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Ich stand vor dem Fenster, meine Spiegelung in der Scheibe lächelte mich freudvoll an.
Die Sonne strahlte regelrecht durchs Fenster und erhellte das Zimmer und blendete meine
Augen im selben Zug. Ich dachte darüber nach, ob das Wetter wohl weiter mitspielen
würde für unseren Plan oder ob er noch wortwörtlich ins Wasser fallen würde. Eine
weitere Spiegelung von einem Gesicht gesellte sich neben die meine.
„Worüber denkst du nach schöne Frau?", fragte die mir allzu gut bekannte Stimme neben mir.
„Ach, nur über das Wetter. Ich hoffe es fängt nicht an zu regnen später.", antwortete ich
und drehte mich zu der Person um. Diese war niemand geringeres als mein Freund und
die Liebe meines Lebens. Er drückte mir einen Kuss auf die Stirn.
„Du denkst zu viel nach. Das sag ich dir aber immer wieder."
Ich lächelte nur und schnappte mir im Weggehen unsere gepackte Tasche. Wir hatten für diesen Tag überlegt picknicken zu gehen und hatten dafür auch schon alles vorbereitet
und zusammengepackt. Schnell zogen wir noch unsere Schuhe an und machten uns auf
den Weg zum Auto. Er setzte sich auf die Fahrerseite, wie immer, weil er wusste wie
ungern ich fahre. Er war ja so aufmerksam.
Auf der Fahrt unterhielten wir uns ganz normal wie immer, bis er auf einmal etwas stiller
wurde.
„Ist alles okay?", fragte ich ihn leicht besorgt.
„Jaja,", winkte er ab. „Ich hab nur etwas nachgedacht."
Ab diesem Moment war es still, die einzigen Geräusche kamen vom Radio, welches im
Hintergrund leise weiterspielte. Die Strahlen der Sonne nahmen langsam ab, wodurch es
etwas dunkler im Auto wurde. Nicht viel, aber doch ein Stück.
Nach einer Weile kamen wir bei unserer Wiese an. Diese lag relativ nah am Waldrand und
wenn man Glück hatte, konnte man auch gelegentlich Rehe sichten. Wir nannten es
unsere Wiese, weil wir hier unser erstes Date hatten und uns auch hier verlobt hatten vor
10 Monaten. Der goldene Ring glänzte an meinem Finger, als ich auf ihn runter sah.
Wir holten unsere Sachen aus dem Kofferraum und liefen ein kleines Stück weiter auf die
Wiese bis wir an der Stelle waren, an der wir immer saßen. Er breitete die Decke aus und
nahm mir die Tasche aus der Hand damit ich mich setzen konnte. Danach legte er sie
neben mir ab und setzte sich ans andere Ende der Decke. Nachdem wir unsere Snacks
ausgepackt hatten, etwas Obst, paar Milka-Brownies (die liebte er so sehr) und noch
weitere Sachen wie Sandwiches etc. ließen wir noch etwas Musik laufen. Diese passte zur
idyllischen Atmosphäre, die der Platz hier ausstrahlte. Ich konnte nicht anders als zu
grinsen wie ein kleines Kind, welches versprochen bekommen hat, dass es nach dem
Abendessen noch ein Eis essen darf.
Er war allerdings immer noch verdächtig still, was für ihn ziemlich ungewöhnlich war, da
er normalerweise nicht aufhören konnte zu reden.
„Gibt es etwas worüber du reden möchtest?", fragte ich ihn nochmals, weil ich mir
einfach nicht erschließen konnte, was los war.
„Nein, ich sagte doch: Es ist alles okay.", erwiderte er schon leicht gereizt.
Verwundert schaute ich ihn von der Seite an, beschloss aber das Thema erstmals ruhen
zu lassen. Stattdessen versuchte ich dann ihn abzulenken, indem ich ihm von der Arbeit
und anderen neuen Sachen, von denen ich erfahren hatte, erzählte. Es schien jedoch,
dass er nur mit halbem Ohr zuhörte und in Gedanken verloren an seinem Brownie
knabberte. Die weiter untergehende Sonne warf dunkle Schatten in sein Gesicht und
verdunkelte leicht seine grünen Augen.
Es zog ebenfalls ein Wind auf, der aber angenehm war und seine Locken mit nach hinten drückte.
„Du weißt, dass ich dich liebe.", sagte ich ihm und beugte mich näher, um ihn einen Kuss
zu geben.
„Ja.", antwortete er und drehte seinen Kopf etwas weg von mir. Es war nur eine kleine
Bewegung, die mein Herz aber dennoch leicht anknacksen ließ. Auch die Antwort verlieh
mir einen kleinen Stoß. Kein „Ich liebe dich auch.", kein „Du bist mein Schatz.", nichts.
Nur ein trockenes „Ja", was sogar von einem Bären gesagt enthusiastischer klingen
würde.
Ich setzte mich etwas aufrechter hin. Der mittlerweile frische Wind ließ mich zugleich
etwas frösteln, weshalb ich mein Jäckchen enger um mich zog.
„Jetzt mal ganz ehrlich, was ist denn heute los mit dir? Du verhältst dich schon beinahe
den ganzen Tag so komisch."
Er drehte seinen Kopf zu mir, seine ungewohnt matten Augen schauten mich jetzt voller
Reue an.
„Ich glaube wir müssen uns trennen."
Bei diesem Satz fiel mir die Kinnlade runter. Meine Gedanken fingen an zu rasen, mein
Herz pochte schneller. Ich hoffte so sehr, dass ich mich nur verhört hatte und er
stattdessen gesagt hatte „Ich fange morgens wieder an zu rennen." oder so etwas in der
Art.
„Wie bitte?", fragte ich fassungslos.
„Ich glaube wir müssen uns trennen.", wiederholte er zu meinem Bedauern.
Bei diesem Satz brach mein schon angeknackstes Herz in tausende von Stücken. Die Sonne war mittlerweile vom Himmel verschwunden und der Wind hatte an Tempo und Kälte zugenommen.
„Versteh mich bitte nicht falsch, ich trenne mich nicht von dir, weil ich dich nicht mehr
liebe. Ich glaub ich brauch einfach diese Zeit für mich, um herauszufinden, was ich
wirklich möchte und um mich dabei selbst zu finden."
„Aber das kannst du doch auch wenn wir zusammen sind machen.", brachte ich unter
Tränen hervor. Der Ring an meinem Finger wog auf einmal gefühlte Tonnen.
„Es kann sein, dass ich realisiere, dass dies ein Fehler war und ich mich wieder melde.
Aber betrachte das hier als ‚vorläufiges Aus'."
Die Tränen, die sich in meinen Augen bildeten, flossen mir unaufhörlich die Wangen
herunter, ich musste wegen meiner Nase schniefen und mir fehlten einfach die Worte.
„Aber wir sind doch verlobt.", flüsterte ich. „Ich dachte wir werden heiraten, bekommen
Kinder und werden miteinander alt. Ich dachte das wäre die eine Beziehung, die für immer
hält." Ich schaute ihm in seine Augen.
„Bitte schau mich nicht so an.", sagte er. In seinem mitleidigem Blick war keine einzige
Spur von Tränen.

Das war der Moment, nach welchem in meinem Leben nie wieder die Sonne aufging.

SonnenuntergangWo Geschichten leben. Entdecke jetzt