Kapitel 25

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Normalerweise bin ich, wenn ich denn mal im Urlaub bin, mit meinem Bruder oder unserer Mutter unterwegs. Ich treffe mich mit Freunden, aber allein oder mit denen würde ich nie für ein paar Tage wegfahren. Daher ist es jetzt auch wieder für mich was neues, nach vielen Jahren mal wieder mit meiner Freundin unterwegs zu sein.

Ich persönlich genieße die Zeit mit Juliette sehr und ich denke und hoffe, dass das auf Gegenseitigkeit beruht. Zumindest wirkt es so, wenn ich sie anschaue, sie eine Zeit beobachte und immer mal wieder von ihr zum Lächeln gebracht werde, wenn sie mich auf ihre typische Art angrinst. Die Hälfte der Tage, die wir hier sind, ist vergangen, die andere liegt noch vor uns und offensichtlich hat Juliette einen guten Orientierungssinn, da sie uns beide mittlerweile ziemlich gut durch die Gassen und über die Straßen steuern kann, bis wir am nächsten Teilziel wieder ankommen. In der Zeit laufe ich still neben ihr her und beobachte die Menschen um uns herum. Und wenn ich die Blicke, das leise Getuschel und die abweisenden Haltungen der andere Passanten beobachte, habe ich das Gefühl, dass wir beide zwar für alle die Touristen sind, aber dass Juliette die Ausländerin ist. Entweder bekommt sie das alles nicht mehr mit, oder sie ignoriert es großzügig. Da sie mir einmal sagte, wie oft sowas vorkommt, denke ich, dass sie es aktiv versucht zu ignorieren. Wenn ich etwas dagegen machen könnte, dann würde ich am liebsten jeden einzelnen anstarren, bis sie endlich damit aufhören würden. Bis sie endlich verstehen würden, dass sie niemand fremdes ist, sondern ganz normal wie sie und ich.

Während ich gerade wieder mal einer dieser Personen nachschaue, die Juliette von oben bis unten genaustens betrachtet haben, ihre Mimik misstrauisch verzogen haben, um danach miteinander zu reden und dabei immer wieder Blicke rüber zuwerfen, legt Juliette eine Hand an meinen Kopf, damit sie den zu sich richten kann. Mit dem vorherigen wütenden Blick schaue ich einige Sekunden noch zu ihr hin, versuche meinen Ausdruck dann zu zügeln und bekomme von ihr ein Lachen zu hören.
Juliette: Lass die Leute reden."
Chris: Wie schaffst du das? Wie kannst du es so einfach ignorieren?"
Juliette: Es war nicht immer einfach. Aber irgendwann merkt man, dass es einfacher ist, wenn man nicht alles an sich ranlässt und vieles ignoriert."
Dass Menschen zu mir meinen, dass ich mich seltsam verhalte oder kleide, dass das alles nicht »typisch« männlich ist oder sonst was, was einem in den Jahren auf der Bühne auf Socialmedia entgegenkommt, ist nichts dagegen. Das geht um meine Bühnenfigur, aber sie muss das tagtäglich immer wieder über sich ergehen lassen.
Juliette: Du denkst einfach zu viel darüber nach."
Chris: Ich denke an die alten Damen, die dich anstarren, begutachten und danach abfällig anfangen zu reden, weil du ja nicht von hier kommen könntest."
Juliette: Ihr wurdet aber auch sehr weltoffen erzogen, Chris."

Okay, ja. Unseren Eltern war es immer egal, ob wir mal mit einer Frau oder einen Mann nach Hause kommen würden. Die Hauptsache für sie war, dass wir glücklich sein sollen. Menschen gegenüber waren sie immer sehr offen. Frei nach dem Motto, wenn andere nett zu einem sind, dann sind wir es ebenso. Aber trotzdem, wir leben nicht mehr im Mittelalter!

Das letzte Lächeln, was sie mir zeigt, dient der Aussage, dass ich das Gerede nicht mehr beachten soll. Dafür atme ich einmal durch, denke mir, dass ich das nur für sie mache und gehe dann weiter die Straße runter. Natürlich kann ich die anderen nicht ignorieren! Aber anstatt, dass ich die mit Blicken weiterhin versuche zu strafen, was denen auch egal ist, schaue ich einmal zu July runter. Diese versucht gerade ein Straßenschild zu lesen, uns weiter durch die Gegend zu lotsen und ich ergreife dort die Initiative und nehme vorsichtig ihre eine Hand. Auch wenn wir schrittweise weitergehen, der Blick von July geht zögern zuerst auf unsere Hände, wobei ich ihre noch aktiv festhalte, bevor sie doch zu mir rauf schaut. Etwas verträumt nehme ich ihren Ausdruck wahr, muss schwach grinsen und vergesse die Leute um uns herum. Verlegen lacht sie, hält daraufhin auch meine Hand aktiv fest und wir beide gehen weiter. An Kanälen vorbei, durch die Straßen, an kleinen Läden entlang und ich finde es schön. Das erste Mal richtig mit der eigenen Freundin draußen unterwegs, sodass es auch andere mitbekommen und sehen. Egal, was die anderen auch denken mögen, ich bin stolz und glücklich, dass ich diese Frau als meine Freundin bezeichnen darf und kann.

An einen dieser Schaufenster bleibe ich zuerst stehen, lasse dann ihre Hand kurz los, damit ich danach ein paar Schritte näher ran gehen kann. Dabei braucht es gerade auch nicht lange, bis Juliette mir nachkommt, aber bevor sie neben mir zum Stehen kommen würde, drehe ich mich wieder um, gehe auf sie zu, nehme auch wieder ihre Hand und geh mit ihr wieder weiter in die Richtung, in die wir gehen wollten.
Juliette: Was hast du da eben geschaut?"
Chris: Ich habe mir nur die eine Kette da angesehen, mehr nicht."
Juliette: Diese eine silber-schwarze? Was irgendwie einem Kreuz ähnelte und zugleich auch gar nicht?"
Auch wenn ich nicke, ich muss zugleich auch lachen. Juliette ist eigentlich eine unfassbar kreative Person, aber scheinbar ist das Beschreiben von derlei Dingen nicht eine ihrer Stärken. Auch wenn sie danach versucht beleidigt zu mir zu schauen, das schwache Grinsen, was Stück für Stück auf ihren Lippen zu sehen ist, zeigt mir, was sie wirklich denkt.
Juliette: Und warum schaust du nicht weiter, wenn sie dir gefällt?"
Ich zucke einzig mit den Schultern, da es dafür jetzt keine genaue Erklärung gibt. Ich bin gerade einfach nicht in der Stimmung dafür, will die Zeit anders genießen und sie jetzt nicht in sowas reinziehen, was für die Show geeignet wäre. Die Tage hier wollte ich nicht an die Show denken und daran halte ich mich auch.
Chris: Das ist mir nicht so wichtig. Das kann ich auch irgendwann von zu Hause aus erledigen, wenn die Premiere näherkommt."
Juliette: Wie du meinst, ich fand die schon ganz cool."

In der Stadt haben wir in einem kleinen Café etwas getrunken und eine Kleinigkeit gegessen. Dabei haben wir auch geplant, was wir heute Abend zubereiten wollen, dabei hatte Juliette einige Vorschläge gebracht und wir haben geschaut, wie wir das für uns beide anpassen können. Der Weg führte uns dann nochmal durch die Stadt, in das Van-Gogh-Museum, darauf hatte Juliette bestanden, und am Abend dann erst zum Einkauf. Alles ein bisschen teurer, alles auch eine Touristenstadt, wo wir uns einreihen, aber am Ende haben wir alles bekommen und konnten auch wieder zum Airbnb gehen. Das Kochen war die erste kleine Herausforderung, die wir meistern konnten und mit dem Essen und was zu trinken haben wir uns dann auf den Balkon gesetzt...

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