POV Chris
July hat recht. Mit allem hat sie recht. Ich bin ein verdammter Feigling, der es nicht geschafft hat, ihr zu schreiben. Weil ich Angst habe. Angst vor ihrer Reaktion. Angst vor dem Gesagten. Angst vor ihrer Antwort. Angst vor der Zukunft. Eine Zukunft, in der ich sie haben will, denn ich kann und will sie niemals mehr verlieren.
Die Nachricht, die erste Nachricht, habe ich gelesen, als ich mit Andreas zum Flughafen gebracht wurde. Von München aus sind wir beide nach Düsseldorf geflogen und im Taxi habe ich gesehen, dass mein Handy aufblinkt und mir zeigt, dass Juliette mir geschrieben hatte. Dass sie darum gebeten hat, dass wir bitte einmal miteinander reden sollten. Ewig lange habe ich auf den Bildschirm gestarrt, bis selbst mein Bruder gefragt hat, was bitte los ist. Aber auch da habe ich es nicht geschafft, ihm eine Antwort zu geben. Stattdessen habe ich alles unbeantwortet gelassen. Meinen Bruder auf der einen Seite, aber viel schlimmer, ich habe sie unbeantwortet gelassen. Juliette, meine July, die mich am ersten Tag mit ihrem Lächeln, Lachen, der offenen Art und ihren Augen – mit ihren verdammten Rehaugen – in den Bann gezogen hat. Die Frau, die mich so oft sprachlos hat stehenlassen und die mich seit drei Jahren immer wieder zu sich zieht. Hoffnungslos verliebt, vollkommen verknallt, ihr total verfallen. Und ich Vollidiot bekomme es nicht mal hin, ihr zu antworten. An der Nordsee mit meinem Bruder habe ich alles ignoriert, was auf mein Handy gespült wurde. Dabei auch die schmerzhafte Nachricht, die July mir kurz vor Ende geschrieben hatte. Die Frage, ob ich sie überhaupt nochmal wiedersehen will. VERDAMMT JA!
Jeden Tag, immer wieder, einfach nur so. Und da liegt das Ding, ich will es einfach nur so machen und ich wünschte, dass ich bereits früher den Mut gehabt hätte, dass ich ihr eben genau das hätte sagen können. Dass mir dieser verdammte Deal so scheißegal ist, dass es eine Lüge ist, die ich mir selbst einrede und später auf sie projiziert habe. Nur deswegen steckten wir doch in diesem Deal und stehen uns jetzt hier so gegenüber. Eine Sachen hatte sich dabei nie geändert. Dass ich ein scheiß Feigling bin.
Mit den Armen stütze ich mich auf einem der Regal ab, meine Hände liegen dabei genau neben ihrem Kopf. Ängstlich greift July sich an einem der Bretter fest, schaut zu mir rauf und hat die Frage gestellt, die ich bis heute nicht beantwortet habe. Und jetzt antworte ich nicht mal offline. Die Worte fehlen, wenn ich sie sehe, wenn sie mich mit ihren dunklen Augen so fordernd anschaut.
Juliette: Du hattest nicht geschrieben und der Deal ist vorbei, da-"
Chris: Der Deal ist mir scheißegal!"
Sie zuckt zusammen, das wollte ich nicht. Meinen Kopf lasse ich daher in den Nacken fallen und sammle einmal den Mut zusammen, der mir in den letzten drei Jahren gefehlt hatte. Ich muss jetzt mit der Sprache rausrücken. Wenn ich aber wieder aufschaue und zu ihr hin, nimmt mich die Angst, die Nervosität, wieder ein und ich hoffe, dass ich ihr den Schock von eben wieder nehmen kann. In München habe ich mit der Wahrheit angefangen, jetzt kommt der Rest.
