Leseprobe

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Monoton starrte ich in die große Gruppe Youtuber, die an vier langen Tischen in einer Art Mensa saßen. Ich war eigentlich mehr als geschockt über die große Anzahl Menschen die sich hier befand, doch ich durfte jetzt keine Schwäche zeigen. Mir wurde mehr als einmal eingetrichtert nicht verunsichert oder verletzlich zu wirken, auch wenn man es in bestimmten Situationen war. Zumindest versuchte ich es so gut wie es ging, denn es starrten mich unter anderem so viele Gesichter von langzeitigen Freunden an, dass es mich auf eine nicht gerade angenehme Weise in die Vergangenheit zurück setzte. Die ganze schöne Zeit, eine Lüge. Was sagte ich da, mein halbes Leben bestand schließlich nur noch aus Unwahrheiten. Von den meisten Personen wusste ich bis dato noch nicht mal, dass sie sich hier überhaupt angeschlossen hatten, geschweige denn Bescheid wussten. Über eine lange Zeit hatte ich mit ihnen ganz normalen Kontakt bis zu dem Tag meiner Gefangennahme. Und nun war das Wort Freundschaft für mich zerstört worden, denn wenn ich mir bei einer Sache sicher sein konnte, dann war es das, dass egal was ich geschrieben oder verraten hatte, alle hier wussten es. Persönliches, als auch Geschäftliches. Wie konnte ich nur so naiv sein? Allerdings wusste ich wie gesagt nicht, wer hier alles Mitglied war, doch nun schlug die traurige Wahrheit auf mich ein. Es gab mir das Gefühl nie gemocht worden zu sein und vernichtete für mich die Bedeutung von Vertrauen, welches ich wohl nie wieder zu irgend jemanden haben konnte, in der Angst verletzt zu werden. Das alles verursachte sowohl die Trauer, als auch die Wut die in mir hoch kochte. Aber ich musste ruhig bleiben, deswegen ballte ich meine Hände so sehr zu Fäusten, dass meine Knöchel ungesund weiß aus meiner eh schon so so blassen Haut heraus traten. Wann hatte ich eigentlich dass letzte mal die Sonne gespürte? Jegliches Zeitgefühl hatte ich verloren, seit ich mehr als eine Woche hier war. Vermutlich hätte ich sie auch nie wieder gesehen, wäre ich nicht auf den Vorschlag eingegangen, für den ich mich am liebsten selbst töten würde. Doch mein Menschenverstand und meine Lebensfreunde hatten schneller gehandelt, als mein Hirn und somit hatte ich zu gestimmt. Das war auch der Grund, weshalb ich nun hier stand. Ich hatte wohl mehrere Monate Wiederstand geleistet, wie man mir sagte. Sie sagten, einen Tag später hätte man mich von meinen Qualen erlöst, was ich dann allerdings mit einer Kugel bezahlen müsste, die man mir durch den Kopf gejagt hätte. Ich konnte momentan echt nicht sagen, was angenehmer gewesen wäre, aber mein Körper hätte die Nacht auf meinen darauf folgenden letzten Tag nicht überstanden, so dachte mein Gehirn. Deshalb hatte die Angst vor dem Tod gesiegt, wie bei jedem Menschen schlussendlich. Schmerzhafte Erinnerungen an die vergangenen Tage schlichen sich in meine Gedanken. Augenblicklich spürte ich die brennenden Schmerzen durch meinen Körper zucken, die ich bis eben verdrängt hatte. Aber nicht ich war der Auslöser dafür, sondern der von mir am meisten gehasste Mensch, verursachte es, als er mir bewusste unsanft im vorbei Gehen auf den Rücken schlug und mich spöttisch angrinste. Ich biss die Zähne zusammen, während sich Tränen in meinen Augenwinkeln sammelten. Ich spürte wie sich der Rücken meines T-Shirts mit Blut voll saugte, welches aus den tiefen Schnitten, die wieder aufgerissen waren, auf meinem Oberkörper trat. Gemurmel war hinter mir an dem größten Tisch zu hören, welcher genauso wie ich, auf einer Erhöhung des Raumes stand. Man konnte es fast schon als Bühne betrachten. "Oh, ihm scheint kalt zu sein. Bringt Mal jemand eine Jacke?", rief einer hinter mir, mit gespielt besorgten Unterton. Erst jetzt bemerkte ich wie sehr ich zitterte. Aber das geschah aus reiner Wut. Mir wurde eine Jacke hingehalten. Ich folgte dem Arm zu dem Gesicht der Person. Grün/Braune Augen, die ich nur zu gut kannte, sahen mich sowohl drohend als auch auffordernd an. Ich griff nach der Jacke und erntete dafür ein spöttisches Grinsen von meinem früheren besten Freund. "Schön dich wieder zu sehen", flüsterte er. "Das beruht nicht auf Gegenseitigkeit, Tommy", zischte ich wütend, doch da war Tom schon wieder zurück auf seinen Platz hinter mir gegangen. Ich musterte das Kleidungsstück in meiner Hand. Es war meine alte, graue Jacke, die ich früher oft in Videos getragen hatte. Missmutig zog ich sie an und spürte gerade zu die hämischen Blicke, die sich in meinen Rücken bohrten, da sie genau sahen, dass es mir gar nicht gefiel aus gerechnet diese Jacke tragen zu müssen. Wenn ich nicht unter ihrer Kontrolle gestanden hätte, wäre die Jacke schon längst verbrannt, und würde nicht das Blut verdecken, was mittlerweile aufgehört hatte zu fliesen, welches die anderen Youtuber im Raum wohl nicht sehen sollten. Wütend richtete ich meinen Blick wieder auf den Boden und versuchte den ununterbrochenen Schmerz zu ignorieren. Die Schnitte auf meinem Rücken waren das letzte was mich an die letzten Monate erinnerte, der Rest war verheilt. Das änderte leider nichts daran das es verdammt weh tat. Plötzlich begann der Anführer von allem hier an zu sprechen und ich biss die Zähne zusammen, um nicht vor Wut auf ihn los zu gehen. Hier wäre das sichtlich unklug und trotzdem allein seine Stimme verursachte Abscheu in mir. Er hatte mich verletzt und gedemütigt und trotzdem konnte ich ihn nicht von hier auf jetzt umbringen. Es waren zu viele Menschen im Raum die mich sofort abgeknallt hätten. "Meine lieben Freunde und auszubildende Youtuber. Wir haben uns heute hier versammelt, um einen weiteren aus unseren früheren Reihen Willkommen zu heißen. Ardian Bora, der vor kurzem noch der Anführer der Rebellion gegen uns war, hat seine Meinung geändert und kämpft nun mit uns, für die Übernahme der Weltherrschaft", rief er in die Runde. Jubel war zu vernehmen. Pah, als wäre ich freiwillig hier. Ich wurde hier fest gehalten! Außerdem kapierte ich nichts von dem was er sagte. Er hob seine Hände und brachte die Menge so zum schweigen. "Aber könnte er uns nicht was vorspielen?", rief jemand aus der Runde. Ich sah mich um. Es war Eric, oder besser bekannt als Gronkh. Seit wann war er denn hier? Vor meiner Entführung, hatte ich doch noch einen Livestream von ihm geguckt? Nun kam ich aber echt ins grübeln, denn mir fiel auf, egal welcher Youtuber hier war, alle hatten regelmäßig Videos raus gebracht, auch von denen wo ich wusste das sie hier Mitglied waren. Merkwürdig, die Hintergrundkulissen hatten sich nicht verändert, im Laufe der Zeit. "Ohh nein nein. Wir haben ihn komplett durch gecheckt. Nach Abhörgeräten und was weis ich alles. Wenn Ardy irgendwie unangenehm auffällt, bin ich nicht mehr Chan von Applewar", lachte er. Beim Klang seines Namens zog sich alles in mir zusammen und ich starrte wieder auf den Boden. "Aber nun meine Lieben, sollten wir etwas essen. Guten Appetit!", rief Chan. Er sprach so scheinheilig und konnte seine Fassade bestimmt auch im Eifer des Gefechts erhalten. Er benahm sich so, wie ich ihn auch kennengelernt hatte. Hilfsbereit und einfach korrekt. Doch mittlerweile kannte ich sein wahres Gesicht. "Komm Ardian. Du sitzt heute bei deinen alten Kollegen", sagte Chan und grinste hämisch auf mich herab. Ich sah ihn wütend an, lies mich aber ohne Wiederstand zum Tisch hinter uns führen. Grinsend sah mich das komplette Applewarteam an. Oder besser gesagt, meine alten Freunde...

Applewar Pictures: ConspiracyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt