-Sie- 5: Legenden und Angst

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Wir schlenderten nebeneinander durch den Wald. Wie gestern auch. Keiner wusste ein Gesprächthema und so gut sollten wir uns ja auch garnicht kennen.  Zumindest war mir sein Name wieder eingefallen. Korrektur. Ich meine den Nachnamen. ^Irgendwas Bakston.^

Plötzlich blieb er stehen. „Verdammt" fluchte Bakston und ich folgte seinem Blick. Ein rauschender Fluss vor uns. Vielleicht zehn Meter breit und bestimmt doppelt so tief. Sekunde. Mussten wir darüber? Der schwarzhaarige setze die grüne Kapuze ab und blickte sich um. Der Fluss erstreckte sich Kilometer lang. Ohne ein Ende. Und was viel schlimmer war, ohne eine Brücke. Aber am schlimmsten war es, als ich einen umgefallenen Baumstamm entdeckte, der längst über dem Fluss wie eine Brücke war. Mussten wir darüber?
„Gibt es keinen anderen Weg?" fragte ich mit hoffnungsvoller Stimme. Seine grünen Augen blickten vielsagend in meine. Also nein. Keinen Weg außenrum. Keine Brücke. „Man könnte außen herum gehen, das würde in unserer Situation und unserem Tempo circa 5 Tage dauern."
Fünf Tage?! Nein. Vergiss es. Dann gehe ich lieber über den Baumstamm. Zusammen gingen wir zur Möchtegern-Brücke. Der strömende Fluss floss lautstark darunter hinweg. Sehr schnell.
„Ladies First?" fragte Bakston grinsend. Ich schüttelte den Kopf. Er war größer also hatte er mehr Gewicht. Wenn der Baumstamm meinen Begleiter aushalten würde, würde er mich auch aushalten. Ohne zu zögern sprang er auf den Stamm und stolzierte, mit Händen in den Taschen, über den relativ dicken Baumstamm. Es sah aus als würde er das nicht zum ersten Mal machen. Bakston hatte mich zum zweiten Mal beeindruckt. Am anderen Ende drehte er sich ruhig um und grinse nach dem Motto: Du bist dran.

Also stieg ich langsam auf den Baumstamm. Einen Schritt nach dem anderen. Der dicke Stamm bot Halt und ich rutschte kaum Weg. Ich streckte die Arme zu den Seiten aus um Gleichgewicht zu halten. Ganz langsam und konzentriert. Ich blickte nicht nach unten. Mein Blick war die ganze Zeit in seine grünen Augen gerichtet. Seine Miene war beruhigend und aufmunternd. Meine Höhenangst und der Fakt das ich nicht schwimmen konnte, verbesserte die Situation nicht. „Schau nicht nach unten, Prinzessin." hörte ich seine Stimme durch das rauschende Wasser. Also folgte ich seinem Befehl. Langsam. Ein Schritt nach dem anderen. Zwei Meter zum anderen Ende. Ich zitterte und mein Herz pochte laut in meiner Brust. Einen Meter. Beim nächsten Schritt fand ich keinen Halt und plötzlich ging alles ganz schnell. Ich spürte wie ich abrutschte und mein Gleichgewicht verlor. Instinktiv kniff ich ängstlich die Augen zusammen. Plötzlich fühlte ich eine Hand die mein Handgelenk umklammerte. Er war es. Er zog mich zu sich und auf einmal spürte ich den Boden unter meinen Füßen. Mein Herz pochte wie verrückt. Ein verdammter Lebensretter. Seine rechte Hand umfasste weiter mein Handgelenk. Sein linker Arm umschloss meinen zitternden Körper. Dann merkte ich, wie er mich zu sich zog. Ich traute mich nicht meine Augen zu öffnen. Was wäre wenn ich gefallen wäre? Wenn Bakston mich nicht gerettet hätte? Mein Kopf wurde dann gegen seine Brust gelegt. Sein Herzschlag war ruhig und langsam.

„Das war knapp." stellte mein Retter fest. Ich nickte und drückte meine Stirn leicht an seine Brust. Langsam beruhigte ich mich und passte meinen Herzschlag an den seines an. Langsam. Dann hob ich langsam meinen Kopf. Flüsternd bedankte ich mich. Er nickte und seine grünen Augen hatten eine beruhigende Wirkung auf mich. Bakston's Augen. Diese grünen Augen. Ich fühlte mich, als könnte ich schmelzen. Die Schmetterlinge in meinem Bauch wurden langsam zu riesigen Vögeln die die Freiheit suchten.

Hatte ich... mich verliebt? In einen Dieb?
Er sollte mein Feind sein.

Diese Frage beschäftigte mich spät am Abend auch noch, als wir voreinander vor der kleinen Schutzhütte saßen. Zwischen uns ein kleines Feuer was angenehme Wärme spendete. Ich konnte nicht schlafen. Also blickte ich in das flackernde Lagerfeuer. Er legte sich schon hin und blickte in Sternenhimmel. Ich mochte seine angenehme Stimme, also bat ich: „Kannst du mir irgendwas erzählen? Ich kann nicht schlafen" Bakston schien zu überlegen. Dann begann er: „Ich kenne da so eine komische Legende. Keine Ahnung ob die wahr ist."
Dann sank ich auf den Rücken und blickte in die Millionen Sterne hinauf.
„Hast du schonmal von der Legende von Kirkona gehört?" fuhr er fort. Als ich verneinte begann der Dieb zu erzählen:

„Vor circa 800 Jahren geschah es, glaube ich. Wartunia und Suntra waren noch vereint. Zusammen bildeten sie Kirkona. Deshalb gibt es ja heute noch das Kirkonische Meer. Der damalige König hasste arme Menschen aber belohnte die reicheren mit großen Gebäuden und Grundstücken. Also verbannte er die armen auf die eine Seite des Landes und die reicheren Menschen auf die andere. So entstanden Wartunia und Suntra. Der erste Sohn also Thronfolger und Prinz, fand das aber garnicht so gut. Er versuchte es zu verhindern, doch der König ließ den Prinz von einer Hexe verfluchen. Der Fluch war Unsterblichkeit. Wenn Kirkona leben würde, würde er sterben. Nur leider wussten damals alle, das der König es nie zulassen würde, beide Länder wieder zu vereinen. Man sagt, der dunkle Prinz läuft immer noch Nachts im Wald herum und entführt Menschen."

Nach seiner Erzählung überlegte ich. Meine Eltern hatten mir nie von dieser Legende erzählt. Der Gedanke, das hier ein über 800 Jahre alter Typ rumläuft und Menschen entführt, gefiel mir garnicht.
„Und was denkst du darüber?" fragte ich nach einigen Minuten Stille. „Das ist absoluter Schwachsinn, denke ich. Es gab nie Hexen die Leute verfluchen. Sonst würde es die immer noch geben oder man hätte irgendetwas von früher gefunden. Das ist alles nur ein dummes Märchen, was Kindern erzählt wird."
Er hatte Recht. Man hätte doch Bilder oder zumindest Kleidung von Hexen oder anderen Fantasiewesen gefunden. Meine Eltern hätten mir längst so etwas erzählt. Meine Eltern... Ich vermisste sie und meine Schwestern. Ich versuchte meine Gedanken von meiner Familie abzuschütteln. Ich blickte zu meinem Begleiter. Er schaute ruhig zu mir. Diese grünen Augen. So... Wow. Verdammt. Nein. Denk sowas nicht. Er. Ist. Dein. Feind. Vanya. Bakston und ich gingen in die Hütte, legten uns in die nicht sehr gemütlichen Holzbetten und gaben uns ein schnelles „Gute Nacht". Dann schlief ich ein.

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Heyyy
Morgen Abend kommt das nächste Kapitel. ❤️✨

Kirkonas VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt