Kapitel 2

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Wann immer wir beide zusammensitzen, dann vergessen wir die Zeit. Erst, als die ersten Arbeiter sich abmelden und meinen, dass sie alles erledigt hätten und in den nächsten Tagen zur Besprechung wiederkommen, bemerken wir, dass wir uns vollkommen in der Zeit vertan haben und gar nicht das erledigen konnten, was wir uns selbst vorgenommen hatten. Levi merkte es vor, dass es wieder ganz typisch für uns beide wäre und dann haben wir uns auch auf das fokussiert, was erledigt werden muss...wir haben es zumindest versucht.

Mal wieder haut Levi irgendwas raus, was sie nervt, ihre Geste zeigt auf ihren Bildschirm und ich versuche nicht in Gelächter auszubrechen. Dafür ernte ich einen Schlag auf die Schulter und drehe mich mit dem Stuhl etwas zur Seite. Als ich deswegen kurz dahin schaue, stocke ich und drehe mich gleich wieder zurück. Levi wirkt vorerst verwirrt, bis sie ebenfalls dorthin schaut.
Chris: Hey..."
Alles weg. Alle Gedanken. Alle Worte. Alles, was jemals in meinem Kopf gewesen ist. Einzig mein verdammt schneller Herzschlag und meine nervöse Art, die sich daran erkennbar macht, dass ich auf meiner Lippe kaue, ist in mir los.
Chris: Wie weit seid ihr?"
Levi: Beinahe durch. Da sowieso alle gehen, machen wir auch gleich vermutlich Schluss."
Chris: July?"
Ich wünschte, dass dieser Name und seine Aussprache nicht eine solche Wirkung auf mich hätten. Automatisch schaue ich zu ihm rauf, bekomme noch immer kein Wort hervor und offensichtlich scheine ich nicht die einzig nervöse und unsichere Person hier zu sein.
Juliette: Könntest du mir eben diese beiden Dinge aus dem Lager holen? Dann könnten...wir...auch gleich gehen."
Chris: Natürlich."

Er muss sich nur einmal die Namen der Dinge durchlesen und weiß auch gleich, was ich von ihm haben will. Daher lächelt er nochmal zurückhalten und lässt uns beide dann zurück.

Sofort hat Levi mitbekommen, dass wir uns gegenüber sehr zurückhaltend, nervös und schüchtern waren – zentral vor allem seltsam – und daher wendet sie sich mit einem bestärkenden Blick nochmal zu mir, bevor wir gleich gehen werden.
Levi: Alles okay?"
Juliette: Ich habe irgendwie Angst, was da jetzt rauskommen wird. Worüber wir sprechen werden und zu welchem Ergebnis wir kommen werden. Irgendwie...die letzten Wochen konnte man sich das immer ausmahlen und jetzt bin ich hier."
Levi: Es wird schon alles gut werden."
Ihr Mischpult und die Bildschirme fahren gerade runter und Levi dreht sich mit dem Stuhl zu mir und rollt etwas näher an mich heran. Dabei wird auch mein eigener Bildschirm schwarz und auch wenn ich zuerst noch weiter auf meinen Arbeitsplatz starre, ich bringe mich dazu, zu Levi zu schauen, die sich an ein Lächeln wagt.
Levi: Wenn das, was du mir vorhin zu Bruchstücken gesagt hast, stimmt, dann wird am Ende alles gut werden. Er hat sich dazu gebracht, es dir zu gestehen und scheinbar meint er es ernst. Ihr habt schon schwerere Sachen überstanden und wenn ihr beide das nicht hinbekommt, wer denn dann?"
Ein wenig lächle ich, nickt kurz zögernd und bekomme von Levi auch noch einen zufriedenen Blick zu sehen, bis sie sich mit ihrem typisch selbstsicheren Blick abwendet und aufsteht.
Levi: Und wenn er es verkackt und meiner besten Freundin das Herz bricht, bleibt mein Versprechen: Dann breche ich ihm auch etwas."

