Kapitel 22

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Gegen die Tür ihres Schlafzimmers gelehnt beobachte ich Juliette, wie sie ihre letzten Sachen zusammenkramt und sie irgendwie in ihren kleinen Koffer packt. Das Packen sieht zumindest etwas professioneller aus, als wenn ich das getan hätte. Belustigt gibt sie immer irgendwelche Kommentare ab über das, was wir in den nächsten Tagen so vorhaben und ich stehe komplett neben mir hier in der Tür, lache, wenn es angebracht ist und nicke immer wieder nur halbherzig mit. Überhaupt nicht auffällig, Christian...

Und wenn ich mir selbst das schon gar nicht abkaufen kann, dann meine Freundin erst recht nicht. Mit irgendeinen Shirt in der Hand steht sie vor ihrem Schrank, mustert mich einmal genaustens und ich gebe mir nicht mal mehr die Mühe, irgendwas zu verstecken. Das, was Juliette bis eben noch in der Hand hatte, legt sie zur Seite und kommt die letzten Schritte noch auf mich zu. Mit etwas Abstand bleibt sie vor mir stehen, schaut zu mir rauf und legt nach kurzer Überlegung auch ihre Hand an meinen Kopf.
Juliette: Was ist los mit dir, Chrissy?"
Chris: Willst du das jetzt vor dem Urlaub wissen?"
Juliette: Es belastet dich und das wird es auch die nächsten Tage. Daher will ich wissen, was es bitte ist."
Lüge oder die Wahrheit? Ich will Juliette niemals mehr wegen sowas anlügen. Mit meinen Flunkereien bin ich die letzten Jahre nicht sehr gut gefahren und früher oder später würde das sowieso wieder Thema werden.
Chris: Bevor ich eben gehen konnte, hatte mich mein Bruder nochmal mehr oder weniger aktiv abgefangen, um kurz zu reden."
Juliette: Ist irgendwas wegen der Show? Wegen den Aufzeichnungen oder eurer Prämiere jetzt bald im November?"
Ich schüttle den Kopf, denn ausnahmsweise geht es nicht darum. Nicht direkt.
Chris: Auch wenn er es nicht aktiv mitbekommen hatte, Andreas hatte mich gefragt, was bitte zwischen dir und Levi los ist. Er hatte das beim Tourabschluss gesehen und auch, wie ihr die letzten Tage drauf wart."

In ihrer Haltung bleibt Juliette stehen, auch ihr Blick ist in meine Richtung gefroren und es braucht einen Moment, bis sie es schafft, wieder in den Raum zu schauen und von mir weg. Ganz langsam nimmt sie dabei auch wieder ihre Hand zu sich und da mir diese Reaktion nicht sonderlich gefällt, versuche ich ein bisschen mehr von ihre zu Gesicht zu bekommen.
Chris: July?"
Juliette: Ich weiß einfach nicht, was ich mit ihr anfangen soll. Ja, ich verhalte mich echt kindisch, dass ich ihr permanent aus dem Weg gehe, aber ich habe es versucht."
Vom Nachttisch nimmt sie ihr Handy, was bis eben gerade noch geladen hatte, geht die paar Schritte wieder zu mir und reicht mir eben dieses, wobei ich gleich den Chat von Levi und Juliette gezeigt bekomme.
Juliette: Hey Levi, können wir nach der Sache in der Halle nochmal miteinander reden? Ich würde gerne verstehen, was du von mir willst.
Juliette: Habe ich irgendwas getan, was dir nicht passt, womit ich dich verletzt oder womit ich deine Grenzen überschritten habe?
Juliette: Hatte Chris etwas angestellt, was du mir nicht sagen willst?
Juliette: Ist irgendwas vorgefallen, was ich nicht mitbekommen habe?
Das Handy halte ich noch immer in der Hand, schaue darüber hinweg aber erneut zu Juliette, die nun wieder vor ihrem Kleiderschrank steht.
Chris: Du hast ihr das alles geschrieben?"
Juliette: Ja, ich bin scheinbar in einer Welt aufgewachsen, wo ich geglaubt habe, dass man auf Dinge, die geklärt werden müssen, auch antwortet."
Ihr Blick geht zu mir rüber, das Grinsen auf ihren Lippen unterstreicht meinen patzigen Blick, den ich ihr gerade noch zeige.
Chris: Ist okay, hab den Wink mit den Zaunpfahl gemerkt."

