie denn tatsächlich beiden so egal geworden?
Sie lebte doch. Sie war nicht gestorben.
Alles war ...
... es war Rios Schuld.
Genau dann hatte die ganze Scheiße begonnen.
Genau dann hatte sie aufgehört ... zu existieren.
Als er ... ging, war sie nicht mehr wahrhaftig existent gewesen.
Wütend warf sie ihre Fernbedienung, welche neben ihr lag gegen die Wand, eh sie aufstand und die Türe öffnete.
Nia ging durch den Flur und sah, dass der Schlüssel ihrer Mutter nicht mehr hing. Sie war also sofort gegangen.
Es zeigte ihr im Großen und Ganzen, wie egal und unsichtbar sie tatsächlich geworden war. Nicht existent.
Ihr kompletter Körper zitterte und sie ging ein Stück weiter, wo sie die Türe des Schlafzimmers aufschob. Ihr Herz pochte in den Ohren. Sie war sauer. Voller Adrenalin. Wütend riss sie die Fotos ihres Bruders von der Kommode und zertrat die Bilderrahmen. Sie lief anschließend in die Küche und holte eine Schere, bevor sie wieder zurückrannte, die Schublade öffnete und den Strampler darin zerschnitt.
Heulend ließ sie sich mit dem Po zu Boden fallen und zog eines der Bilder aus den Rahmen, wobei sie sich noch in den Finger schnitt.
Die Schere in ihrer Hand zitterte, während das Blut hinuntertropfte. Laut und verzweifelt schrie sie los und betrachtete, unter Tränen in den Augen ihren verstorbenen Bruder. »Ich hasse dich.« , gab sie kreischend von sich. »Ich hasse dich so sehr.« Trotz ihrer Worte schaffte sie es nicht, auch nur eines der Bilder zu zerschneiden, geschweige denn zu zerreißen. Eines zerknüllte sie jedoch und warf es von sich weg, eh sie umso mehr zu Heulen begann.
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Ich brauch dir nicht zu erklären wie schön das wär' so für immer BAND 3
FanfictionAlternatives Ende für die Dag und Isy Story Zweite Chance?! Oder nicht? Dag versucht auf irgendeine Weise nach der Trennung von Isabelle, den für ihn richtigen Weg zu finden. Doch wie erkennt man, wer genau der passende Partner für einen wäre? Sollt...