Lachend lasse ich mich in den Stuhl fallen, während Levi ihre Sachen zusammenräumt, vieles hier liegenlässt und sich mit einer letzten Geste verabschiedet. Und dann sitze ich da auf meinen Platz, bin allein mit meinen Gedanken und meinen Gefühlen und warte darauf, dass Chris wieder zurückkommt. Und für meinen Geschmack, kommt er auch etwas zu schnell wieder zurück.

Eine Kiste in der Hand und einem Kabel unter dem Arm geklemmt, tritt Chris zwischen den Regalen hervor, versucht nichts zu verlieren und dennoch zügig zurückzukommen. Als ich gerade von meinem Platz aufstehen will, damit ich ihm helfen könnte, zeigt er mir, dass es schon geht. Misstrauisch beobachte ich ihn, aber entgegen meiner Erwartung kommt alles sicher auf meinem Platz an und Chris' selbstsicheres Lachen zeigt, dass er mir angesehen hat, dass ich es ihm nicht zugetraut habe.
Chris: Hast wohl was anderes erwartet, was?"
Kopfschüttelnd lache ich und stehe vom Platz auf, damit auch ich meine Sachen packen kann, damit wir die Halle verlassen können. Bevor das aber passiert, stehen wir uns schweigend gegenüber. Keiner sagt etwas, keiner macht den ersten Schritt und erst recht scheint es uns beiden unangenehm zu sein, in dieser Situation zu stecken. In einer Situation, in die wir uns bewusst bewegt haben, aber keine Ahnung haben, wie das genau ablaufen soll. Es wirkt so, wie unser erstes Treffen von vor knapp drei Jahren.

Der Deal war damals beschlossen, wir wussten, auf was wir uns eingelassen hatte. Zumindest wussten wir das in der Theorie. Chris hatte damals gefragt, ob wir uns an einem Samstag sehen könnten und ich habe zugestimmt. Es war der Abend, wo wir beim Griechen waren und irgendwie war uns alles unangenehm. Uns zu begrüßen, miteinander dorthin zu gehen und zusammen im Restaurant zu sitzen. Es wurde erst besser, als ich nichts gefunden hatte, ihm sagen musste, dass ich Veganerin bin und es Chris so unfassbar unangenehm war, dass wir folgend immer wieder darüber lachen mussten und konnten. Wir haben uns dort beide wieder Mut angetrunken, bevor wir zu ihm nach Hause gegangen sind. Ich kannte seine Wohnung nicht, habe mich da auch nur dürftig umgesehen und auch wenn wir beide genügend Erfahrung in derlei Themen hatten, mit verschiedenen Partnern bereits Sex hatten und auch schon miteinander, wie fängt man sowas an? Es fühlte sich wieder so an, wie das aller erste Mal. An den Abend hatten wir viel gelacht, waren uns selbst unangenehm, aber vielleicht hatte das auch erst dazu geführt, dass wir so gut miteinander harmoniert haben. Trotzdem haben wir es geschafft, dass wir zusammen in seinem Bett gelandet sind, unsere erste gemeinsame Nacht wiederholen konnten und mit der Zeit wurde alles normaler und weniger unangenehm.

Wie vorhin, als wir uns nach seinem Geständnis gegenüberstanden, muss Chris anfangen zu lachen. Daher muss ich schwach grinsen und betrachte genaustens, wie sein Ausdruck währenddessen aussieht.
Juliette: Musst du immer in peinlicher Stille lachen?"
Chris: Oft. Weil ich einfach nicht weiß, was ich machen soll, geschweigen denn, wie man da rauskommen kann."
Juliette: Irgendwie süß."
Als einer der wenigen Männer – oder als der einzige, wer weiß das schon so genau – ist es Chris nicht unangenehm, wenn man irgendwas von seinem Verhalten als »Süß« bezeichnet. Offensichtlich hat er nichts dagegen, immerhin versucht er nicht wieder glücklich zu grinsen und es mir erst recht nicht zu zeigen...

Never Less Than a LoverWo Geschichten leben. Entdecke jetzt