In der Früh traf ich in der Tiefgarage bei den Aufzügen auf Rosie. Sie sah fertig aus, als hätte sie die Nacht kein Auge zugetan.
Am Strohhalm meines Iced Americanos schlürfte ich, während wir gemeinsam einstiegen. Drückten zeitgleich. Allerdings unterschiedliche Knöpfe.
Gähnend ließ Rosie sich gegen die Metallverkleidung sinken. Guckte hinauf zur wechselnden Stockwerksnummer. Ehe ich etwas sagte, verließ sie den Lift. Vermutlich hatte es nichts mit mir zu tun, aber etwas in mir sagte, dass sie mich nicht mehr mochte. Seit gestern Nachmittag schmerzte mich ihre Ablehnung. Dazu hatte ich nicht gut geschlafen; in jeder Traumphase war ich Seung Jae begegnet. Außerdem hatten mir die vermeintlichen Kameras keine ruhige Minute gelassen. Wenn sich meine Vermutung bestätigte, war ich mir sicher, dass Seung Jae's Verschwinden mit der koreanischen Mafia zusammenhing. In diesen Ermittlungen steckten wir so weit in der Dunkelheit, dass sich nirgendswo ein Licht befand. Alles war so frustrierend.
Obwohl es mir unter den Fingernägeln juckte, ging ich trotzdem zuerst ins Büro. Startete meinen PC, bewässerte Seo Juns Kakteen, die kurz vorm Exodus standen. Auf dem Drehstuhl nahm ich Platz und navigierte mich mithilfe paar Mausklicks durch die Bedienoberfläche. Das Update kam mir gelegen, so konnte ich ins Archiv gehen.
Im Gang grüßte ich Jae Min, dessen Hand ich rechtzeitig entwischte. Auf Smalltalk war ich nicht scharf. Um ins untere Stockwerk zu gelangen, nutzte ich die Treppen. Fast rannte ich hinunter, beflügelt von meiner Eingebung.
Gegen die Klinke hielt ich meine Schlüsselkarte und drückte die Tür ein. Ich wühlte mich durch einen Haufen an Kisten, bis ich den Ringhefter zwischen zwei Ordnern fand. Blätterte die Seiten auf. Da. Dort prangte es. Der Ausdruck der forensischen Ergebnisse. Mit dem Unterschied, dass der junge Mann bereits als Prostituierter im Bordell gearbeitet hatte. Dennoch hatten sie zuvor Kameras in seinem Apartment installiert. Genau betrachtete ich die kleinen, runden Kameras. Zwar war das Foto stark verpixelt, trotzdem hatten sie eine Ähnlichkeit zu den Kameras, welche Hyun Jae gefunden hatte.
Zusammen mit dem Hefter kehrte ich ins Büro zurück. Seo Jun starrte zu den Kakteen, dann sah er mich an.
>> Du bist ein Schatz <<, sagte dieser, fiel mir um den Hals. >> Was würden die Pflanzen ohne dich tun? <<
Sterben, erwiderte ich in Gedanken, doch ich schwieg. Befreite mich stattdessen aus seiner Umarmung.
Schmollend musterte er mich, verschränkte die Arme vor der Brust. Was ihm gerade durch den Kopf ging, konnte ich nicht abschätzen. Irgendwie wollte ich es nicht wissen, denn sein Ausdruck wich einem Lächeln.
>> Du bist- <<
Was ich war, erfuhr ich nicht, da kurzer Zeit später Yun Ho den Kopf ins Büro reckte. Sein übliches Meeting murmelte und verschwand. Mit einem Augenrollen bedachte mich Seo Jun, folgte mir dennoch hinaus auf den Flur. In diesem stießen wir auf Seung Hoon und Jae Min, welcher prompt den Arm um meine Taille schlang. Dann seufzte er.
>> Ich bin echt neidisch auf die Person, die du datest <<, sagte dieser, >> Stellt euch mal vor, ihr wacht neben diesem Schönling auf. <<
Aus seiner Umarmung rettete ich mich.
>> Bin echt nicht sicher, ob du mit mir flirtest oder dich über mich lustig machst. <<
Im Augenwinkel machte ich sein Zwinkern aus, gefolgt von einem Grinsen.
>> Suchs dir aus <<, flüsterte Jae Min in einer Tonlage, die vermutlich verschwörerisch klingen sollte.
Kopfschüttelnd tat ich seinen Vorschlag ab und ließ mich mit Seo Jun zurückfallen. Beobachtete, wie beide an uns vorbeiwatschelten.
>> Alles oke? <<, hörte ich neben mir.
Ich sah ihn nicht an. Ob sich Seo Jun Sorgen machte, wollte ich nicht wissen. Aus Reflex nickte ich und hoffte, dass seine Frage damit gegessen war. Allerdings spürte ich seinen Blick auf mir, bis wir den Besprechungsraum erreichten.
Lediglich Yun Ho, Seung Hoon und Jae Min hatten sich in diesem eingefunden. Auf meinem üblichen Stuhl ließ ich mich nieder und legte Ringhefter und Drohbotschaft auf den Tisch.
>> Wir warten noch <<, sagte Yun Ho. Emsig wischte dieser über sein Handy und hob es sich anschließend ans Ohr. >> Ja? <<
Er richtete sich auf und verließ den Raum mit einem Verkalkuliert?
Gegenseitig starrten wir uns an, bevor es Seung Hoon nicht mehr aushielt und jeden nach seinem Wochenende ausquetschte. Jae Min quasselte ihn voll, wofür ich ihm einesteils dankbar, doch ganz so interessiert war ich an seinen neuen Playstationspielen nicht. Mir tat Seung Hoon leid, der bei jedem Satz gezwungen war, aufmerksam zu nicken. Wunderte mich weniger, dass dieser aufsprang, sobald Hyun Jae und Yong Gi eintrafen. Neben mir nahm er Platz und schenkte mir einen vielsagenden Blick. Mithilfe eines Tätschelns seiner Hand versuchte ich ihm, mein Mitleid auszudrücken.
Dann kehrte auch Yun Ho zurück, der unzufriedener wirkte als zuvor.
>> Mir fehlt... <<, faselte dieser. Im selben Augenblick huschte Rosie hinein, guckte sich hektisch um und zerrte ihren Scrunchie aus den Haaren. Dass Seung Hoon sie anstarrte, entging mir nicht. War er-
>> Sorry <<, murmelte Rosie. Sichtlich außer Puste. >> Der Weg ist doch etwas weiter, als ich jedes Mal denke. <<
Sie scheuchte Seung Hoon einen Stuhl weiter und ließ sich auf diesen neben mir sinken. Ein gepresstes Lächeln schenkte sie mir, welches unterhalb einer Sekunde schwand.
>> Gut <<, schloss Yun Ho, während er sich setzte, >> Dann sind wir vollzählig und können mit unserer- << Gestresst guckte er sich in der Runde um, deutete mit einer Geste zu Rosie. >> Dr Gawain, starten Sie bitte. <<
Sie nickte und entnahm mehrere Dokumente ihrer mitgebrachten Mappe. Eines der Blätter schob Rosie in die Mitte des Tischs.
>> Ich hatte die Spritze auf DNA-Spuren untersucht und eine wilde Mischung aus Irisch, Schottisch, Deutsch und Koreanisch erhalten. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es sich hierbei um Park Seung Jae handelt. Faserspuren hatte ich leider nicht gefunden, nur Rückstände vom Wasser. Allerdings- << Ihr zweites Dokument legte sie aufs Erste. >> habe ich im Behälter mehrere betäubende Substanzen gefunden. Die Leute, die ihn entführt haben, wollten zu Hundertprozent sicher sein, dass er bewusstlos ist. << Rosie zuckte die Achseln. >> Zuerst dachte ich, sie hätten keine Ahnung von Betäubungsmitteln und hätten alles reingeschmissen, was sie so haben, bis ich mir das Verhältnis genauer angeschaut hatte. Mit einem gewissen System sind sie schon vorangegangen. Zwar ohne jegliches pharmazeutische Hintergrundwissen, da die Mengen doch ein wenig willkürlich wirken, trotzdem scheinen sie die Dosis zu kennen. Worauf ich schließe, dass sie das bestimmt mehr als einmal getan haben. <<
Langsam nickte Yun Ho. Schien genauer über ihre Worte nachzudenken, ehe er sich die Berichte schnappte. Dann wandte er sich an Hyun Jae. Beinahe aufgeregt wirkte dieser, wie ein kleiner quirliger Grundschüler, der seinen Eltern eine gute Note präsentieren wollte. Mit Sicherheit hatte er News. Wenn er neuen Input hatte, verhielt er sich immer so.
>> Die Agency hat mir per Mail geantwortet <<, begann Hyun Jae. >> Tatsächlich gab es nach dem Paris-Job einen Managerwechsel. Die Agency meinte, sein eigentlicher Manager hatte sich nach der Rückkehr aus Paris krankgemeldet. Wie der Ersatz hieß, stand nicht in der Mail. <<
So erfreut, wie Yun Ho zuvor gewesen war, desto größer stand nun seine Enttäuschung im Gesicht. Mehrmals blinzelte dieser und schien einem Wutanfall nahe. Mit jeglicher Kraft umklammerte er sein Handy, denn seine Knöchel traten weiß hervor.
Auf Hyun Jaes Wangen traten rosa Flecke, die sich über sein gesamtes Gesicht verteilten.
>> Natürlich kann ich- Ich werde nachfragen. <<
>> Mhm <<, machte Yun Ho, >> Das denke ich auch. <<
Dann guckte er mich an. Automatisch zuckte ich zusammen; ein gereizter Yun Ho war unberechenbar.
>> Zwei Dinge <<, begann ich. >> Ich hab mit meinem Vater gesprochen und er hat mir dies mitgegeben. << In die Mitte schob ich die Drohbotschaft, welche Yun Ho sofort an sich riss. >> Er meinte, er hatte dem keine Aufmerksamkeit geschenkt, weil die Agency fast tagtäglich solche Nachrichten von verrückten Fans bekommt. << Einen Augenblick wartete ich ab, doch Yun Ho schwieg. >> Ich hab gefragt, ob er sonst noch was weiß, aber das hatte er verneint. <<
Etwas gefiel Yun Ho nicht, das erkannte ich an seinem Gesichtsausdruck. Irgendwas dachte er.
>> Aber- << Prompt sah er auf, sobald ich sprach. >> mir kommt es komisch vor, dass er genau den Zettel aufgehoben hat. Ich- Irgendwie- Ich versuchte nicht, meinen Vater in Schutz zu nehmen. Ich hatte ihn noch gefragt, ob er sonst noch etwas wüsste, aber das hatte er, wie schon gesagt, verneint. <<
Keine Ahnung, woher meine plötzliche Nervosität kam, trotzdem hatte ich auf einmal das Gefühl, mich rechtfertigen zu müssen.
Als Yun Ho nicht mehr auf den Zettel einging, legte ich den Hefter in die Mitte.
>> Wir hatten in Park Seung Jae's Apartment Kameras gefunden. Wenn mich nichts täuscht, sehen die so aus wie die, welche wir auch bei dem toten Prostituierten gefunden hatten. Vielleicht- <<
Bei Yun Hos Blick verstummte ich. Er war heute in gar keiner guten Verfassung.
>> Min Woo << Seine kühle Stimme verursachte eine eklige Gänsehaut über meinem gesamten Körper. >> Das sind Kameras, die findet man überall. Wenn du schon sowas anschleppst, dann bitte mit Beweisen und nein, ein Bauchgefühl zählt nicht. Denn ein Bauchgefühl bringt uns kein Durchsuchungsbefehl ein und das habe ich dir auch schon öfter gesagt. <<
Schlicht nickte ich. Schaute gen Boden und sah erst wieder auf, als ich Yun Hos Blick nicht mehr auf mir spürte.
>> Die Presse verlangt einen aktuellen Stand der Ermittlung <<, sagte dieser. >> Ich hätte vorgeschlagen, dass wir mit den derzeitigen Beweisen einen Suizid ausschließen? <<
Yong Gis Nicken nahm er als Zustimmung, denn daraufhin verschwand er telefonierend.
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Detective Jeong - Lost Traces
غموض / إثارةSeit sechs Monaten wird Schauspieler Park Seung Jae vermisst. Da die Polizei am Ende ihrer Möglichkeiten steht, landet der Fall schließlich bei Jeong Min Woo und seinem Team aus Kriminalisten. Je weiter die Ermittlungen voranschreiten, desto verzwic...