Detective Jeong - Lost Traces

Episode 15

Dass ich um sieben in der ISO auftauchte, war für mich ein Wunder. Bis um kurz nach Mitternacht lag ich wach und hatte gegrübelt, woher ich dieses Logo kannte. War ich weitergekommen? Natürlich nicht. Außerdem plagten mich Schuldgefühle. Ich sollte mich um den aktuellen Fall kümmern und keinem Logo nachrennen, das ich vielleicht mal in einem Shop gesehen hatte.
Zwar schrie mein Körper nach Koffein, aber ich hatte auf meinen üblichen Iced Americano verzichtet. Erstens, Starbucks hatte um diese Zeit noch geschlossen und zweitens, war ich mit solchem Herzrasen aufgewacht, dass ich meinem Körper keinen Kaffee zumutete.
Müde schleppte ich mich durch den Gang. Wachte erst auf, als ich Hyun Jae vorm Büro ausmachte. Hippelig, wie ein Kleinkind, wippte dieser auf seinen Fußballen. Warum war er so fit? Mein überanstrengtes Hirn war überfordert.
>> Morgen <<, grüßte ich, was er mit einem Grinsen erwiderte.
Ich fragte nicht, was er hatte. Sperrte stattdessen das Büro auf und trat ein. Klar folgte er mir. Bis ich meinen PC startete und mich an meinem Schreibtisch niederließ, harrte ich sein Schweigen aus. Definitiv verbrachte er zu viel Zeit mit Jae Min, dieses Verhalten färbte ab.
>> Was ist? <<
Dann kehrte er zu seinem ursprünglichen Selbst zurück. Wurde ruhig, setzte sich an Seo Juns Platz.
>> Die Agency hatte mir spät Abends geantwortet <<, erwiderte Hyun Jae. >> Sie haben mir die Kontaktdaten vom eigentlichen Manager übermittelt. Ich werde ihn später kontaktieren und zu einem Verhör vorladen. Dann- << Eine Mappe schob er mir zu. >> habe ich das in unserem Posteingang gefunden. Jemand musste gestern sehr wütend gewesen sein und Chris Feuer unterm Arsch gemacht haben. <<
>> Yun Ho? <<, riet ich.
>> Sicherlich << Ein mattes Lächeln umspielte seine Lippen. >> Allein daran gemessen, wie angepisst er gestern war. <<
Ich schlug den Umschlag zurück und fand in diesem den Stick vor. Plus einer Notiz.
Tut mir leid, ich bin wirklich nicht früher dazugekommen. Die Daten auf dem ursprünglichen Stick habe ich auf einen neuen überspielt, um Schadsoftware auszuschließen. Insgesamt gibt es drei Dateien. Einen großen Ordner mit vielen Unterordnern, ein Video und ich habe zu diesem noch eine Audiofile extrahiert (die eigentliche Sache, die mir so viel Arbeit gekostet hatte), weil ich seltsame Geräusche im Video wahrgenommen hatte. Schaut euch zuerst das Video an und hört ich euch danach die Audio an. Ich weiß nicht, worum es geht, aber ich vermute, das Video könnte genauso aufschlussreich sein.
Nun war ich neugierig. Am liebsten hätte ich mir das Video sofort angesehen, aber Hyun Jae hielt mich davon zurück. Meinte, dass es besser wäre, wenn wir uns dieses gemeinsam anguckten. Außerdem hatte der Park Seung Jae-Fall Vorrang. Ich gab mich geschlagen und überließ ihm die Mappe. Nur zu gut kannte er mich. Sonst hätte ich mir das Video angeschaut.
Im Stuhl ließ ich mich zurücksinken und schloss die Augen. Müdigkeit zerrte an mir, dass ich mich fragte, wie ich den Tag überstehen sollte. Schon wieder wanderten meine Gedanken zu dem verdammten Logo. M und C. Übereinandergestellt. In Gold. Abermals tauchte die kurze Sequenz auf, doch sie erweiterte sich nicht. Mehr als dieses Logo nahm ich nicht wahr. Wo zum Fick hatte ich das gesehen? Wenn Seo Jun auch etwas damit anfangen konnte, spielte es sich nicht nur in meinem Kopf ab.
Ich schüttelte diesen und öffnete die betriebsinterne Software. Mich interessierte, ob bereits Meldungen auf unseren Aufruf, ob jemand Seung Jae in der Nacht gesichtet hatte, eingegangen waren. Zwei Mitteilungen von Anwohnern prangten in der Tabelle. Ich öffnete die erste.
Hallo,ich habe Park Seung Jae als sehr höflichen jungen Mann kennengelernt. Deswegen hatte es mich gewundert, dass er sich mit jemandem stritt. An den genauen Wortlaut erinnere ich mich nicht mehr, aber etwas sollte schnell passieren.
Schnell passieren? Ich klickte aufs Profil der Person, welche die Nachricht abgeschickt hatte. Viele Leute reagierten tatsächlich auf die Aufrufe, die wir ins Internet stellten. Vermutlich war die Hemmschwelle geringer, als anzurufen. Dennoch griff ich nach meinem Headset, nachdem ich die Telefonnummer aus dem Profil kopiert hatte. Am anderen Ende meldete sich ein älterer Herr.
>> ISO, Detective Jeong Min Woo <<, stellte ich mich kurz vor, >> Ich hatte ihre Mitteilung auf unseren Aufruf gesehen. Können Sie sich noch an was anderes erinnern beziehungsweise können Sie mir schildern, was Sie erlebt haben? <<
Lange herrschte Schweigen, gefolgt von einem Seufzen. Unterdessen zerrte ich meine Tastatur zu mir und öffnete auf dem zweiten Bildschirm ein Word-Dokument. Schrieb in die erste Zeile seinen Namen.
>> Es war schon sehr spät, da gerade die Abendnachrichten zu Ende waren <<, begann er. Sofort notierte ich. >> Ich hatte Stimmen auf dem Flur gehört. Ich war neugierig und hatte mithilfe der Kamera der Klingel auf den Flur rausgeschaut. Es hatte eine Weile gedauert, bis sie vorm Aufzug standen, aber ich hatte Park Seung Jae deutlich erkannt. Zwei Männer hatten ihn- <<
>> Zwei Männer? <<, fiel ich ihm ins Wort.
>> Ja, zwei, sie trugen dunkle Kapuzenjacken. Und hatten immer davon gesprochen, dass etwas ganz schnell erledigt werden muss. <<
>> Wie hatte Park Seung Jae auf Sie gewirkt? <<
>> Kann ich nicht sagen, ich hatte nur seinen Rücken gesehen, aber einer von den Männern hatte ihn am Arm gepackt. <<
Jegliches Detail schrieb ich stichpunktartig ins Dokument. Bedankte mich beim älteren Mann, dass er sich die Zeit genommen hatte, und musste ihm versprechen, dass dieses Gespräch anonym blieb.
Sobald Seo Jun aufsah, guckte ich ihn nachdenklich an.
>> Was? <<, fragte dieser.
In knappen Worten gab ich das Telefongespräch wieder.
>> Zwei Männer in dunklen Kapuzenjacken? <<, sinnierte er. >> Und sie müssen etwas ganz schnell erledigen? << In seinem Gesicht blitzte ein Lächeln auf. >> Klingt für mich nicht danach, als hätte ihn sein Manager abgeholt- <<
>> Kommt mal kurz <<, unterbrach ihn Yong Gi.
Zeitgleich tauschten wir einen Blick und richteten uns auf. Verteilten uns auf seiner rechten und linken Seite. Über Yong Gis Bildschirm flimmerte eine schwarz-weiße Aufnahme. Man musste schon die Augen zusammenkneifen, um den Van zu erkennen. Mit paar flinken Tastenkombinationen vergrößerte er die Anzeige und ließ die CCTV-Aufnahme abspielen. Um den Wagen liefen zwei Männer rum, komplett in dunkler Kleidung gehüllt. Dann öffnete sich die Tür zur Rückbank. Ein Mann kletterte hinaus, mit Sicherheit Seung Jae, und rannte in die entgegensetzte Richtung. Sehr weit kam er nicht, denn einer der Kapuzenmänner fing ihn ab und schlug ihn zu Boden. Verfrachtete Seung Jae zurück ins Auto und folgte ihm schließlich. Minuten verstrichen, in denen nichts geschah. Doch es musste noch was passieren. Immerhin hatten wir seine Sachen im Han River gefunden.
Gerade, als jeder innerlich abschaltete, wurde die Tür des Vans von innen aufgedrückt. Aus der Perspektive der Kamera war es schwer zu erkennen, doch etwas trug der Typ in seiner Hand. Sicherlich das Betäubungsmittel. Der andere rollte den Koffer übern Fußgängerweg.
Für einige Zeit verschwanden sie von der Aufnahmefläche, bis beide schließlich zurückkehrten. Ins Auto stiegen und davonfuhren.
>> Kennzeichen <<, kreischte ich.
Mehrmals musste Yong Gi die letzten Sekunden zurückspulen, um dieses zu erwischen. Die Beleuchtung war so beschissen, dass das Kennzeichen zuerst komplett mit Schatten bedeckt und zum Schluss überbelichtet war. Dennoch fand er eine Position, wo alle Zeichen erkennbar waren. Notierte dieses anschließend.
Vor der Brust verschränkte Seo Jun die Arme.
>> Irgendwas ist komisch <<, sagte er, >> Ist euch aufgefallen, dass in der Zwischenzeit kein einziges Auto die Brücke entlanggefahren ist? <<
Im selben Augenblick guckten wir ihn an. Spielten erneut die Aufnahme ab, diesmal ohne Zoom auf den Van. Trotzdem behielt Seo Jun Recht. In der Zwischenzeit hatten weder Autos noch Fußgänger die Brücke passiert. Zu der Uhrzeit schier unmöglich.
>> Wer auch immer Park Seung Jae entführt hat <<, sinnierte Seo Jun, >> hat dies von langer Hand geplant. <<
Unwillkürlich dachte ich an die Drohbotschaft, welche mein Vater zwei Monate vor Seung Jae's Verschwinden erreicht hatte.