Neuanfang

106 1 2
                                    


Ich stieg aus dem Hyperloop aus, der die Insel mit dem Festland verband. Es war merkwürdig, wieder hier zu sein. Das letzte Mal, dass ich hier war, war schon eine Ewigkeit her. Mindestens sechs Monate.


„Lass mich das tragen."
Chase nahm mir mein Gepäck aus der Hand und ging voraus. Wie ein kleiner Welpe trottete ich ihm hinterher. Ich konnte mich nur vage daran erinnern, welche Bereiche sich wo im Gebäude befanden. Wahrscheinlich wäre ich ohne Bree und Chase vollkommen aufgeschmissen gewesen.
Gerade den Weg, den Chase einschlug, hatte ich noch nie in meinem Leben gesehen. Gewesen war ich hier sicher noch nicht.
„Wo gehen wir hin?"
Chase lachte nur leise vor sich hin und antwortete, als wüsste er bereits auf was ich hinauswollte.
„Du glaubst doch nicht, dass du bei den anderen Schülern untergebracht wirst Ich will dich so nah bei mir haben wie möglich."


Ich folgte ihm also in einen ruhigen, mir unbekannten Bereich.
„Das hier ist der Bereich für die Mentoren. In diesem Flur leben Donald und Douglas. Und gegenüber auf der anderen Seite wir", erklärte er, während wir an einer Abzweigung die linke Option benutzten.
„Douglas hat extra ein Zimmer für dich und Skylar und eines für Oliver und Kaz vorbereitet."
„Und wo schläfst du und Bree?"
„Bei Adam und Leo. Dort stehen immer noch unsere Kapseln."
Ja, die Kapseln. Da war ja was.
Seufzend nickte ich.
„Was ist?"
Chase blieb stehen und schaute mich besorgt an.
„Ich habe mich nur daran erinnert, dass wir nie ein gemeinsames Bett haben werden."
Ich zwang mir ein leichtes Lächeln auf.
„Halb so wild."
Schnell wurde ich in seine Arme gezogen und einmal durchgeknuddelt.
„Ich denke, das könnten wir ändern."
Ich schaute neugierig zu ihm auf.
„Was? Mir wird schon was einfallen. Immerhin bin ich der schlauste Mensch der Welt."
Augenblicklich brach ich in Lachen aus. Es war schön zu sehen, dass er sich nicht geändert hatte.
„Komm, lass uns weitergehen", schmunzelte er und schob mich mit sich.


An meinem neuen Zimmer setzte er mich ab. Schnell stellte er noch mein Gepäck in den Raum, dann verabschiedete Chase sich. Er hatte wohl noch einiges zu tun. Ich würde mich also bis zum Abendessen alleine beschäftigen.
Erst einmal räumte ich meine Sachen in den Schrank. Da wir auf unbestimmte Zeit hier sein würden, war das durchaus sinnvoll.


Nach einigen Minuten öffnete sich die Tür und Bree kam herein. Mit einem lauten seufzen ließ sie sich auf mein Bett fallen.
Ich lachte leise und fragte sogleich: „Was ist los?"
„Ich verstecke mich vor Bob."
Verwirrt schaute ich zu ihr, dann setzte ich mich auf die Bettkante.
„Bob? Der kleine, süße Junge?"
Den Blick, den ich daraufhin bekam, sagte Ungläubigkeit aus.
„Bob rennt mir seit Jahren hinterher. Und ich werde ihn einfach nicht los:"
Leise lachte ich.
„Auch er wird älter. Irgendwann bist du ihn los."
„Na, wenn du das sagst..."
Sie schien nicht ganz überzeugt zu sein.


„Apropos hinterherrennen!", änderte Bree plötzlich das Thema.
„Was ist eigentlich mit Chase los? Der lässt dich ja gar nicht mehr aus den Augen."
Kurz überlegte ich, ob ich ihr es sagen sollte, entschied mich dann doch dagegen.
„Nichts. Wieso?"
„Er ist noch merkwürdiger drauf als sonst."
„Ist mir bisher noch nicht aufgefallen."
„Juna."
Bree schaute mich ziemlich streng an.
„Du bist eine wirklich schlechte Lügnerin."
„Ich lüge nicht."
„Oh, und ob du das tust. Du weißt, du kannst mir nichts vormachen."
Damit hatte sie wohl recht.
Ich seufzte.
„Okay, wenn du es unbedingt wissen willst..."
Meine Finger faltete ich in meinem Schoß, da ich nun doch etwas nervös wurde. Dann sah ich sie genau an, um ihre Reaktion zu beobachten.
„Also... Die Sache ist die..."
„Jetzt spann mich doch nicht so auf die Folter. Sag schon."
Sie lachte leise, doch als sie bemerkte, wie ernst ich plötzlich war, verstummte sie.
Ich atmete noch einmal durch, ehe ich damit herausplatzte.
„Ich bin schwanger."
Brees Augen wurden immer größer, als sie hörte, was ich sagte.
„Schwanger? Von meinem Bruder? Ew!"
Sie verzog ihr Gesicht, was mich letztendlich doch zum Lachen brachte.


Plötzlich ging die Tür auf und Skylar trat ein.
„Du bekommst ein Baby?"
Natürlich halte sie es mitbekommen. Wobei es mich nicht wundern würde, hätte sie auch einen Röntgenblick und es selbst herausgefunden.
Somit schmiss sich auch Skylar auf mein Bett.
„Warte!"
Bree und ich sahen sie an.
„Wer ist der Vater. Chase oder Kaz?"
„Chase natürlich! Wieso fragen das denn alle?"
Ungläubig schaute ich Skylar an.
„Dann hoffe ich, dass das Kind nach dir kommt. Eine Miniversion von meinem Bruder ertrage ich nämlich nicht."
Das brachte mich zum Lachen und auch Skylar stieg mit ein.
„Ich hoffe, es wird so schlau wie Chase!"
„Das wird nicht möglich sein. Chase ist nur schlau durch seinen Chip."
Schnell schüttelte ich den Kopf.
„Theoretisch muss er auch ohne ziemlich schlau sein. Schließlich lernt sein Gehirn dazu, jedes Mal, wenn er seine Fähigkeiten benutzt. Also, selbst wenn man den Chip entfernen würde, durch all die Jahre, die er ihn besaß, müsste sein IQ-"
„Okay, halt Stopp! Du hast definitiv zu viel Zeit mit ihm verbracht."
Lachend schaute ich beide an.
„Na gut, lasst uns essen gehen. Ich habe Hunger."
Ich konnte Skylars Aussage nur zustimmen. Also war unser nächstes Ziel die Kantine.


„Adam! Leo!"
Ich zog die Beiden in eine feste Umarmung, als ich sie sah.
„Du bist also immer noch mit Chase zusammen? Du bist aber schon ein Mensch, oder?"
Adam stupste in meine Wange, um dies sogleich zu testen.
„Adam!", ermahnte ihn sein jüngerer Bruder und zog mich von ihm.
In diesem Moment stieß auch der Rest des Teams zu uns.
„Hey", sagten Kaz und Oliver gleichzeitig, um uns alle zu begrüßen.
Doch sie waren nicht die letzten. Auch Douglas ließ sich blicken. Und er schien voller Vorfreude zu sein.
„Schön, dass ihr alle da seid. Bevor wir essen, möchte ich euch noch etwas zeigen."
Douglas war aufgeregter als sonst. Was hatte er angestellt?


Nachdem wir dem jüngeren Davenport Bruder durch die halbe Insel gefolgt waren, standen wir vor zwei großen Schiebetüren.
„Darf ich euch vorstellen..."
Er drückte auf einen Knopf und die Schiebetüren öffneten sich.
„Das Mighty Med!"
„Was?", hörte ich Oliver sagen.
Er trat vor, um als erster durch die Türen zu gehen. Dicht gefolgt von Kaz und Skylar.
„Willkommen im ersten Krankenhaus für Super- und bionische Helden."
„Sie haben alles wieder aufgebaut?"
Skylar schaute ungläubig durch die Gegend.
„Ich glaube es nicht."
Tatsächlich war das Krankenhaus schon in Betrieb. Pfleger und Ärzte liefen herum, schoben leere Liegen oder richteten Dinge her
„Wieso hat Davenport denn nichts gesagt?"
Kaz schaute zu Douglas, der freudig lachte.
„Es sollte eine Überraschung werden."


„Skylar? Kaz? Oliver?"
Eine mir unbekannte Stimme ertönte, weshalb ich mich umdrehte. Ein älterer Mann im weißen Kittel schaute zu unserer Gruppe.
„Horace!", rief Oliver und lief schnell zu dem mir Fremden.
Doch der Name war mir bekannt. Kaz und Skylar hatten von ihm erzählt. Er war der Superheld Caduceo, der legendäre Heiler der Helden.
„Onkel Horace! Dynamo hat schon wieder meine Tasse benutzt!"
Ja, an diesen weinerlichen Jungen konnte ich mich erinnern.
„Was machen die denn hier?"
„Ja, immer wieder schön dich zu sehen, Alan."
Oliver schien ziemlich begeistert ihn zu sehen. So triefte seine Stimme voller Sarkasmus.
„Sie haben also alles komplett neu aufgebaut?"
Skylar schaute fröhlich zu Douglas. Dieser nickte.
„Drüben im Sicherheitstrakt entsteht gerade das Mighty Max. Ab jetzt werden wir uns die Insel mit Superhelden teilen. Ohne, dass jemand davon wissen muss."
„Das ist unglaublich."
„Kaz? Oliver? Ich hoffe doch, dass ihr wieder hier arbeitet?"
Wir schauten alle zu Horace.
„Ja, auf jeden Fall!"
Während Kaz sich freute, schien es Oliver nicht so zu ergehen.
„Um hier arbeiten zu können, müssten wir das Team verlassen."
Olli schaute zu Kaz. Auch dessen Freude schwand aus seinem Gesicht.
„Ich muss das Angebot leider ablehnen."
Oliver lächelte Horace leicht an, ging dann einen Schritt zurück und stellte sich neben Skylar. Diese legte lächelnd eine Hand auf seine Schulter.
„Ich...", begann Kaz. „Muss darüber nachdenken."
„Warte, du erwägst wirklich das Team zu verlassen?"
Oliver schaute seinen besten Freund fassungslos an. Doch dieser sagte nichts dazu.
„Ich gebe dir morgen Bescheid, Horace", sagte Kaz, löste sich von unserer Gruppe und ging weiter in das neue Gebäude hinein.

Zwischen Bionic und SuperkräftenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt