Ich hasste die Farbe Weiß. Sie erinnerte mich jeden Tag an die Lüge, in der wir lebten. An Reinheit, Unschuld und alledem was ich nie sein würde.
Der weiße Sandstein unter meinen Füßen flimmerte vor meinen Augen aufgrund der Hitze. Mit bedacht setze ich einen Fuß vor den anderen, als ich die flachen Stufen hinabging. Der Tonkrug, welchen ich auf meinen Schultern trug, wackelte kurz, als ein loser Stein unter meinen Füßen ins Rollen geriet. Eilig bemühte ich mich wieder ins Gleichgewicht zu kommen, der steile Abhang an meiner rechten Seite wäre durchaus in der Lage mir jeden Knochen im Körper zu brechen. Mittlerweile war ich die verstaubten Stufen vom Tempel schon sicherlich tausende Male gegangen, genauso wie die Frauen vor mir und wie es noch tausende Frauen nach mir tun würden. Hier in den immer eiligen und schnellen Straßen von Lastan, kam ich mir so unbedeutend vor. Fast wie ein Geist wich ich den entgegenkommenden Händlern, Boten und Knechten aus. Ein blasser Windhauch im Herzen der Wüste, mehr war ich nicht für die Fremden. Ein leichtes Lächeln legte sich auf meine Lippen, es bedeutete ein paar Stunden Freiheit. Wachsam bog ich um die Ecke vor den Springbrunnen des königlichen Eingangs des Parks, wich einer Unebenheit auf dem Boden aus, welche schon seit drei Jahren dort war und mich früher, als ich im Tempel begonnen hatte, wöchentlich zu Fall gebracht hatte. Drei Jahre war es nun schon her, dass die hohe Priesterin des Tempels mich vom Blutmarkt aus den Fängen eines Sklavenhändlers gekauft hatte. Damals war ich im zarten Alter von vierzehn gewesen. Nicht mehr als ein armseliger Haufen von Knochen mit zerzausten dunklen Strähnen. Manchmal fragte ich mich, ob der Tempel nicht doch nur eine andere Art der Hölle war. Die Umstände hatten sich nur geändert, statt eines Käfigs, trockenen Brot und Ratten als Gesellschaft, hatte ich nun einen warmen Unterschlupf, essen und sogar Freundinnen. Es war sicherlich nicht alles schlecht, aber noch viel weniger gut. Die anderen trichterten mir immer ein, dankbar zu sein. Dankbar wofür? Für die gebrochenen Finger, die vielen Prellungen oder dem, was die Männer nachts mit ihnen taten? Für Essen, welches sie selbst kochen mussten, Wasser, welches sie in der prallen Mittagshitze holten, nur damit am Abend die „heiligen Selekten", begannen. Ich verkaufte mich, auf die gleiche Art, wie mein Schicksal es schon von Anfang an geplant hatte. Nur unter anderem Namen. Alles, was mir geblieben war über die Jahre, waren meine Wut und Angst. Angst davor, dass es noch schlimmer wurde.
Staub wirbelte auf, als der braune Esel mit der Holzkarre an mir vorbei trappelte. Der Junge, ich schätze ihn auf vielleicht Zwölf, hatte genauso einen leeren Blick, wie das Tier. Wahrscheinlich sollte er glücklich darüber sein, anstatt einem Schwert, nur Zügel in der Hand zu halten. Viel zu viele Kinder trugen mittlerweile die Schlachten der Reichen aus, die Zukunft wurde mit Füßen getreten. Blut und Geld, das wäre die passendere Bezeichnung anstelle Brot und Spiele...aber was man erwartete man auch von einer Welt, welche die Götter verlassen hatten. Fahrig wischte ich mir eine Schweißperle von der Stirn, spürte den Staub, welcher sich in dicken Schichten auf meine Haut gelegt hatten nur allzudeutlich. Was würde ich nur für ein Bad geben.
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Eyphah Gestohlenes Herz
FantasyEin von Göttern verlassenes Land. Eine Priesterin, welche die Lüge durchschaut. Ein Schicksal, welches aus Schmerz und Intrigen geboren wurde, beginnt zu laufen. Die junge Priesterin Dea lebt schon seit Jahren am Tempel der Inanna. Als sie nach ein...