,,Du musst ihn ablenken! Na los versuch es nochmal.'' Die Stimme meines Lehrers hallte durch den Trainingsraum und gab mir Kraft. Ich sprang auf und rannte auf ihn zu. Meine rechte Hand wanderte auf seine rechte Gesichtshälfte und mit der linken Hand, drehte ich seinen Arm ein. Es war kein Problem für ihn, sich von mir los zu reißen. Doch er rechnete nicht damit, dass ich ihn, als er mich gerade in den Griff nehmen wollte, meine Füße in die Kniekehle schlug. Überrascht knickte er weg. Diesen Moment nutzte ich, um ihn von hinten fest zu halten, auf den Boden zu stoßen und meinen Schuh an seinem Hals zu platzieren. Natürlich nicht fest. Nur so dass er nicht weg kam. Er lächelte stolz und ich zog mein Bein zurück.
,,Genau so meinte ich das.'', sagte er mit einem Grinsen. Plötzlich fing er an zu husten. Er erhob sich und ich folgte ihm zurück in die kleine Küche. Er gab mir einen Zettel mit verschiedenen Zutaten. ,,Besorge mir bitte diese Zutaten. Ich möchte einen Saft mischen, denn ich glaube ich habe mich letzten Mittwoch als es so stark geregnet hat, erkältet.''
Wie er mir befohlen hatte, ging ich also auf den Markt. Glücklicherweise war dieser heute nämlich. Ich hätte ihm auch im Supermarkt etwas besorgen können, aber das wäre schwerer geworden. Nicht unmöglich aber schwerer. Natürlich hatte ich im Supermarkt schon oft Dinge mitgehen lassen. Aber ich wollte nicht das Risiko eingehen, erwischt zu werden.
Ich ging also über den Marktplatz und zog mir meine Kapuze tief ins Gesicht. An einem Kräuterstand blieb ich stehen und warf einen kleinen Stein auf die andere Seite. Ich traf, wie immer, perfekt mein Ziel und das Bein des Wagens bekam einen Riss und knickte weg. Das ganze Obst, dass auf dem Karren lag, fiel herunter und der Besitzer des Kräuterladens ging hinüber um ihm zu helfen. So wie die meisten anderen Menschen auch. Ich stand immer noch an dem Wagen und packte schnell, jedoch unauffällig, die Kräuter ein, die mir Cheng aufgeschrieben hatte.
Ich sah, wie ein Junge, vielleicht ein paar Jahre älter als ich selbst, ebenfalls etwas mitgehen lies und schenkte ihm ein spöttisches Grinsen als er versuchte an die Kräuter zu kommen, die über mir hingen. Ich schnitt einen Büschel ab, hielt sie ihm hin und zog sie kurz bevor er sie entgegen nehmen konnte zurück und steckte sie selbst ein. Ja das war etwas fies, aber was soll ich sagen? Ich war nun mal gemein. Obwohl man es nicht mal wirklich gemein nennen konnte.
Ich hatte ihm schon ein Ablenkungsmanöver verschafft, gut ich wusste nicht dass er da war und es war zu meinem eigenen Zweck, aber trotzdem! Ich musste mich auch alleine durchschlagen! Er schlich also um den Wagen herum und blieb neben mir stehen. ,,Du weißt schon, dass das strafbar ist, oder?'' ,,Das gleiche könnte ich zu dir sagen.'' Der Junge streckte seinen Arm aus und kam problemlos an die Bündel heran. Er riss eines ab und steckte es ein. ,,Wie heißt du?'' ,,Vielleicht sage ich es dir, wenn wir uns wiedersehen.'', sagte ich und verschwand in der Menge.
Zurück blieb ein braunhaariger Junge, der ihr grinsend hinterher sah, bevor er in die andere Richtung verschwand.
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,,Cheng? Ich bin wieder zurück!'', rief ich und schloss die Tür hinter mir. Doch ich hörte keinen Ton. Auf einmal kam von oben ein lautes Poltern. Irgendetwas stimmte hier nicht. Vorsichtig ging ich in die Küche und nahm mir eine Bratpfanne, die noch auf dem Tisch lag. Ich schlich also, so leise wie es mich mein Meister gelehrt hatte, die Treppe hinauf.
Als ich an einem Spiegel vorbei kam, konnte ich mir meinen Schrei nur schwer unterdrücken. Denn ich sah kein Spiegelbild. Und ich war schon unzählige Male an diesem Spiegel vorbei gelaufen. Darum würde ich mich später kümmern. Jetzt musste ich erstmal Cheng finden. Ich wusste nicht, was es war, aber irgendwas zog mich in Richtung des Badezimmers. Es war, wie ein unsichtbares Seil und ich konnte nicht stehen bleiben. Die Tür stand ein paar Zentimeter weit offen und ich blickte hindurch. Dahinter lag Master Cheng mit einer blutenden Wunde am Kopf. Über ihn beugte sich ein großer Mann. Er war hager und hatte fettige, mittellange Haare. Von hinten erinnerte er mich ein bisschen an Proffessor Snape, aus einem Film den ich mal mit Cheng geschaut hatte. Er hieß ,,Henry Otter'' oder so ähnlich. Jedenfalls hörte ich, wie der Snape Verschnitt sagte: ,,Wo hast du sie versteckt?'' ,,Ihr werdet sie niemals finden.'', flüsterte der alte Mann mit kratziger Stimme.