Chris: Verdammt ja, ich bin ein Feigling, der einer Frau wie dir nicht mal zurückschreiben kann, weil er nicht weiß, was oder wie. Der Deal ist auf einer Lüge gebaut, weil ich dir die Wahrheit nicht sagen kann. Ich will mit dir nichts Halbes, ich will dich ganz! Ich will dir schreiben. Am Morgen, am Abend, einfach mal so zwischendurch. Ich möchte mit dir belanglose Momente teilen, wo wir schweigend beieinander sitzen oder über Gott und die Welt um drei Uhr nachts bei einem Spaziergang reden. Ich will mit dir auf richtige Dates gehen und dich nochmal von einer ganz anderen Seite richtig kennenlernen. Ich will dich abends bei mir liegen haben und gerne dürftest du immer wieder in meinen Armen einschlafen. Ich will mit dir schlafen, aber nicht allein aus Lust heraus, sondern weil ich jeden Zentimeter deines Körpers und deiner Seele genieße, wunderschön und perfekt finde. Ich will Dinge einfach nur so machen, weil ich ohne dich nicht sein will."Oh mein Gott, wie süß kann man schauen? Julys Blick wirkt so gerührt und so, als hätte ich endlich das gesagt, was sie schon so lange hören wollte. Dabei versuche ich ihrem Blick standzuhalten, aber merke immer wieder, dass ich es kaum schaffe. Ich fühle mich so dumm und muss lachen. Hoffentlich verstehst du mich. Und dann höre ich endlich wieder ihr freies Lachen und sehe, dass sie das Regal loslässt und entspannter vor mir steht.
Chris: Ich bin ein Feigling...ich kann sowas nicht gut sagen."
Juliette: Du hast es die letzten sechs Monate immer wieder gezeigt."
Sie hat es gesehen und alles bemerkt. Dabei dachte ich, dass ich dadurch so extrem tief in der Friendzone stecke, dass ich da niemals wieder allein rauskommen könnte. Dass sie nichts davon so wahrnimmt, wie es mal gedacht war, aber scheinbar habe ich es geschafft, dass sie mich bemerkt. Während ich dort noch unsicher vor mir hergrinse, kommt July etwas näher auf mich zu und ich hoffe, dass sie nicht hören könnte, wie laut mein Herz schlägt.
Juliette: Und außerdem...kann ich es dafür ja sagen..."
Wieder versuche ich vorsichtig zu lächeln, während ich innerlich von ihr gerade auf die Folter gespannt werde und platzen oder zerreißen könnte. Diese Fassade hält zumindest so lange, bis sie versucht sich etwas größer zu machen, um näher an mich heranzukommen. Ich schaffe es da gar nicht, ihr die gesamte Zeit in die Augen zu sehen. Zwangsmäßig fällt mein Blick auf ihre Lippen, die ich in München noch spüren durfte und ich muss mich dazu zwingen, sie wieder anzuschauen. Ihr geht es wohl gleich, was unsere nervösen Blicke verraten. Aber dann lächelt sie glücklich.
Juliette: Chris...ich liebe dich."Vorsichtig will sie die letzten Zentimeter Abstand zwischen uns schließen, während mir nur ein Gedanke durch den Kopf geht: Sie hat es gesagt! Die drei Jahre, jeder kleine Moment, die geschmissene Beziehung mit Kim, alles hat sich am Ende gelohnt. Und jetzt will ich nicht mehr zögern und warten, daher komme ich ihr zuvor. Meine Hände löse ich vom Regal, damit ich ihren Kopf nehmen und zu mir ziehen kann, sodass ich endlich wieder ihre Lippen küssen kann. Alles in mir gefriert in diesen Moment und als July sich endlich wieder bewegen und ihre Arme um meinen Nacken legen kann, verliere ich mich vollkommen in diesen Moment. Ein Moment, der für immer anhalten dürfte, wenn es nach mir ginge. Chris...sie wird nicht mehr gehen.
Zögernd lösen wir uns voneinander, aber es scheint so, als würde keiner von uns das richtig wollen. Glücklich muss ich lächeln und auch wenn July das zuerst nicht machen will, ihr Grinsen zeigt mir etwas anderes, aber vor allem, dass das auch ihr Glück zu sein scheint. Zuletzt gebe ich ihr einen Kuss auf die Stirn, würde auch lieber hier bleiben, aber weiß, dass hinter uns gerade die gesamte Crew wartet und dass ich daher gehen muss. Ich entferne mich von ihr, bekomme mit, dass alle in ihren Besprechungen hängen und dass einzig Levi zuerst zu mir und dann zu July schaut. Schweigend nehme ich wieder neben meinem Bruder Platz, aber mein Blick hängt an ihr fest.
Im Hintergrund sehe ich July, die ihren Kopf schüttelt, danach wieder den Cube sucht, weswegen sie sich überhaupt erst von der Gruppe entfernen musste und danach wieder herkommt. Mit den Gedanken scheint sie komplett weg zu sein und bringt meinen Bruder das, um was er gebeten hatte.
Andreas: Ah, danke dir. Hatte Chris dir geholfen?"
Juliette: Äh, ja!"
Eine Lüge, aber was macht die noch aus? Bevor sie wieder gehen würde, trete ich einen Schritt näher an meinem Bruder heran, was July zum Glück auch bemerkt. Sie schaut zu mir, bevor sie zurückgehen würde und mit einer leichten Kopfbewegung kann ich andeuten, dass sie bei mir bleiben kann. Auch wenn es stumm ist, ihr Lachen erklingt in meinen Ohren, bevor sie sich neben mich stellt und die Besprechung mit mir zusammen durchsteht. Auch wenn Andreas mich danach mit zu zwei Tontechnikern nimmt, immerhin sollen die jetzt mit den Cubes arbeiten, meine Aufmerksamkeit hat July komplett für sich beansprucht. Daher bekomme ich mit, dass sie mit Levi spricht, dass sie überlegen, was sie heute alles schaffen müssen und dass sie daher auch zeitlich anfangen sollten. Ich denke gar nicht weiter darüber nach, verlasse das Gespräch mit meinen Bruder und laufe ihr nach, bevor sie wieder verschwunden wäre. Als ich nahe genug an ihr ran bin, mache ich einen letzten großen Schritt und greife nach ihrer Hand.
Chris: July!"Sofort wendet sie sich zu mir und nichts an ihrer Reaktion wirkt mehr zögern. Mich schüchtert sie dadurch ein, macht mich mal wieder sprachlos, aber scheinbar bringt es sie einfach zum Lachen. Scheinbar findet sie mich selbst nicht so schlimm, wie ich mich. Jedes Mal, wenn ich eine solche Reaktion von ihr zu sehen bekomme, kann ich nur anfangen zu grinsen und irgendwie denke ich, dass es auch oft das ist, was sie bei mir sehen will. Dann zeigt sie mir ihr Lachen.
Chris: Kann ich...später mit zu dir kommen?"
Juliette: Warum?"
Chris: Einfach nur so."
Juliette: Einfach nur so?"
Ich will nicht über sie lachen, aber ihr fragender Blick zwingt mich gleich dazu. Einmal habe ich mich getraut und verwirre sie gleich dadurch. Jetzt lasse ich unsicher ihre Hand los, damit ich eben diese in meine Hosentasche stecken kann, bevor ich sie mit einem schrägen Grinsen ansehe.
Chris: Ja, manches will ich einfach nur so machen. Zum Beispiel..."Gewöhnt man sich irgendwann daran, jemanden zu küssen? Wenn ja, dann hoffe ich, dass uns beiden das niemals passieren wird. Der Wunsch, es einfach nur so machen zu können, hat sich endlich erfüllt und da sie scheinbar ihre Arme wieder um mich legen will, zeigt sie mir indirekt, dass sie ähnlich empfindet. Vorher beende ich den Kuss und schaue sie fordernd an.
Chris: Gut, dass wir das gleiche wollen, July..."
Beleidigt schaut sie zu mir rauf, aber an ihrem unterdrückten Grinsen merke ich, dass sie es so gar nicht meint. Ich wünsche mir, dass ich immer und immer wieder ein solch glückliches Grinsen bei ihr hervorrufen kann und werde. Ich lächle, sehe es als angenommen an, da sie mir nicht wiederspricht und will uns beide danach nicht weiter in unangenehme Momente verfangen, aber scheinbar sieht July das ein wenig anders.
Juliette: Tête de con."
Absichtlich hat sie das lauter gesagt, als üblich und ich muss lachen. Während ich also zu meinem Bruder gehe, drehe ich mich mit einem Grinsen zu ihr um.
Chris: Je t'aime aussi, mon amour."
In ihrer Position hält sie fest, wird rot und muss glücklich lächeln. Ein letzter Blick zu ihr, wobei ich sie ebenfalls glücklich angrinse.Das ist der Beginn einer ganz neuen Geschichte...
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Never Less Than a Lover
Fanfiction10: Du gibst mir wieder Mut 09: Du zeigst mir das Gefühl von Geborgenheit 08: Du bist der erste, der mich richtig verstehen kann... Alles, was Juliette und Christian miteinander verband, war ein endloser Deal und ein Geheimnis, was niemals ans Licht...