Nervös stieg ich die Stufen hinauf und klingelte. Unruhig wippte ich von einem Fuß auf den anderen. Mit dem Rücken stand ich zur Tür und drehte mich um, als Peter diese öffnete.
„Hey", hauchte ich verlegen und spürte die Röte in meine Wangen steigen.
„Hi", tat er es mir gleich. „Äh komm rein", bat er mich und kratzte sich verlegen am Kopf.
„Danke", lächelte ich und trat über die Schwelle. Das Haus war sehr gemütlich eingerichtet. Fast so wie bei uns. Im Flur schlüpfte ich aus meinen Schuhen und sah mich erstmal um.
„Möchtest du... möchtest du was trinken?", fragte er und ging vor Richtung Küche. „Wir haben Wasser, Saft."
„Ein Wasser wäre nett", meinte ich eingeschüchtert und hielt meinen Laptop vor meinem Bauch, an den ich mich buchstäblich klammerte um etwas Halt zu finden. Peter holte ein Glas aus dem Schrank und füllte es mit frischen Leitungswasser. Wieder dankte ich und nahm es ihm ab.
„Okay. Also. Hier lebe ich. Mit meiner Tante", meinte er und war genauso hilflos wie ich.
„Es ist sehr gemütlich", stellte ich fest.
„Ja das ist es", lächelte er. Peter lehnte sich an die Anrichte. Ich hingegen stand mitten im Raum wie bestellt und nicht abgeholt.
„Deine Tante ist nicht da?" fragte ich.
„Oh nein sie ist im Krankenhaus", sagte er. „Zum arbeiten", ergänzte er hastig.
„Ah. Okay. Verstehe", meinte ich und kaute an meinen Lippen herum.
„Tut mir leid, ich weiß das muss komisch auf dich wirken, aber... es war noch niemand hier", klärte er mich entschuldigend auf.
„Ja geht mir genauso", teilte ich seine Erfahrung und lachte nervös auf.
„Okay", lächelte er, stieß sich von der Küchenzeile ab und zeigte mir den Weg nach oben. Währenddessen kamen wir an diversen Bildern vorbei. Unter anderem auch an einem von May und Ben.
„Das ist dein Onkel, richtig?" meinte ich und blieb davor stehen.
„Onkel Ben, ja", bestätigte er meine Vermutung. „Ich vermisse ihn."
„Kann ich verstehen", sprach ich mitfühlend.
Ich schloss zu ihm auf und stand wenige Augenblicke später in seinem Zimmer. Nur das nötigste stand darin. Schreibtisch, Kleiderschrank, Bett und ein kleiner Fernseher. An den Wänden hingen diverse Poster. Es war jugendlich eingerichtet. Ich lächelte sanft. Da außer wir keiner zu Hause war, blieb die Tür offen stehen. Auf seinem Schreibtisch legte ich meinen Laptop sowie das Glas Wasser ab.
„Du hast es ziemlich gemütlich", bemerkte ich und wandte mich an Pete.
„Danke", meinte er. Ich lächelte weiterhin.
„Okay. Dann zeig mir die Bilder", war ich voller Tatendrang und klatschte in die Hände.
„Oh. Ja. Richtig", sprach er als wüsste er nicht, wovon ich reden würde.
„Du bist wirklich verpeilt, Parker", lachte ich amüsiert.
„Achja? Findest du?"
„Total", entgegnete ich. Mit einem seiner Netze zog er seinen und dann meinen Laptop zu sich und machten es uns auf dem Boden bequem. Typisch jugendlich eben.
„Ich sollte mir auch welche zulegen", bemerkte ich und deutete auf seine Netzshooter.
„Ja sie sind ganz praktisch", bejahte er. Wir starteten unsere Computer. Peter nahm seine Speicherkarte aus der Kamera, welche ich ins Slot steckte damit ich die Bilder sichten konnte. Zu meiner Überraschung waren doch ein paar vom Bonfire drauf.
„Oh", meinte ich daher nur. „Hätte nicht gedacht, dass ein paar Bilder drauf sein würden."
„Ja ich hab die Zeit genutzt, als du mit Flash gesprochen hast." es klang als wollte er mir beweisen, dass ich nicht unter einem anderen Vorwand gekommen wäre.
„Dann mal los", sprach ich und sah mir die Bilder an. Ich zog mir nur die brauchbaren Motive auf den Desktop und öffnete meine Programme. Routiniert bearbeitete ich jedes Bild individuell.
„Schau mal ob sie dir so gefallen", bat ich ihn und drehte das Gerät zu ihm. Mit gerunzelter Stirn sah sich Peter jedes Bild an.
„Das ist... das ist perfekt", lobte er und sah mich an.
„Danke Mr. Parker", nahm ich sein Kompliment an und zog die bearbeiteten Bilder in eine Datei, welche ich Peter übermittelte. „Das war's", meinte ich letztlich und fuhr den Laptop wieder runter.
„Du bist fantastisch."
„Kleinigkeiten", winkte ich bedeutungslos ab und setzte mich aufs Bett.
„Nein wirklich", beharrte er weiter. „Du hast es drauf."
„Es ist nur ein Hobby", erinnerte ich ihn und legte meinen Kopf ein wenig schief.
„Mit dem du es sehr weit bringen könntest."
„Wenn ich wollte, ja", behielt ich ihn auf den Boden der Tatsachen.
„Mach was draus, Steph."
„Ich mach erstmal meine Uni", priorisierte ich. Peter lachte und schüttelte seinen Kopf.
„Du kannst wirklich dickköpfig sein, weißt du das eigentlich?", lachte Pete.
„Ist mein 2. Vorname. Wusstest du das etwa nicht?" witzelte ich und sah ihn belustigt an.
„Hast du noch Zeit oder musst du zurück?", wollte er wissen. Mit der Frage war ich schon etwas überfordert. Wollte er das ich blieb, oder dass ich ging.
„Es ist Sonntag. Ich hab genügend Zeit", tat ich kund.
„Kann... kann ich dir etwas zeigen?" fragte er verunsichert.
„Du kannst mir alles zeigen, was du möchtest, Peter." Sofort stand er auf und holte eine alte kleine Kiste hervor, welche er zu mir brachte.
„Was ist das?" fragte ich neugierig und erblickte die braune Aktentasche mit den Initialen RP darauf.
„Meine Vergangenheit", meinte er kurzbündig und sah mich an. Vorsichtig hob ich die Aktentasche runter. Ich positionierte mich auf dem Bett um, sodass mein rechtes Knie nun auf dem Laken lag. „Sachen von... meinen Eltern und... Gwen", ließ er mich teilhaben. „Ich hab gedacht, wenn ich es in eine Kiste räume, könnte ich abschließen, aber irgendwie kann ich es nicht", vertraute er sich mir an.
„Und was möchtest du machen?" fragte ich ihn leise und sah mir das Familienfoto mit seinen Eltern an. Sie waren ein hübsches Paar und klein Peter wirklich zuckersüß.
„Ich weiß es nicht", meinte er ratlos und begann im Zimmer auf und ab zu tigern.
„Die Sachen in die Kiste zu räumen, ist doch schon mal ein Anfang. Es ist nichts schlimmes daran, sich das immer mal wieder anzuschauen", wollte ich ihn trösten.
„Und doch hab ich ein schlechtes Gewissen. Tante May meinte, es wäre okay. Es wäre okay." Ich stand auf und nahm Peter in meine Arme.
„Dann hör auf sie", gab ich ihm mit. „Aber sei nicht mehr nur in der Vergangenheit. Das kann die Zukunft nämlich vergiften und am Ende ist man auf sich alleine gestellt." Peter sah zu mir hinab und ich zu ihm auf. „Es ist schwer, dass kann ich nachvollziehen und ich seh deinen Zwiespalt. Aber weder deine Eltern noch Gwen hätten gewollt, dass du in der Vergangenheit lebst." Das brachte ihn zum Lächeln.
„Das hat May auch gesagt", meinte er nur.
„Dann hör auf sie", sprach ich und ließ meine Hände wieder sinken. „Hast du schon mal mit irgendjemanden darüber gesprochen?", wollte ich wissen.
„Nein", verneinte er und schüttelte seinen Kopf. „Mit... mit niemanden."
„Okay", sprach ich und setzte mich wieder zurück aufs Bett. „Dann holen wir das nun nach. Du redest und ich hör zu. Ganz einfach."
„Worüber?", fragte er verzweifelt.
„Über alles! Deine Eltern, Gwen, Onkel Ben", zählte ich ihm auf. „Ich hab den ganzen Tag Zeit." Ich warf ihm einen Blick zu, der keine Widerrede duldete. In seinem Bett machte ich etwas Platz sodass er sich zu mir setzen konnte. Wir beide lehnten uns mit dem Rücken an die Wand.
„Onkel Ben starb in der Nacht, weil ich ausgerissen war. Mir hat seine Moralpredigt nicht gepasst und bin gleich wieder abgehauen. Das war kurz nachdem ich von der Spinne gebissen wurde. Alles war so empfindlich und ungewohnt. Ich hörte wie Ben nach mir rief, aber ich wollte einfach nur weg. Bei einem offenen Depot kletterte ich auf die Eisenstreben und sah Ben unter mir vorbei laufen. Ich... ich antwortete ihm nicht." Die Schuldgefühle waren deutlich herauszuhören und ich bekam Mitleid mit Peter. Aber ich ließ ihn reden, ließ ihn spüren, dass ich bei ihm war. „Als ich wieder nach Hause wollte, hörte ich den Schuss. Ich bin zurück und sah Onkel Ben blutend auf dem Gehweg liegen." Peter pausierte und fuhr sich mit den Händen über sein Gesicht. „Wäre ich nicht abgehauen, würde er noch leben." Seine Stimme wurde brüchig und ich sah, dass seine Augen glasiger wurden.
„Peter, es hat keiner wissen können, dass der Abend so enden würde. Hättest du es gewusst, dann wärst du auch nicht weggelaufen", tröstete ich ihn und sah zu ihm. „Dich trifft keine Schuld, okay. Es ist zur falschen Zeit am falschen Ort passiert."
Vorsichtig legte ich meine Hand auf seine Wange und dirigierte diese so, dass auch er mich ansah. Parkers Augen waren gerötet und seine Lippen bebten. Schließlich holte er tief Luft und atmete ebenso tief wieder aus. „Bei... Gwen. Ich hab sie nicht retten können", hauchte er und ballte seine Hand zur Faust, welche bis eben noch lässig auf seinem Knie lag.
„Manchmal wünschte ich, ich hätte es ihr nie gezeigt, dass ich Spider-Man bin", warf er sich selbst vor.
„Weil du denkst, wenn sie es nicht gewusst hätte, wäre sie ebenfalls noch am Leben?"
Peter bejahte meine Frage mit einem Nicken. Für einen kurzen Augenblick lächelte er, als würde er an jenen Abend zurückdenken.
„Ich hatte mich an dem Abend dazu entschieden mit ihr nach London zu gehen. Sie war auf dem College in Oxford angenommen worden. Aber Max legte die Stadt in die Dunkelheit und dann tauchte Harry auf, der sauer war, weil ich ihm mein Blut nicht geben wollte."
„Warum brauchte er dein Blut?", fragte ich verwirrt und legte meine Stirn in Falten.
„Er war zum Sterben verurteilt. Er dachte, dass mein Blut ihn heilen würde." Er sah zu mir und in meinem Kopf ratterte es.
„Du meinst wegen den Genmodifizierten Hausspinnen, die dein Vater und Connors gezüchtet haben?" Wieder nickte Peter und bejahte meine Frage. „Aber dann hat Harry gewusst, dass du Spider-Man bist", resultierte ich und verstand gerade wirklich nur Bahnhof.
„Harry war nie dumm. Er hat, genauso wie du, die Gleichung gelöst."
„Das ist... next level", meinte ich fassungslos und sah auf die Wand rechts neben Peter.
„Harry war wütend auf mich und... letztendlich konnte ich Gwen nicht mehr retten. Sie musste sterben... weil sie wusste... das ich Spider-Man war. Hätte ich den Mund gehalten, wäre das alles niemals passiert." Der Schmerz in seiner Stimme brach mir das Herz und plötzlich fragte ich mich, ob er überhaupt bereit für etwas Neues war. Instinktiv, zog ich meine Hand weg und war verunsichert.
„Wenn du es nicht gesagt hättest, wäre es früher oder später so oder so ans Licht gekommen. Meine Oma pflegt immer zu sagen ,Es ist nie etwas zu fein gesponnen um unentdeckt zu bleiben.'", zitierte ich sie und die Pointe war irgendwie amüsant.
„Gesponnen ja?", grinste Peter ein wenig, was mich freute.
„Ja es ist von einem Spinnennetz abgeleitet", verteidigte ich mich und rümpfte die Nase. „Aber ganz im Ernst Peter, du hast daran absolut keine Schuld! Es waren... falsche Zeitpunkte an den falschen Orten. Weder Onkel Ben noch Gwen hätten gewollt, dass du dich von den Schuldgefühlen zerfressen lässt", wollte ich ihm verklickern.
„Ja das sagte Tante May auch", lächelte er sanft
„Dann höre auch auf die", meinte ich mitfühlend und krabbelte zur Bettkante vor.
„Hab ich dich verschreckt?", wollte Peter wissen und wischte sich mit dem Handrücken über die Nase.
„Ich möchte nur etwas trinken", nahm ich als Vorwand und trank tatsächlich ein paar Schlucke.
„Was ist los, Steph?" Seine Stimme war besorgt und das brachte alles in meinem Kopf durcheinander. Ich schwieg jedoch und drehte das Glas in meiner Hand. „Was ist los, Steph!", wiederholte er mit etwas Nachdruck. Nachdem er sich mit öffnete, war ich es ihm schuldig, das selbige zu tun.
Vorsichtig nahm er mir das Glas aus der Hand und stellte es zurück auf seinem Schreibtisch.
„Peter... ich", stotterte ich herum und wich seinem Blick aus. „Ich hab den Schmerz in deiner Stimme gehört, als du von... Gwen sprachst. Daran weiß ich, dass du sie sehr geliebt hast."
„Aber!", drängte er weiter.
„Aber ich frage mich, ob du wirklich schon für etwas Neues bereit bist, Peter", antwortete ich langsam und zögerlich. Diesmal waren es meine Augen die glasig wurden.
„Gwen werde ich immer auf die eine Art und Weiße lieben", meinte er. „Aber du bist die Realität. Meine Liebe zu dir ist anders. Auf eine positive Art. Tante May sagte auch, dass jede Liebe anders ist aber deswegen nicht gleich aufrichtig ist." Wow, jetzt wollte ich May nur noch schneller kennenlernen.
„Okay", sprach ich und kämpfte mir ein Lächeln ab. Vorsichtig strich Peter mir seinen Daumen über meine Wangen und fing somit die Tränen auf. „Danke. Dass du es mir erzählt hast", lächelte ich ein wenig aufrichtiger und betrete meinen Kopf an seine Brust wobei ich meine Augen schloss.
„Verstehst du jetzt, warum ich nicht möchte, dass du dich in Gefahr bedienst?" Besser als er dachte. Ich nickte nur, wollte nichts sagen.
„Aber deine Tante möchte ich jetzt umso mehr kennenlernen", lächelte ich sanft als ich die Stille durchbrach.
„Du kannst ja zum Abendessen bleiben, wenn du möchtest", bot er mir an.
„So gerne ich auch würde, aber seit dem Angriff von Rhino möchte meine Oma, dass ich bei der Dämmerung zu Hause bin", seufzte ich auf.
„Sie würde sich gut mit Tante May verstehen", lachte Peter amüsiert auf und hielt mich in seinen Armen.
„Ja ganz bestimmt", schmunzelte ich und schmiegte mich enger an ihn.
„Mir kam da ein Gedanke", begann er seinen Satz und löste sich von mir. Misstrauisch beobachtete ich meine große kleine Spinne. Er nahm eines seiner Armmanschetten ab und drückte sie mir in die Hand. Etwas verdaddert nahm ich es an und musterte es akribisch.
„Wie viele Meter an Netzen passt da denn bitte rein? Das ist so klein", bemerkte ich und kniff ein wenig meine Augen zusammen.
„Ach so einiges", bemerkte er beiläufig und stellte sich hinter mich. „Probier's mal aus", forderte er mich auf.
„Was?" fuhr ich herum und sah ihn erstaunt an.
„Probier's aus", wiederholte er und legte mir die Manschette um.
„Ist das dein Ernst?" wollte ich ganz genau wissen.
„Klar." Sanft nahm er meine Hand in seine und hob diese an. „Du musst einfach nur mit deinem Finger auf den Auslöser kommen. Es ist ganz einfach", ermutigte er mich und blieb hinter mir stehen. Peter behielt meine Hand in seiner. Wie eine Prothese schloss er Mittel- und Ringfinger, bis meine Fingerkuppe den Auslöser betätigte und das Netz nur so herausschoss.
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ActionStephanie Burke ist eine 22-jährige Studentin. Nebenbei arbeitet sie im American Museum of Natural History und lebt noch bei ihren Großeltern. Doch bald wird ihr Leben gewaltig auf den Kopf gestellt... Das Urheberrecht der Charaktere und Unternehmen...