-Er- 6: Zwischen reich und gut

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Schritt für Schritt kamen wir immer näher an die Grenze zwischen den beiden Ländern. Näher an den Abschied. Näher an den Gedanken, das ich diese nervige Prinzessin loswerde. Naja. Ich denke, ich würde es vermissen, wenn sie mich nicht mehr nerven würde. Wir stapften durch den Wald. Wir kamen immer näher. Hundert Meter entfernt. Dann nur noch fünfzig. Zwanzig Meter davor blieben wir stehen.
„Na dann." begann ich und steckte meine Hände in die Taschen meiner Hose. Sie blickte auf den Boden. Ich sah ihre wunderschönen Augen nicht mehr.
„Bis zur Grenze?" erinnerte sie sich selbst kleinlaut.
„Bis zur Grenze." wiederholte ich.
„Kannst du mir folgen?" murmelte sie „Wohin?" erwiderte ich. „Bis zum Palast." Dort würde ich nach den ersten zehn Metern verhaftet werden. Auf keinen Fall. Ich kann sie aber auch nicht ganz alleine lassen...

„W-Würdest du mitkommen, wenn ich dir einen Kuss im Gegenzug geben würde?"
Wie bitte?! Was hatte sie gesagt? Eine Prinzessin fragte mich ob sie mich küssen darf?! Ich meine, ich hätte da nichts dagegen, aber... sie ist eine verdammte Prinzessin... die extrem süß und wunderhübsch ist. Nein. Denk sowas nicht. Klappe halten, Bakston. Du bist ein Verbrecher. Andererseits würde das niemand sehen. Mein Vater hatte recht. Es stimmt, manchmal ist das gefährlichste Tier der Schmetterling im Bauche eines Menschens... Langsam nahm ich ihre Hand.
Ich stimmte zu: „Ja, werde ich..."
Plötzlich spürte ich ihre andere Hand an meinem Hals. Sie zog mich zu sich. Ich tat nichts dagegen. Unsere Gesichter waren eine Handflächenbreite voneinander entfernt. Sie schluckte. Ihre blauen Augen blitzten in meine. Wie das unendliche Meer. So atemberaubend schön.
„Du starrst" murmelte sie plötzlich schmunzelnd. Ich nickte und und bewegte meine Hand zu ihrem Kinn.
„Ich weiß, Prinzessin."
Im nächsten Moment zog sie mir meine Kapuze über den Kopf und zog sie so weit zu, dass meine Augen bedeckt waren. Ich blickte ins Schwarze. Meine Hände verschwanden in meinen Taschen der Jacke. Ich vertraute ihr. Sekunde. Ich vertraute einer Prinzessin?!
Vanya lachte leise und flüsterte dann: „Auf nach Hause, einsamer Wolf." Bevor ich antworten konnte, spürte ich ihre Lippen auf meiner Wange. So sanft und liebevoll. Dann hörte ich wie sich Schritte entfernten und ich nahm die Kapuze ab. Ihr Gang war still aber selbstsicher. Ich folgte ihr und konnte ein Grinsen nicht unterdrücken.
Vanya schlenderte Richtung Grenze, die aus einem normalen Pfad bestand. Keine Fallen, keine Mauer, nicht mal einen Holzzaun gab es. Dafür stand hinter jedem Baum in diesem Wald eine Wache aus Suntra. Langsam schlichen wir uns an den Wachen vorbei und gingen durch ein Dorf. So schöne Dörfer gab es in Wartunia nicht. Aus Stein oder stabilem Holz und alle trugen Kleidung, die sich die Bewohner im Wartunia nicht leisten konnten. Als ich an der Pintafel ein Bild mit meinem Namen entdeckte, zog ich mir schnell die Kapuze über den Kopf. Einige, die uns sahen, begrüßten Vanya und verneigten sich. Sie nickte nur höflich. Sie... Sie war tatsächlich die Prinzessin? Verdammt. Ich hab eben eine echte Prinzessin geküsst.

Als wir ein Tor erreichten, nickte Vanya den Wachen zu. Diese öffneten das Tor und sagten: „Willkommen zu Hause, Prinzessin." Ich staunte als ich hinter dem Tor ein riesigen weißes Schloss mit goldenen Türmen und silbernen Stahl Türen erblickte.
„Du starrst." schmunzelte sie.
„Ich weiß, Rotkäppchen." antwortete ich nur und folgte ihr zur riesigen silbernen Tür vom Schloss. Ich blickte ihm auf. Ein kitschiger bunter Garten war um das Schloss erbaut. Nein, das war ganz und gar nicht meins. „Wenn das das Haus deiner Großmutter ist, will ich nicht das Haus deiner Eltern sehen." murmelte ich.
Ich konnte ihre Augen verdrehen beinahe hören. Vanya blieb stehen und nickte einer Wache zu. Diese öffnete die Tür. Eine Frau, weiße Haare und blaue Augen, lief hinaus. „Vanya! Du bist zurück!" rief sie und warf sich halb auf die Prinzessin. Die Königin. Ich ging ein paar Schritte zurück als ich den König entdeckte der seiner Frau folgte. Weiße Haare. Dunkelblaue Augen und einen ersten Blick. Ich zog meine grüne Kapuze tiefer ins Gesicht und merkte das ich mich auf gefährlichen Raum bewegte. Das Königspaar trug goldene Kleidung aus Seide und teurem Stoff. Die beiden begrüßten Vanya. Vanya lächelte und deutete dann auf mich: „Mutter. Vater. Das ist-„
„Ein Dieb!" unterbrach ihr Vater sie.
Wie hatte er mich erkannt? Ich hatte meine Gesicht komplett bedeckt. Also nahm ich die Kapuze ab und blickte leicht lächelnd in die Runde. Die ernsten Blicke ihrer Eltern ließen mir ein Schauer über den Rücken laufen. Schnell versuchte ich mich zu erklären: „Verzeihung. Ich wollte die Prinzessin nur zum Palast bringen und-"
„Du bist Bakston. Nicht wahr, Junge? Was tust du hier?" sagte er. Ich schluckte: „Ja, Sir. Ich bin Kieran Bakston. Die Prinzessin hatte sich in Wartunia verlaufen und ich brachte sie zurück, Sir."
Die Augen von Vanya's Mutter wechselten von Überrascht zu dankbar und liebevoll: „Danke, Wir-„ diesmal unterbrach der König seine Frau: „Stimmt das, Tochter?" Vanya blickte kurz zu mir und nickte ihrem Vater dann ruhig zu.
Der König blickte mich an, als wäre ich Dreck. Es interessierte mich nicht. In unter einer Stunde war ich wieder in Wartunia und würde dort mein Leben weiter leben. Mit der Freiheit. Das war der Deal erinnerte ich mich plötzlich. Also wendete ich mich zu Vanya, die gerade von ihrem Vater beschimpft wird, das ihr teures Kleid viele Kratzer und Löcher habe. Naja. Kommt halt vor, wenn man ein paar Tage im Wald lebt und sich nur von Wanderfutter und Wasser aus einem Bach ernährt. Ich versuchte sie zu retten und begann: „Was war mit dem Deal, Prinzessin?"
Der König, offensichtlich nicht sehr glücklich das ich ihn unterbrochen hatte, blickte fragend zu seiner Erstgeborenen. Diese zögerte kurz und räusperte sich dann: „Äh- ja genau. Vater? Kieran hat mich sicher nach Hause gebracht. Ohne ihn hätte ich dort nicht überlebt. Ich wollte fragen ob-"
„Nein. Er bekommt weder irgendwelche Erlaubnisse noch Freiheiten. Er gehört hier nicht hin. Dieser Dieb ist ein Verbrecher." Der König würdigte mich keines Blickes. Keine Freiheit? Das war aber der Deal! Ich musste einschreiten und zumindest etwas sagen, obwohl es nicht bringen würde. Doch der weißhaarige Mann fuhr fort: „Er kann jedoch eine Nacht im Palast schlafen" Dann drehte er sich mit einem eiskalten Blick zu mir: „Und Morgenfrüh sind sie vor Sonnenaufgang verschwunden. Verstanden, Bakston?" Ich nickte direkt.

Kirkonas VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt