-17- Von Karusellen und Kronen I

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Eine Weile saß ich dort, allein, den Umhang meiner Trauer um mich gewickelt. Sie war so vertraut, und doch anders als bisher. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie sich einzig und allein auf Olivia bezogen. Jetzt war sie auf verschiedene Personen aufgeteilt. Der Umhang war derselbe, aber es war ein neues Muster darauf gestickt worden.

Dennoch dauerte es nicht lange, bis ich die Trauer von mir streifte. An ihre Stelle traten andere Gedanken. Gedanken, die mir mittlerweile viel vertrauter waren als am Anfang unserer Reise. Auf die ich vorher vermutlich nie gekommen wäre.

Ich war hier. Die anderen nicht. Ich war in der Lage, sie alle zu retten, wenn ich auch nicht genau wusste, wie. Aber ich hatte eine Drachenschuppe in der Hand gehalten, konnte durch Gedanken kommunizieren und durch die Welten reisen. Meine Freunde konnten es nicht. Außer Sophie, und die war nicht mehr hier. Dieses Triumphgefühl, das langsam aber stetig in mir hochstieg, ließ sich nicht ignorieren.

Asir war nicht lange weg, gerade so lange wie ich brauchte, bis mein Verstand von dem hohen Ross gestiegen war. Ich wäre nicht besser als die alte Sophie, wenn ich Leute herabstufte, nur weil sie irgendetwas nicht waren oder nicht konnten. Ich war vielleicht in der Lage, Dinge zu tun, die sie nicht konnte, dafür war es umgekehrt genauso. Und genauso war es richtig. Nur so ergänzte man sich gegenseitig.

Asir kam mit Sirius zurück. Er trottete ihm mit leicht gesenktem Kopf hinterher. Ich erkannte, aus dem Augenwinkel, wie der schwarz-graue Rabe davonflog. „Die anderen Pferde haben sich aus dem Staub gemacht. Vermutlich durch den Kampflärm. Nur er hier war übrig."

„Er folgt uns wahrlich bis zum Ende...", murmelte ich zu mir selbst, als ich mich an die Worte der Frau aus dem Stall in Drosk erinnerte.

Dort, wo wir hingehen, brauchen wir nichts von dem. Aber ich dachte, solange wir noch hier sind, wären Decken, Essen und Trinken nicht das Schlechteste. Ich muss dir noch zeigen, wie das funktioniert. Der Gedanke kam nicht von mir. Während ich das hörte, befreite er den Haflinger von seiner Last.

Und wie? Was ist der Unterschied? So können wir uns auch unterhalten.

Er legte die Decken und den restlichen Proviant neben uns auf den Boden. „Das mag stimmen. Aber ich kann dir zeigen, wie du aktiv in die Gedanken von anderen kommst. Wenn du jetzt nicht lernst, es zu steuern, übernimmt diese Fähigkeit irgendwann die Kontrolle über dich. Dann wirst du alle Gedanken hören. Und das kann ich nicht empfehlen, davon bekommt man im besten Falle grauenhafte Kopfschmerzen." Er grinste. Nach allem, was passiert war. Das, was ich bei seiner Erzählung gespürt hatte, ließ mich darüber nachdenken, wie echt dieses Lächeln war. Eine lange Zeit hatte ich dieselbe Strategie verfolgt, vor Sorgen die Augen verschlossen und sie einfach weggelächelt. Bis es zu spät gewesen war. Das Lächeln verschwand. „Im schlimmsten Fall dreht man durch."

Kurz schien er seinen Gedanken nachzuhängen, ehe er fortfuhr. „Kennst du es, wenn du Menschen anschaust, und sie dich dann angucken, obwohl sie ganz woanders hingesehen haben?" Er legte den Kopf schief und wartete auf meine Antwort.

„Ja", sagte ich zögerlich. „Aber das ist nichts Besonderes."

Er nickte. „Das ist der Anfang. Eine Vorstufe davon, in ihren Kopf zu kommen. Und du hast recht, das ist soweit nichts Besonderes. Aber die meisten Menschen schauen dann, weil sie den Blick des anderen spüren. Manche wenige mögen zumindest unterbewusst die Verwebung der Gedanken mit dem anderen spüren. Ich weiß es auch nicht so genau. Bei allen, die mithilfe von Gedanken aktiv reden können, ist es etwas anderes. Sie schauen sich an, weil sie etwas in ihrem Kopf wahrnehmen. Du hast es sogar schon einmal geschafft. Als du nach Hilfe gerufen hast, da konnte ich dich hören. Aber es war mehr Glück als Können, dass dein Gedanke bis zu mir gekommen ist..."

Lihambra - Geheimnis der RabenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt