17. Ablenkung

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Die restliche Woche verging wie im Flug. Ehe ich mich versah, war meine Schicht im Museum vorbei und in den Umkleideräumen tauschte ich meine Uniform gegen eine dunkle blaue Jeans, ein weißes Shirt mit einem kleinen cut out am Dekolleté und Ärmel aus Spitze. Darüber zog ich meine ramponierte Jeans Jacke an. Meine Haare fielen mir erneut lockig über die Schultern.
„Können wir los?", fragte Celine und hüpfte neben mir auf und ab.
„Jetzt warte doch. Ich brauch noch etwas", lächelte ich und sperrte meinen Spind ab. Bis auf eine kleine Tasche, ließ ich den Rest auf der Arbeit. Celine hakte sich bei mir ein und zog mich förmlich zum Rockefeller Center. Nach etwas über einer halben Stunde kamen wir an. Genügend Zeit war auch noch und unterwegs holten wir uns einen Snack und etwas zu trinken. Die Schlange, welche sicherlich seit gestern begonnen hatte, war inzwischen beachtlich lang geworden.
„Wir hätten uns doch frei nehmen sollen", jammerte Celine.
„Hör auf zu jammern. Wir hören sie ja trotzdem", lachte ich und stellte mich mit ihr am Ende der Schlange an. Sobald wir an der Reihe waren, zeigte Celine die Karten vor und wir mussten unsere Taschen zur Kontrolle abgeben.
„Viel Spaß", wünschte uns der Security und winkte uns durch.
„Das wird so cool werden!", rief Celine und rannte los um noch gute Plätze zu ergattern. Am liebsten wäre ich hinten geblieben, tat es ihr zur Liebe jedoch nicht. Ganz nach vorne kamen wir natürlich nicht mehr, aber wir mussten auch nicht in der letzen Reihe stehen. Die goldene Mitte trifft es perfekt und hinter mir war eine Abgrenzung, sodass ich noch etwas Platz hatte. Ich zog meine Jacke aus und legte sie über meinen Arm. Die Halle füllte sich zunehmender und auch der Geräuschpegel nahm immer weiter zu. Ich war schon auf einer handvoll Konzerten, aber nie im Rockefeller Center und nie bei dieser Band, da mir dieses Musik Genre eher weniger zusagte. Dennoch verbreitete sich hier eine enorme Stimmung. Im Hintergrund lief leise ein Song, den ich nicht kannte. Die dutzend Stimmen um mich herum hörten sich an wie ein Summen. Für einen Moment kamen Bedenken auf, ich könnte wieder Kopfschmerzen bekommen. Ich stellte mich neben Celine die total hibbelig war. Pünktlich um 19 Uhr trat die Vorband auf die Bühne. Eine kleine Gruppe von drei Musikern die sich wohl im Pop Genre gefunden haben. Sie waren gut, stellte ich fest und die anderen Fans spiegelten eine gute Laune wider. Ich lächelte und ließ mich auf das Feeling ein. Wie froh ich war, nicht ganz vorne zu stehen. Vier Songs später, war die Pflicht der Vorband getan und im Hintergrund fanden kleine im Umbauarbeiten statt.
„Gleich gehts los", rief mir Celine zu.
„Die Vorband war auch nicht schlecht", teilte ich ihr mit und begann den Abend wirklich zu genießen. Ich bereute es nicht, mitgekommen zu sein. „Danke nochmal, dass ich mitkommen durfte", dankte ich ihr und schloss sie in meine Arme.
„Huch. Nicht so fest, Steph", meinte Celine und ließ sie sofort los.
„Oh! Entschuldige", sagte ich sofort und runzelte für einen Moment meine Stirn.
„Du hast dich verändert", stellte sie plötzlich fest.
„Wie meinst du?", fragte ich nach.
„Du bist anders als sonst. Lebendiger, fröhlicher. Halt nicht mehr so in dich gekehrt. Gibt es da etwas, was ich wissen muss? Bist du etwa verliebt?", grinste sie verheißungsvoll.
„Ach, das kommt dir sicher nur so vor, Cel", warf ich ab und lächelte sanft.
„Komm schon, Steph. Du kannst es mir erzählen."
„Es ist wirklich nichts. Ich hab nur beschlossen mein Leben zu ändern", meinte ich schulterzuckend. Währenddessen lief der Technik-Check ab. Für einen kurzen Moment schrillte das Mikro durch die Lautsprecher. Nicht nur ich fuhr zusammen, sondern auch alle anderen und das schrillen in meinem Kopf hallte wider. Mit den Händen versuchte ich das Pochen in meinem Kopf zu bändigen.
„Alles okay?", fragte Celine besorgt und legte ihre Hand auf meine Schulter.
„Ja, ja. Klar. Der Sound war grad etwas zu grell", lächelte ich und ließ langsam meine Hände wieder sinken. Glücklicherweise hielt das Pochen nicht allzu lange an. Circa eine halbe Stunde später, kam dann der eigentliche Act des Abends. Die Halle erfüllte eine bombastische Stimmung und ich musste mich einfach mitreißen lassen. Wieder einmal bereute ich die Entscheidung überhaupt nicht. Vor allem nach der Trennung von Peter, war das Konzert eine perfekte Ablenkung. Die Band spielte ihr gesamtes neues Album sowie ein paar Bonustracks. Eine Mischung aus gute Laune Songs und Balladen, erfüllten den Abend. Wobei ich die Balladen gerne ausgelassen hätte. Aber sei es drum. Ich sog jeden Moment in mich auf wie ein Schwamm und ließ mich treiben. Zwei Stunden später verstummte das letzte Lied und die Menge brach im endlosen Jubel aus. Celine neben mir schrie was das Zeug hielt. Sie würde morgen sicherlich heißer davon sein, was mich amüsierte. Eine Zugabe von drei weiteren Songs, gab uns die Band auch noch, bevor sie sich endgültig von der Bühne verschwand. Ein kurzer Blick aufs Handy verriet mir, dass es halb 12 war.
„Hey die geben im Anschluss noch Autogramme. Ich muss eins haben", quickte Celine neben mir.
„Klar nur zu. Ich werde derweil draußen warten", tat ich kund und deutete mit dem Daumen zum Ausgang. Nach 3,5 Stunden in der Halle brauchte ich dringend frische Luft. Der Geruch von Parfüm und Schweiß war doch etwas zu viel für mich und noch nie nahm ich beide Gerüche so intensiv wahr. Während Cel sich für die Autogramme anstellte, bahnte ich mir meinen Weg nach draußen. Kaum schwang ich die Tür auf und konnte die ersten Atemzüge nehmen, atmete ich tief ein und wieder aus. Das Konzert war überstanden. Ohne Kopfschmerzen. Innerlich jubelte ich und beobachtete das rege Treiben der Stadt. Selbst zu später Stunde, waren die Straßen noch gut gefüllt. Während ich auf meine Freundin wartete, zog ich mir meine Jacke über und beschäftigte mich am Handy. Dabei dauerte es mit Celine etwas länger als erwartet. Nach einer gefühlten Ewigkeit stolperte sie dann mit einem fetten Grinsen im Gesicht auf den Gehweg.
„Hab ich einen Hunger", stöhnte sie auf und hakte sich wieder bei mir unter.
„Geht mir auch so", stimmte ich zu und wir suchten uns noch ein Lokal um unsere Mägen zu füllen. Am Broadway fanden wir ein Diner und ließen uns dort nieder. Celine schwärmte großteils von dem Konzert und präsentierte mir voller stolz ihr Autogramm sowie ein Foto.
„Cool. Hat sich das Warten ja gelohnt", lächelte ich. Sobald die Bedienung kam, bestellten wir etwas zu trinken und eine Kleinigkeit zum Essen. Ich wollte nur eine Cola und Pommes mit Mayonnaise. Celine nahm sich dagegen einen Burger mit Bacon.
„Also. Wer ist derjenige der dich glücklich macht?", fing sie das Thema vom Konzert wieder auf. Ich seufzte und blickte auf den Tisch.
„Es... es ist kompliziert", antwortete ich langsam und zuppelte an der Servierte herum.
„Wer ist es denn?", wollte sie weiter wissen.
„Einer von der Uni. Er geht in ein Paar meiner Kurse", ließ ich sie wissen und blickte zu ihr auf.
„Aber?"
„Ich weiß auch nicht", meinte ich frustriert. „Er hat in der Vergangenheit einige Verluste hinnehmen müssen und seitdem... Naja... seitdem hat er Angst, wenn er jemand Neues in sein Leben lässt, dass er die Person auch verlieren wird", erzählte ich ihr die halbe Wahrheit. Das Peter Spider-Man ist, konnte ich unmöglich auf den Tisch legen. Celine würde zum Ersten vollkommen ausflippen und zum Zweiten hatte ich das Gefühl, Peter zu hintergehen.
„Das tut mir leid", lautete Cel's Kommentar.
„Habt ihr darüber geredet?"
„Natürlich haben wir darüber geredet", rief ich verzweifelt und ließ meine Hände auf die Tischplatte fallen, was einen dumpfen Schlag gab und sämtliche Aufmerksamkeit auf uns richtete. „Aber er stößt mich vehement von sich. Egal was ich sage."
„Es ist kompliziert", wiederholte sie meine Aussage, woraufhin ich eine Schulter hochzog und nickte. „Hattet ihr schon was am Laufen?" grinste sie verheißungsvoll und blickte mich neugierig an. Jetzt wurde es mir unangenehm und errötete.
„Nicht so direkt. Nur geküsst", antwortete ich kleinlaut.
„Von ihm oder von dir?", grinste sie breiter.
„Großteils von seiner Seite", nuschelte ich und kaute wieder an meiner Lippe herum.
„Er steht auf dich!"
„Was du nicht sagst", erwiderte ich und funkelte sie an.
„Steph ist verliebt", sang Cel förmlich und kicherte vor sich hin. Doch dann wurde sie wieder ernst. „Habt ihr nochmal geredet?"
„Nein. Ich hab ihn weitestgehend gemieden."
„Uhh. Ganz schlecht", machte sie jetzt auf Beziehungsexperte. „Wegen was habt ihr euch eigentlich getrennt?"
Ich weiß auch nicht, vielleicht, weil ich nicht auf ihn hörte, als Volta New York versenken wollte und ich unerlaubt seinen Netzshooter benutzt habe? Ach ja übrigens davon kamen auch die Verletzungen. Ich bin übrigens gegen ein Fenster gekracht, dachte ich sarkastisch.
„An dem Abend als Volta New York Angriff... nun ja... er wollte, dass ich nach Hause fuhr, was ich aber nicht tat. Im Gegenteil ich bin ihm eigentlich gefolgt und schneller als ich schauen konnte, war ich mitten im Geschehen", flunkerte ich teilweise.
„Du bist echt wahnsinnig!", stellte Celine fest, was mich zum Lachen brachte.
„Sagt die, die bei Rhino in der 1. Reihe stand und Spidey am liebsten wie ein Cheerleader angefeuert hätte", zog ich sie auf und blickte sie mir hochgezogenen Augenbrauen an.
„Das war etwas vollkommen anderes!", versuchte sie sich aus der Misere zu retten.
Wieder lachte ich auf.
„Leugne es nicht, Cel", lachte ich.
„Ja okay es ist das Gleiche", schmollte sie.
Zwischenzeitlich kam unsere Bestellung und hungrig stürzten wir uns darauf. Für uns blieb das Diner eine halbe Stunde länger auf, was wir auch mit einem entsprechenden Trinkgeld belohnten. Sobald alles erledigt war, dankten wir nochmal und wünschten eine gute Nacht.
„Danke nochmal", dankte ich meiner Freundin abermals und nahm sie etwas vorsichtiger in den Arm.
„Immer wieder gerne. Und denk daran - reden!", gab sie mir den Rat mit.
„Aye, aye, Kapitän", scherzte ich und winkte ihr zum Abschied. Es war wirklich ein schöner Abend gewesen und langsam musste ich mich zurück nach Hause begeben. Ich lief zurück zum Times Square um irgendwie nach Hause zu kommen.
„Steph?", nahm ich eine allzu vertraute aber auch verwunderte Stimme wahr. Ich drehte mich in die Richtung, aus der die Stimme drang und erblickte Peter.
„Hallo Peter", grüßte ich ihn ein wenig distanziert.
„Wie gehts dir?", wollte er wissen und kratzte sich am Kopf.
„Danke. Mir gehts gut", kommentierte ich. „Und... und dir."
„Mir gehts auch gut", antwortete er schnell und kam weiter auf mich zu. „Was... was machst du hier?", erkundigte er sich.
„Ich war auf einem Konzert mit einer Freundin und bis eben noch etwas essen", sprach ich und blickte unruhig umher. Ich wollte jeglichen Blickkontakt meiden.
„Okay", nuschelte Peter und blickte ebenso zum Boden. „Und sonst? Alles okay?" Smalltalk steht dir nicht, Parker, dachte ich mir und kaute auf meiner Lippe herum. „Du warst ja die Woche krank."
„Ja war wohl ne fette Erkältung oder so", tat ich meine Abwesenheit ab und zuckte meine Schultern. „Aber alles wieder gut."
„Okay", nuschelte er weiter. Eine drückende Stille breitete sich zwischen uns aus. Wir beide mieden den Blickkontakt und bissen nervös auf unseren Lippen herum.
„Hör zu ich... es tut mir leid okay. Wegen dem Vorfall meine ich", brach ich die Stille, da diese langsam unerträglich wurde. „Ich weiß ich hätte auf dich hören sollen."
„Ja. Mir... mir tut es auch leid", entschuldige auch er sich und blickte wirklich entschuldigend zu mir auf.
„Okay", hauchte ich.
„Du... siehst übrigens toll aus", machte Pete mir ein Kompliment, was mich lächelnd ließ.
„Danke", nahm ich sein Kompliment an.
„Deine Wunden scheinen auch verheilt zu sein", stellte er nun fest.
„Ja", rief ich. „Zum Glück. Nur die Jacke bleibt ein Andenken", vervollständigte ich meinen Satz und rückte meinen linken Arm ein wenig in den Vordergrund.
„Ja", stimmte er mir zu und lächelte sanft. Da standen wir nun. Auf dem Times Square wie zwei begossene Pudel.
„Obwohl ich zugeben muss, dass ich dich gerne hätte schwingen sehen", platzte es aus ihm heraus und begann zu lachen, wo ich mir einstimmte.
„Oh nein", rief ich abermals. „Das hättest du nicht sehen wollen! Es war einfach nur unbeholfen. Absolut keine Grazie so wie du", lachte ich und wischte mit einer Handbewegung Peters Wunsch beiseite.
„Du willst lieber nicht wissen, wie meine Anfänge waren", scherzte er und setzte zum laufen an. Automatisch tat ich es ihm gleich.
„Wenn ich mir vorstelle, wie es bei mir war, stelle ich mir das sehr unterhaltsam vor", lachte ich.
„Ja. Ja das war es sicherlich", meinte er grinsend. Wieder setzte sich die Stille über uns.
„Freien Abend?", wollte ich wissen, weil ich nicht wusste über was ich reden sollte.
„Kann man so sagen", lächelte er weiterhin.
„Darf auch mal sein", erwiderte ich und schritt neben ihm her.
„Auf jeden Fall", pflichte er bei und blieb stehen. Anschließend drehte er sich zu mir um und blickte mich an. „Ich war ein Idiot, Steph. Ich war so ein großer Idiot!", meinte er schuldig. Wir blickten uns an.
„Peter", meinte ich nur und merkte wie mein Blick weicher wurde.
„Nein! Nicht! Lass mich ausreden!", bat er mich. „Du hattest recht. Mit allem und es tut mir leid", sprach er ein wenig hilflos. „Es tut mir leid, was passiert es und es tut mir leid, dass ich dich weggestoßen habe. Ich weiß ich hätte es nicht tun sollen und ich weiß, dass es sich nicht wiederholen wird. Aber... dich verletzt im Krankenwagen zu sehen... die Angst... sie war wieder da."
„Ich weiß, dass du die Vergangenheit nicht mehr wiederholen willst, Peter", sprach ich. „Aber ich kann nur wiederholen, was ich damals schon sagte."
„Ich weiß und ich dachte, ich könnte es mit der Trennung abwenden. Aber dann merkte ich, dass du recht damit hast. Es ist egal was zwischen uns ist, weil du meine Wunde Stelle sein wirst." Peter legte seine Hände liebevoll an mein Gesicht und ich konnte nicht anders, als weich zu werden. „Du hast recht und ich war so dumm", wiederholte er und sah mich entschuldigend an.
„Es ist okay, Peter", sagte ich leise und sah ihn an.
„Nein Steph", widersprach er eindringlich und blickte wieder zur Seite. „Mir ist klar geworden, dass ich meine Fehler wiederhole und... ich auch dir vertrauen muss." Wow. Das ist ja mal etwas ganz neues. „Es tut mir leid." Ich lächelte sanft.
„Danke Peter", sprach ich und sah ihn an. „Mir auch", pflichtete ich bei. Ich zog seine Hände von meinem Gesicht und schmiegte mich an ihn. Seine Arme um mich zu spüren war ein enormer Trost zu den letzten Tagen.

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