IMVELO || Woodwalkers FF

Kapitel 93_Sonnenaufgang - Teil 2 / Narben sind wie Tagebücher

Kapitel 93_Sonnenaufgang - Teil 2 / Narben sind wie Tagebücher

Es war Nachmittag, als die Sonne die dichte Wolkendecke endlich durchdrang und die Welt draußen in ein goldenes Licht tauchte. Der Schnee, der auf den Straßen, Autos und Dächern lag, funkelte und ließ die Stadt erleuchten.

Durch das gekippte Fenster konnte Azad das Lied ein paar weniger Vögel draußen hören und ein kühler Wind zog durch das Zimmer.

Was nach der Explosion passiert war, wusste Azad nicht, aber er war sich genau zwei Sachen bewusst: Er war mit sehr viel mehr Glück davongekommen als er hätte können - sein Kampfanzug hatte ihn vor den schlimmsten Verbrennungen bewahrt. Das Zweite war, dass er in demselben Krankenhaus war wie Kryo und ihr Bruder Jace.

In dem Moment klopfte es an seiner Tür und noch bevor Azad überhaupt den Kopf dorthin drehen, geschweige denn etwas sagen konnte, wurde sie geöffnet. Hinter der Krankenschwester erkannte er drei weitere Personen in seinem Alter, seit Monaten auf der gleichen Mission wie er. Kira, Kiba und Diago. Irgendwie waren sie - obwohl immer mehr Agenten hinzugekommen waren - immer noch dieses Quadro, das von Beginn an in dieser Mission war.

„Das ist nicht dein Ernst, oder?", fragte Kiba, sobald sie alleine waren. „Ich hatte die Panik meines Lebens, weil ich dachte, einen Kameraden zu verlieren und du chillst hier einfach, als wäre nichts gewesen!"

„Nächstes Mal achte ich besser darauf, fast zu sterben", entschuldigte sich Azad.

Kira stieß Kiba von der Seite an, um ihn zum Schweigen zu bringen und wandte sich dann Azad zu. „Wir haben gewonnen", erklärte sie schlicht. „Kimura ist verhaftet und wartet jetzt auf seinen Prozess."

„Na endlich", war das Einzige, das Azad dazu einfiel. Wie die meisten anderen, konnte er es nicht so recht glauben, aber er war unendlich erleichtert, dass es endlich vorbei war. „Wann gehen wir dann an die Imvelo High zurück? Ich glaube nicht, dass ich mit dem Ganzen hier abschließen kann, solange wir noch an der Clearwater High sind."

„Wissen wir noch nicht", antwortete Kira. „Wahrscheinlich werden wir trotzdem noch ein paar Tage bleiben, um uns zu erholen."

„Rana wird mitkommen", meinte Kiba. Er sah aus, als wäre es ihm eben erst wieder eingefallen. „Sie hat gesagt, wenn das alles vorüber ist, kommt sie mit uns mit. Sie hat Englisch und Spanisch studiert, also kann sie bei uns auch unterrichten."

„Dann werden wir sie aber nicht mehr als Lehrerin haben", warf Azad ein. „Ein Lehramt Studium dauert fünf Jahre, so lange sind wir nicht mehr an der Schule."

Azad war sich nicht sicher, ob es so schlau gewesen war, die anderen daran zu erinnern - nach allem, was passiert war, nur in Erinnerung gerufen zu bekommen, dass auch der Normalzustand bald vorbei sein würde, konnte schnell für eine bedrückende Stimmung sorgen.

Doch Kiba zuckte nur mit den Schultern. „Na und? Dann müssen wir nach unserem Abschluss einfach direkt wieder dahin gehen", meinte er, als wäre es das Offensichtlichste der Welt. „Ich hoffe nur, bis dahin sind an der Imvelo High so viele Schüler, dass die einen zweiten Lehrer in Kampftraining oder Fähigkeiten brauchen, denn auf alles andere hab ich eigentlich auch keine so große Lust."

Mit dem Ellbogen stieß er Diago in die Seite. „Und wie sieht's bei dir aus? Wirst du mich alleine lassen?"

„Fürchte schon", antwortete er. „Hab aktuell 'nen Seitenblick auf Schutzpolizist geworfen. Irgendwie bin ich dann ja immer noch auf Missionen und wir werden bestimmt oft zusammenarbeiten, wenn deine Schüler die Geheimhaltung nicht hinbekommen." Ein kurzes Grinsen huschte über sein Gesicht.

Kira warf Azad einen kurzen Blick zu und verdrehte lächelnd die Augen. Egal, wieviel sich verändert hatte und egal, wieviel Kiba und Diago sich einzeln verändert hatte - zusammen waren sie immer noch genau wie früher.