Für einen winzigen Augenblick lacht Juliette, bevor sie ihren Blick auf den Boden schweifen lässt, einmal durchatmet und ich bekomme dann auch mit, dass ihre Stimmung ein wenig absinkt, wieder schlechter wird. Sagt sie mir irgendwas nicht oder hat sie wirklich gar keine Ahnung von alledem?
Chris: Könnte Levi eifersüchtig sein?"
Juliette: Worauf?"
Verwirrt richtet sie ihren Kopf wieder in meine Richtung, während ich nur mit den Schultern zucken kann.
Juliette: Sie kann ihren Chef ja nicht mal richtig leiden. Dass sie dich »okay« findet, davon bist du wohl noch ein bisschen entfernt."
Das Folgende muss ich nicht mal richtig aussprechen, da meine Blicke ihr verraten, was ich sie als nächstes Fragen wollen würde. Ich kann es nicht leugnen, Juliette ist für mich eine sehr attraktive Frau. Ihr Körper, ihre femininen Kurven, ihre langen, schwarzen Haare mit den grauen Strähnen, diese unzähligen Tattoos, ihren Teint, das süße und verlegenen Lächeln auf ihren weichen, roten Lippen und selbstverständlich ihre dunklen Rehaugen.
Juliette: Levi kann nichts mit Frauen anfangen."
Chris: Ich meine ja nur."
Das, was sie in der Hand hatte, bekomme ich zugeworfen und ich schaffe es noch gerade so, das zu fangen. Juliette schaut patzig weg, bekommt mein freches Lachen noch zu hören und versucht sich von mir abzuwenden.

Durch den Spiegel an der Seite bekomme ich mit, dass sie nicht weiter mit dem Packen beschäftigt ist, sondern ziemlich in sich gekehrt wirkt. Ich lege das zugeworfene Kleidungsstück mit aufs Bett, betrachte sie noch einen Moment, bevor ich doch auf sie zugehe. Zuerst wendet sie sich noch weiter von mir ab, bis ich meine Arme um sie lege, sie zu mir hole und an mich drücke, damit ich zu ihr runterschauen kann. Und auch wenn sie meine Blicke meidet, sie öffnet sich mir gegenüber ein wenig mehr.

Genervt atmet sie durch, lässt ihren Kopf kurz hängen und schließt ihre Augen.
Juliette: Ich verstehe Levi ja auch nicht. In München war sie mein größter Support, hatte danach auch immer wieder gehofft, dass wir beide miteinander reden. Dann konnte ich ihr endlich sagen, dass wir das miteinander versuchen, sie hatte sich ehrlich gefreut und plötzlich wird sie so seltsam!"
Sie gestikuliert ein wenig, bringt mich dazu, dass ich sie wieder loslasse und folgend dreht sie sich in meine Richtung und schaut zu mir rauf.
Juliette: Sie dachte ein halbes Jahr, dass wir zusammen waren. Das war kein Problem, aber plötzlich ist es eines? Levi war dafür, sie wollte das unbedingt."
Bevor sie weiter gedanklich in etwas versinkt, was sie gerade nicht sollte, lege ich meine Hände vorsichtig an ihren Kopf, um ihren Blick bei mir zu halten. Betrübt schaut sie rauf und seufzt noch ein letztes Mal.
Juliette: Ich verstehe diese Frau gerade auch nicht..."
Chris: Ich glaube, dass dich das echt nervt und es tut mir leid, dass ich das jetzt wieder vor all dem ansprechen musste. Ich bin mir sicher, dass am Ende alles wieder gut wird."
Juliette: Glaubst du?"
Ich bringe ein leichtes Lächeln hervor, nicke vorsichtig und sehe ebenfalls bei Juliette auch wieder ein verlegenes Grinsen.
Chris: Am Ende wird alles gut, ich bin mir sicher. Lass dich nicht unterkriegen, July."
Bevor ich Juliette wieder los- und zurücklasse, gebe ich ihr noch einen sanften Kuss auf die Stirn, lächle nochmal und gehe wieder ein paar Schritte zurück.

Sie atmet durch, zählt innerlich wohl von drei runter und lächelt mich anschließend wieder an, wobei sie die Schranktüren auch schließt.
Juliette: Alles klar. Wenn das alles im Koffer ist, dann sollte ich auch fertig sein."
Chris: Dann kommen wir bald auch wohl los...

Never Less Than a LoverWo Geschichten leben. Entdecke jetzt