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Beatrice

Als ich die Passage über das Mädchen im Café lese, schleicht sich ein vertrauter Schmerz in meine Gedanken. Ich erinnere mich daran, wie ich schon seit Jahren in einem Café arbeite, nicht aus Wahl, sondern aus Notwendigkeit. Meine Eltern sind nicht in der Lage, auf legale Weise Geld nach Hause zu bringen, also lastet der Druck des Überlebens auf meinen Schultern. Seit ich 14 Jahre alt bin, arbeite ich in einem Café, um meinen Teil zum Familieneinkommen beizutragen. Jeder Cent, den ich verdiene, wird sorgfältig gespart, um meinen Traum zu verwirklichen, Bau- und Wirtschaftsingenieurwesen zu studieren. Es war schon immer mein Ziel, aber manchmal fühlt es sich an, als ob es unerreichbar wäre.

Vor zwei Monaten habe ich endlich den Schritt gewagt und mich für das Studium eingeschrieben. Es war eine Entscheidung, die ich lange vor mir hergeschoben habe, aus Angst vor Ablehnung oder finanziellen Schwierigkeiten. Doch trotz der Hindernisse und Zweifel habe ich mich durchgerungen. Die Vorstellung, Bau- und Wirtschaftsingenieurwesen zu studieren, treibt mich an, jeden Tag hart zu arbeiten und meine Träume zu verfolgen. Doch, ob ich eine gute Antwort kriegen werde.. das werden wir sehen.

Als ich das Buch weiterlesen will, geht die Tür auf und Mamá kommt herein. Sie mustert mich und verdreht die Augen. »Wieso liegst du schon wieder so rum?«, fragt sie und verschränkt die Arme. »Ich bin erst vor eine Stunde nach Hause gekommen«, brumme ich. »Wollt ihr heute Abend verhungern? Geh in die Küche und koch was. Sonst kriegst du es wieder von deinem Vater ab.« »Wohin gehst du?« »Arbeiten. Bin erst Morgen wieder da«, schildert sie und verlässt dann mein Zimmer. Ich schließe kurz die Augen und atme tief aus. Wieso werde ich so behandelt? Lieber Gott, hol mich von hier raus.

Nachdem ich fertig gekocht habe, decke ich den Tisch und setze mich schon an mein Platz. Wo bleibt aber Papá? Er sollte schon längst da sein.

Ich warte,
warte,
warte
und warte.

Nichts. Er ist nicht da. Das Essen ist schon kalt geworden und langsam knurrt auch mein Magen. Ich nehme den Löffel in die Hand und trinke die Suppe. Ganz alleine. Ohne meine Eltern.

Manchmal beneide ich die Kinder, die wundervolle Eltern haben. Die Eltern, die für ihre Kinder da sind, sie lieben und sie schützen. Genau solche Eltern haben das allerbeste verdient. So sind aber meine nicht..

Nachdem ich fertig gegessen habe, räume ich den Tisch auf und stelle die sauberen Teller und Bestecke, zurück in das Regal. Schließlich kehre ich zurück in mein Zimmer und lese mein Buch weiter. Nur beim Lesen von Büchern fühle ich mich wirklich frei, weil ich mich in die Charaktere hineinversetze und daduruch das Leben wirklich erlebe. In diesem Buch geht es um ein Mädchen, das in einem ärmeren Viertel wohnt und im Café arbeitet. Sie hat keine Eltern, lebt ganz allein mit ihrer Schwester und kümmert sich um sie. Alles läuft gut, bis sie von der russischen Mafia entführt wird.

Ich schleiche leise durch die dunklen Flure, das einzige Geräusch ist das leise Summen des Kühlschranks. Es ist wieder einmal zwei Uhr morgens, und mein Durst treibt mich in die Küche. Ich fülle ein Glas mit kaltem Wasser und lehne mich gegen die Arbeitsplatte, als ich ihn auf der Couch sehe - meinen Vater, reglos und von einem wirren Durcheinander aus leeren Flaschen umgeben. Ein Seufzen entfährt meinen Lippen, während ich ihn betrachte. Sein Gesicht ist friedlich in seinem betrunkenen Schlaf, aber sein Körper erzählt eine andere Geschichte. Die Flaschen um ihn herum sind wie stumme Zeugen seiner Kämpfe und meiner eigenen. Ich kann nicht anders, als wieder einmal über mein Leben nachzudenken. Über die Nächte, die ich damit verbracht habe, ihn zu trösten, die Enttäuschung, die ich in seinen Augen gesehen habe, als er wieder rückfällig wurde. Über die Träume, die ich hatte, und die Realität, die mich jeden Tag einholt. Ein Gefühl der Einsamkeit überkommt mich, während ich hier stehe und auf ihn herabblicke. Er ist mein Vater, aber gleichzeitig so fern von mir. Ich wünschte, ich könnte ihn retten, ihn aus diesem endlosen Kreislauf befreien. Aber ich weiß, dass ich das nicht kann. Ich kann nur für mich selbst sorgen und hoffen, dass eines Tages alles besser wird.

Ich lasse mein Glas auf der Arbeitsplatte stehen und beuge mich stattdessen über meinen Vater. Mit behutsamen Händen beginne ich, die leeren Flaschen um ihn herum aufzusammeln und auf den Küchentisch zu stellen. Sobald die Fläche um ihn herum frei ist, bedecke ich ihn sanft mit einer Decke. Nachdem ich sicher bin, dass er gemütlich zugedeckt ist, kehre ich in die Küche zurück und fülle ein weiteres Glas mit Wasser. Diesmal fühlt sich das Wasser schwerer in meiner Hand an, als ob es die Last unserer gemeinsamen Schwierigkeiten tragen würde. Ich lasse einen letzten Blick auf meinen schlafenden Vater fallen, bevor ich das Licht in der Küche ausschalte und leise zurück in mein Zimmer gehe. Dort angekommen, setze ich mich an mein Fenster und betrachte die Sterne am Himmel, während ich stille Gebete für einen besseren Morgen murmle.

Montag, 7. Juli
Der Klang meines Weckers reißt mich aus meinem unruhigen Schlaf, und ich öffne meine Augen, um auf die Anzeige zu blicken. Es ist 6 Uhr morgens, und die Erkenntnis trifft mich wie ein Schlag - heute ist mein Geburtstag. Ein Hauch von Enttäuschung legt sich über meine Gedanken, als ich realisiere, dass ich nicht von meinen Eltern geweckt wurde, wie es in vergangenen Jahren auch nicht der Fall war. Mit einem schweren Herzen stehe ich auf und mache mich auf den Weg in die Küche.
Als ich die Küche betrete, bemerke ich sofort die Leere um mich herum. Meine Mutter ist immer noch weg, und von meinem Vater fehlt jede Spur. Ein Seufzen entfährt mir, während ich mir eine Schüssel Müsli zubereite. Die Stille in unserem Haus fühlt sich erdrückend an, und die Abwesenheit meiner Eltern verstärkt nur meine Gefühle der Einsamkeit. Mein Geburtstag sollte ein Tag der Freude und Feier sein, aber stattdessen fühle ich mich verlassen und traurig. Ich nehme einen Bissen von meinem Frühstück und versuche, die Tränen zurückzuhalten, die sich in meinen Augen sammeln.

Yuhu, ich bin 18 Jahre alt geworden.

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