Kapitel 6.1

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In einem Halbkreis knieten sie vor dem schwarzen Thron. Die Höllenfürsten, die wegen eines Anliegens gekommen waren, genauso wie die Gerufenen; so, wie es Brauch war. Er ließ sie alle warten. Ob mit Absicht, oder weil Er ein völlig anderes Zeitgefühl hatte, vermochte N'Arahn nicht zu sagen. Die tiefen Schatten, die den Schwarzen Thron füllten, ließen keine Gesichtszüge erkennen. Nur mit Anstrengung und viel Fantasie konnte man überhaupt Seine Gestalt erahnen. Zumindest wenn man sich traute, den Kopf zu heben. N'Arahn hatte kein Bedürfnis danach.

Der unregelmäßige rote Fels stach unangenehm in seine Knie und Beine, den Kopf hatte er auf seine auf den Boden abgelegten Fäuste abgestützt. Seine Hörner berührten den Boden, während ihm die Sicht zur Seite von seinen eigenen Haaren verwehrt wurde.

Kein anderer Ort, keine andere Situation, hätte ihn dazu gebracht, eine solche Position einzunehmen. Doch hier waren alle Höllenfürsten gleich demütig und keiner würde vor dem Herrn der Hölle einen Täuschungsversuch wagen. Das schätzte Er nur außerhalb seines Thronsaales und jeder tat gut daran, das schnell zu lernen. Aus den Fehlern anderer natürlich; eigene konnte man dann nicht mehr machen.

N'Arahn wusste, dass heute nur er selbst gerufen worden war. Die anderen Höllenfürsten waren hier, um ihn anzuklagen. Allen voran natürlich Tazeel, doch waren auch die Kriegstreiberin Rhisa gekommen, die Verführer Brega und Kollun und die Ränkeschmiedin Heten. Das waren nur die, die N'Arahn auf einen Blick erkannt hatte, weitere zwei oder drei waren gerade auf die Knie gesunken, als er eintrat, da sie ihren Standpunkt bereits vorgetragen hatten.

Die Zwiegespräche mit dem Herrn der Hölle waren unhörbar, insofern Er nicht wollte, dass man teilhatte. Daher wusste der Höllenfürst nicht, welche Argumente vorgebracht wurden, wie genau die Anklage lautete. Noch war er nicht angehört worden und er musste sich gut überlegen, wie er seine Verteidigung formulierte, da er nicht wissen würde, wer mithören und ihn gegebenenfalls der Auslassung überführen konnte. Zumindest hatte N'Arahn keinen Zweifel, um welches Thema es gehen würde: Seine Engelskriegerin.

Er hatte Tazeel nicht nachgegeben, was dieser nicht hinnehmen wollte. Jetzt sollte N'Arahn seinen Widerstand büßen.

Plötzlich und schmerzhaft intensiv fühlte er Seinen Blick im Nacken. N'Arahn erhob sich, hielt den Kopf jedoch weiter gesenkt.

„Zeig Sie Mir." Der Herr der Hölle griff in N'Arahns Gedanken, forderte Bilder. Sofort gab er sie Ihm: Veidja, wie sie in der Arena kämpfte. Wie er sie an die Wand presste, als er ihren Fluchtversuch unterband. Ihren ekelerfüllten Blick, als sie das erste Mal sein Mana trank. Sogar einen Fetzen eines Traumes konnte er nicht zurückhalten. Ein Traum, in dem ihre verschlungenen Körper beieinander lagen.

Instinktiv vergrub er jedoch andere Eindrücke: Die bernsteinfarbenen Augen des Engels, die ihn gefangen hielten. Veidjas Schwäche, als sie zu lange kein Sonnenlicht gefühlt hatte. Wie sie den Pakt schlossen; dieser Moment, dieses Geheimnis, sollte nur ihm gehören.

Der Druck auf N'Arahns Gedanken wurde leichter, doch Er war noch sehr präsent.

„Die Anklagen Sind Stichhaltig. Du Gibst Dir Keine Mühe, Sie Zu Brechen."

Eine reine Feststellung, kein Vorwurf. Und ja, es war wahr.

„Sprich." Lügen würden ihm nichts nutzen. Er musste die Wahrheit sagen und gute Argumente für sein Handeln finden. Argumente, die sich nicht auf dieses diffuse, seltsame, unwillkommene Gefühl stützten, das ihn in Veidjas Gegenwart immer beschlich.

„Herr. Ich breche sie nicht, da ein gebrochener Engel für meine Zwecke nutzlos wäre. Ein gebrochener Engel kämpft nicht mehr und meine Diener können nichts mehr lernen." Das reichte Ihm nicht; N'Arahn konnte es spüren. „Es braucht Zeit und Geduld, doch ich bin der Meinung, dass ich sie zum Fallen bringen kann. Sie ist eine Kriegerin, und auch wenn sie ein Engel ist, kann ich ihr Denken, ihre Bedürfnisse besser abschätzen, als die meisten anderen hier. Denn der Kampf liegt uns beiden im Blut." Noch hörte Er ihm zu. „Ein Verführer versteht das nicht, sein Blick geht in eine andere Richtung. Aber indem ich sie kämpfen lasse, gebe ich ihr, was sie braucht. Ich gehe in allen anderen Dingen vorsichtig vor, ja. Ich kann sie nicht umgarnen und blenden wie einen Menschen. Ich brauche ihren Respekt. Ihr Vertrauen." Mehr konnte er nicht vorbringen, wurde zurück in die Reihe geschickt. Hatte es gereicht?

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