Chéza

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Ein schwaches Licht, nicht mehr als eine winzige Flamme welche stetig schwächer zu werden schien, zu ersticken drohte, je näher die Schatten, die sich von ihr angezogen fühlten wie die Motten. Mehr und mehr schien die Finsternis das winzige Glühen zu verschlucken - immer blasser und blasser werdend je mehr Zeit verstrich, bis das zuvor helle Strahlen nur noch einem schwächelnden Glimmern glich -einem verzweifelten Pulsieren – einem Herzschlag. Und vielleicht war es das auch? Ein Herz, das verzweifelt versuchte, weiter zu schlagen, ganz gleich, wie sehr die Dunkelheit auch versuchte, ihm das letzte bisschen Leben zu rauben, das ihm noch innewohnte der jeden Augenblick ausgehen – stehen blieb und starb... wie ein Herzschlag, der jeden Moment stehen bleiben könnte.

„Sssssh... hab keine Angst..."

Ein sanftes Flüstern durchschnitt die Stille wie eine Klinge gefolgt von Schritten, ehe sich eine dunkle Gestalt aus den Schatten löste. Hochgewachsen, jedoch von schlanker Statur. Das Haar, welches das Gesicht, dessen Alter man unmöglich bestimmen konnte, hatte die Farbe von gesponnenem Gold, versetzt mit wallenden Strähnen aus Bernstein, die Augen waren grün wie Smaragde mit vereinzelten, goldenen Sprenkeln. Die nahezu perfekte Haut erinnerte im blassen Schein der sterbenden Flamme an unberührtes Porzellan. Der filigrane Leib, dessen Gliedmaße scheinbar nie enden wollten, war mit nur wenig Stoff gekleidet. Das elfenbeinfarbene Gewand, fließend und leicht, schmiegte sich wie eine zweite Haut um den schlanken Leib, raschelte bei jedem Schritt. Die Schatten, welche gierig nach dem kleinen Licht zu lechzen schienen, wichen zurück, flohen, zogen sich eilig zurück je näher die Gestalt dem flatternden Glimmen kam. Langsam, fast schon so, als wolle er das ohnehin schon verschreckte Lichtlein nicht auch noch verschrecken, sank der Näherkommende auf ein Knie herab und streckte die filigranen Finger danach aus, den Blick dabei schon liebevoll auf das Licht gerichtet. Ein Lächeln auf den Lippen.

„Es ist alles gut... dir wird nun nichts mehr geschehen... das verspreche ich dir..."

Die Stimme sacht, sanft. Die Klangfarbe erinnerte an eine sanfte Sommerbriese und doch lag ein Hauch beißender Winterkälte darin. Ein unheimlich düst'rer Unterton, den man nicht gleich einordnen konnte. Das Licht jedoch schien diesen sofort wahrnehmen zu können, obgleich es sich nur um ein Licht handelte – kein Wesen. Keine lebende, fühlende Kreatur. Und dennoch flackerte das Licht mit einem Mal – sobald sich die Finger, um es zu schließen begann, fast schon hektisch, panisch auf – wie ein Herz, das schneller und schneller schlug – voller Furcht, voll' Angst! Todesangst! Das Wesen, das es einst gewesen war, hatte Angst um das Leben, das es einmal gewesen war – erneut! Es wollte nicht sterben! Nicht noch einmal!

Doch dann, kaum, dass sich die Hände des Fremden um ihn geschlossen hatten, beruhigte sich das Licht, das Flackern und Flattern. Es wurde ruhig. Die Angst, die in ihm aufkeimte, verlosch – doch nicht etwa das Licht. Nein. Es schien an Kraft zuzunehmen. Leuchtete wie eine frisch entzündete Flamme, hell und klar sodass es die Dunkelheit, die um sie herum herrschte, nahezu vertrieb, obgleich dies schon durch die Anwesenheit des Fremden geschehen war.

„So ist es gut... hoffe... Hoffnung ist das, was uns am Leben hält... und du kannst hoffen... auch an einem solchen Ort..."

Auch in vollkommener Finsternis gedieh Hoffnung. Auch dann, wenn man glaubte, dass es keinerlei Hoffnung mehr gab, fand man irgendwo ein Licht, dass einem den rechten Weg wies – wenn man jemanden hatte, der einem die Hand reichte – der einem half.

Und er würde diese Hand sein.
Er würde dieser armen Seele helfen.
Er würde sie retten.
Er würde nicht zulassen, dass SIE diese arme Seele verdarb!
Nicht diesen Teil...

Auch wenn er vielleicht nicht unbedingt eine bessere Option war... immerhin sahen die Menschen in ihm das personifizierte Schlechte – den Vater aller Sünden. Denjenigen, zu dem sie geschickt wurden, wenn sie kein Leben im Namen Gottes führten. Wenn sie nicht fromm waren – wenn sie sündigte. Dabei gab es keine Sünden – nur menschliche Bedürfnisse. Alles andere waren dumme Ausreden. Sicherlich... es mochte manches geben, dass man nicht tun sollte, dennoch... was war falsch daran, sich der Fleischeslust hinzugeben wann immer einem danach war? Nicht unbedingt mit Kindern – selbst ihm wurde bei diesem Gedanken übel, doch warum machte man ihn dann dafür verantwortlich? Letztlich waren Menschen mit einem freien Willen gesegnet worden, oder nicht? Und die Sache mit der Schlange und dem Paradies... auch das alles hatte SO nie stattgefunden. Immerhin war er einst ein Engel gewesen und sehr viel später in die Hölle verstoßen worden. Da hatte sich diese ganze Geschichte bereits abgespielt – doch einen Sündenbock musste es schließlich geben... tzz...

Kind des WahnsinnsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt