Kapitel 18

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Wincent:
Die ganze Nacht verbringen wir vor dem Lagerfeuer, an den Felsen, wo das Wasser noch immer über die grauen, mit Moos bewachsenen, Steine schwappt. Smilla hat recht. Ich habe mich nach ihren Worten, völlig in meinen Gefühlen verloren. Verloren in eine parallel Welt. Sie möchte mich in ihrem Leben haben. Für eine unbestimmte Zeit. Noch immer kann ich es kaum glauben, das sie dies um Mitternacht zu mir sagte. „Dein Song ist fertig." flüstert sie. „Deiner auch. Du hast genau so an diesem Kunstwerk mitgewirkt." wiederspreche ich ihren Worten. „Aber weißt du noch unser Versprechen?". Ich erinnere mich, an die ersten Worte, die wir gewechselt haben, als ich vor über einem Monat, an diesem Ort, die Idee für den Song, gehabt habe. „Mein Name wird nicht als Künstler fallen. Ich möchte das du die Karriere als Vollblutmusiker alleine gehst, ich glaube ich passe da nicht so gut rein, wie du." sagt sie. Vollblutmusiker. Mir wird augenblicklich warm ums Herz. Alles was ich je wollte. Alles was ich mir je erträumt habe. Smilla lächelt. Aber noch nie hat mir ihr Lächeln so viel bedeutet, wie in diesem Augenblick. „Bring den Song für uns bis an die Spitze, Wincent." „Ich bring den Song für uns ganz nach oben." Ganz nach oben. In diesem Moment fällt mir Leif wieder ein. Nach ganz oben. Bis zu ihm.
Wir sitzen noch lange am Wasser, bis uns die beißende Kälte einholt, wir bis durch unsere Felljacken durchgefroren sind und blaue Lippen unsere Gesichter zieren.
„Es fühlt sich fast so an, als ob sich die Ereignisse wiederholen." „was meinst du?" „Erinnerst du dich? Als du mich hier rein gebeten hast. Ich wäre noch länger, dieser Eisens Kälte ausgesetzt, wärst du damals nicht gekommen Smilla. Es war wie ein Wunder schon fast, finde ich. Ich glaube irgendwie an Wunder. Glaube ich." sage ich und verliere mich erneut in einem derart großen Gefühlschaos, das ich es kaum Händeln kann. Smilla tritt näher an mich und streicht mit ihren himmelzarten Fingern über die Wange. „Ich erinnere mich an jede einzelne Szene Wincent. Und weißt du? Ich bereue es kein Stück. Ich bereue überhaupt nichts. Das einzige wo die Reue mich im Griff hat, ist das Grab von ihm." sie zeigt auf die Blätter, die ich vor ein paar Tagen, schon einmal begutachten durfte. „Du Wincent?." fragt Smilla sachte. „Ja?" „Wenn es ‚wenn mir die Worte fehlen' bis ganz nach oben schafft, glaube ich, können wir unsere Reime in richtige Songs verwandeln. Wir wissen doch jetzt wie das geht nicht wahr?" lächelt sie. „Zu ehren von Leif." „zu ehren von ihm." sage ich und in mir erwärmt sich alles. Alles voller Freude, Leichtigkeit, aber dennoch jede Menge trauer, wenn wir gemeinsam auf seine und Smillas Werke blicken.
„In drei Tagen kommt meine Familie, um dir ein besonders schönes Weihnachtsfest zu bescheren.." flüstere ich, und wir sehen gemeinsam den Schneeflocken zu, die draußen die Terrasse, in ein kleines Schneebett verwandeln. Smillas Hand liegt dabei warm eingebettet in meiner.

Wenn die Wellen toben / wincent weiss ff Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt