9. Gefühle (Peter)

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„Peter?" hörte ich meine Tante von der Küche heraus rufen.
„Ich bin zu Hause, Tante May", antwortete ich und fuhr mir verunsichert durchs Haar.
Steph wusste, dass ich Spider-Man war und diese Tatsache machte mich nervös. Aber es war auch irgendwie befreiend. Dennoch schwang die Angst mit, ich könnte sie ebenfalls verlieren.
„Du kommst spät nach Hause", stellte May fest und linste vom Wohnzimmer hervor. „Steckt da etwa ein Mädchen dahinter?"
„Tante May", seufzte ich nur und mied ihren Blick.
„Erzähl mir von ihr", bat sie mich freundlich. Ich jedoch druckste herum.
„Sie geht in einige Kurse an der Uni", antwortete ich halbherzig.
„Wart ihr bis eben aus?" May konnte wirklich neugierig werden, dennoch zauberte mir ihre Bemerkung ein Lächeln ins Gesicht. „Das wird aber auch mal Zeit!"
„Was?", fragte ich verwirrt und blickte sie an.
„Du warst lange genug alleine, Peter. Ich kann verstehen, dass du Gwen vermisst, aber du musst auch nach vorne blicken", predigte sie mir.
„Ich weiß, Tante May", seufzte ich und nahm mir eine Saftflasche aus dem Kühlschrank. Wie gerne würde ich ihr sagen, dass ich Spider-Man bin, aber dann würde sie vollkommen ausflippen. Also behielt ich den Teil lieber für mich.
„Lad sie doch mal zu uns ein?", schlug May enthusiastisch vor und lächelte aufrichtig.
„Ich... ich frag sie", wollte ich ihren Wunsch erfüllen. Ich wusste sie war nun öfters alleine, also warum eigentlich nicht? „Ich frag sie", wiederholte ich und ging hoch in mein Zimmer. Da wir uns morgen wieder sahen, könnte ich sie doch da fragen, überlegte ich mir und setzte mich so auf mein Bett, dass mein Rücken an der Wand lehnte. Ich nahm mein Handy zur Hand und starrte auf ihre Nummer während ich überlegte sie anzurufen. Letztendlich schmiss ich mit einer flüssigen Handbewegung mein Handy zur Seite und legte mich gänzlich in mein Bett. An der Pinnwand gegenüber meines Bettes hingen noch immer Fotos. Eines von meinen Eltern und mir, wo ich gerade mal 5 Jahre alt war und eins mit Gwen, worauf ich eine Grimasse schnitt. Nein sie würde wollen, dass ich weiter machen würde und mein Leben lebte. Ich raffte mich wieder auf und schloss meine Kamera an meinem Laptop an und zog die Bilder vom Bonfire auf meine Festplatte. Dabei waren mehr Bilder von Steph dabei als vom Bonfire selbst. Ich lächelte und war froh, dass sie doch noch einwilligte sich fotografieren zu lassen. Irgendwann machte sich die Müdigkeit über mich her und ich beschloss es für heute sein zu lassen.

„In Manhattan wurde seit 5 Monaten die Ruhe beendet. Der Häftling Aleksei Sytsevich der aus dem Gefängnis, entkam hält Midtown nun in Angst und Schrecken", wurde ich an jenem Samstag morgen geweckt. Dann mal an die Arbeit, dachte ich mir und sprang aus dem Bett und schlüpfte in meinen Spidey Anzug. May war schon zu ihrer Schicht im Krankenhaus aufgebrochen. Noch schnell alltagstaugliche Klamotten in den Rucksack stopfen und schon schwang ich mich aus dem Zimmer. Wie immer war eine Menschenmenge versammelt um alles aus erster Reihe miterleben zu können. Ich würde es wohl nie verstehen warum.
„Nichts ist schöner als zu Hause", freute ich mich regelrecht und machte mich an die Arbeit. Ich nahm mir alles, was mir in die Finger fiel. Ich wurde zu Boden geworfen, verpasste aber auch Sytsevich eine ordentliche Abreibung. Auch wenn Rhino technisch gesehen mein stärkster Gegner bisher war, so wurde alles pulverisiert, durch Sytsevich. Was hatte Oscorp sich dabei nur gedacht?, fragte ich mich kopfschüttelnd und schoss ein paar Netze. Irgendwie war es tatsächlich wie nach Hause kommen, stellte ich fest und legte mich so richtig ins Zeug. Ich war wieder so in meinem Element, dass ich alles andere um mich ausblendete und meine Sinnen sich nur auf Rhino fokussierten. Den Dampf den ich dabei ablassen konnte, tat mehr als gut. Es war wie ein Ventil, das ich suchte und nun fand. Auch die Wut die sich seit Gwen's Tod aufstaute konnte ich frei raus lassen. Selbst als Sytsevich nicht mehr in seinem Panzer steckte wurden meine Schläge unkontrollierter. Hör auf Peter, hallte ihre Stimme in meinem Kopf wider und schlagartig hielt ich inne. Genau der Zeitpunkt, in denen die Cops kamen um Rhino festzunehmen.
„Danke", hörte ich den Cop sagen. Ich jedoch nickte nur und machte mich auch schon wieder aus den Staub. In einer ruhigen Ecke zog ich meine Alltagskleidung über und machte mich auf den Weg zu Steph. Sie schien noch arbeiten zu müssen, weswegen ich auf und ab tigerte.
„Hey", hörte ich sie rufen und sah sie die Stufen hinabkommen.
„Hey", antwortete ich und spürte das Lächeln auf meinem Gesicht, welches schlagartig verschwand, als ich das Pflaster auf ihrer Schläfe entdeckte.
„Was ist passiert?" Mein Beschützerinstinkt war geweckt und ich konnte nicht anders, als besorgt zu sein. Sie erklärte es mir mit aller Ruhe, was mich nur mäßig zufriedenstellte.
„Versprich mir, dass du dich künftig davon fern hältst", bat ich sie eindringlich.
„Peter ich kann nicht in die Zukunft sehen! Wenn ich da sein sollte, dann ist das purer Zufall", versicherte sie mir.
„Aber wenn doch, dann versprich mir, dass du gehst!" Da sie nicht weiter darauf einging, schien sie sich geschlagen zu geben. Ich erzählte ihr von der Einladung meiner Tante, dass sie bei uns sein konnte um nicht immer alleine zu sein, was sie weder ausschlug, aber auch nicht richtig annahm.
„Gut festhalten", ließ ich sie wissen, packte sie an der Hüfte, schoss ein Netz ab und schwang mit ihr zu unserem Rückzugsort. Ihr Gesicht vergrub sie währenddessen an meiner Schulter um ihren überraschten Aufschrei zu unterdrücken.
„Eine Vorwarnung wäre dankbar gewesen", bemerkte Steph und strich sich ihre Haare aus dem Gesicht.
„Hab ich dich nicht vorgewarnt?", zog ich sie auf, woraufhin sie mich auf den Arm boxte. Mit ihr fühlte es sich so leicht an. Wie damals bei Gwen. Bei Steph konnte ich den Alltag vergessen und im hier und jetzt sein. Wir schäkerten noch etwas herum. Ihr Lachen war süß. Als ich zu Steph blickte, lag ihr Blick auf meinem. Ich verspürte den Drang sie zu küssen. Als sie ihren Blick wieder abwenden wollte, hinderte ich sie daran und wieder sah ich in ihre braunen Augen. Steph rückte vorsichtig an mich, was mich schmunzeln ließ. Ich legte meine Stirn gegen ihre. Es ist okay, Peter. Du verdienst es glücklich zu sein, hörte ich wieder Gwen's Stimme in meinem Kopf. Als ich meinen Blick wieder hob, folgte mir Steph mit der Bewegung. Meine Hand ruhte die Zeit über auf ihrer Wange. Ein flüchtigen Blick später, drückte ich verhalten meine Lippen auf ihre. Sie waren so zart. Sobald ich ihre Hand in meinem Nacken spürte, intensivierte sich der Kuss und ich genoss ihn. Als ich mich jedoch löste, sah Steph schielend zu mir auf. Sie war verwirrt, was ihr unheimlich gut stand und ich nur zu gerne fotografieren würde.
„Es war doch okay?", fragte ich, nachdem sie mich fragte wofür er Kuss war. Ihr Nicken, ließ mich breiter grinsen. Letztlich schmiegte sie sich an mich und ich strich durch ihr milchbraunes Haar. Sie erzählte mir von ihrer Kollegin, die Spider-Man vergötterte und ich erzählte ihr von Max' Besessenheit. Ich genoss die Zeit mit ihr mehr als gedacht und langsam musste ich mir eingestehen, dass es mich erwischt hat. Diese Erkenntnis teilte ich mit Steph und sie bestätigte es ebenso. Es kam mir vor, als würde ich seit Monaten wieder leben können. Die Trauer kaum noch wahrnehmen. Es fühlte sich wie damals bei Gwen an. Aber auch hier stieg die Angst hoch, sie verlieren zu können. Captain George Stacy's Worte halten wieder in meinen Kopf nach, allerdings wollte ich Steph nicht beunruhigen. So schnell die Worte kamen, so schnell waren sie aber auch wieder verschwunden und ehe wir uns versahen, war es weit nach Mitternacht geworden. Tante May würde mich umbringen! Ich schwang sie bis zu ihrem Zimmerfenster, wo sie etwas unbeholfen einstieg. Während Steph sich aus dem Fenster beugte überkam mich der Drang erneut sie zu küssen. Allerdings ließ ich es bleiben. Stattdessen verabschiedeten wir uns und ich schwang mich in mein Zimmer.
Ich sollte es sie auch mal probieren lassen, überkam mich der Gedanke und sah auf meine Netzshooter. Ich wäre ja zumindest in ihrer Nähe. Ja, vielleicht, brachte ich meinen Gedanken zum Ende und machte mich ebenso bettfertig. Ob Steph schon schlief?, fragte ich mich und drehte mich zur Seite. Ich schmiegte meinen Kopf in mein Kissen und driftete langsam in den Schlaf ab.

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