Ohne Vorwarnung

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Ich schloss die Augen für einen Moment. Die Erinnerung an ihn, an die Zeit... Sie würde bleiben. Nie wieder würde ich nicht an ihn denken können. Nein, er war nun in meinem Kopf.

Das, was ich am Herbst so mochte, außer, dass es kälter wurde? Die Ferien. Ferien waren immer gut, außer diese, denn hier fing schließlich alles an.
Es war der Vorletzte Schultag, an dem ich wie immer nach Hause kam, wo meine Eltern schon auf mich warteten. Jeder andere würde sich darüber freuen, doch als ich das Wohnzimmer betrat, in dem überall Kartons standen, ahnte ich schlimmes.
"Sagt, dass es nicht wahr ist." Ich sah flehend zu meiner Mutter, bevor sie überhaupt etwas sagen konnte.
"Bambi." Ja, das war wirklich mein Name. Sie benannten mich nach einem männlichen Rehkitz, dessen Mutter... gut, ich denke jeder kennt die Geschichte. "Dein Vater wurde versetzt und..."
"Und ihr packt sofort alles ein, ohne mit mir darüber zu reden?" Mein Vater war Offizier bei der Bundeswehr, weshalb ein Umzug nicht wirklich überraschend für mich war, doch wie immer erfuhr ich zuletzt davon.
"Hör zu Bambi, du bist noch keine 18 und somit wirst du mit umziehen. Wie du weißt, gibt es keine Diskussion." Der strenge Ton meines Vaters machte die Situation kein Stück besser. Er war als Soldat perfekt aufgehoben genauso, wie mein älterer Bruder Ace. Unser Vater war so stolz, als mein Bruder auch zur Bundeswehr ging.
Meine Mutter hatte mit den ständigen Umzügen auch keine Probleme, denn schießlich konnte sie ihre Kunst überall verkaufen.
Die Tochter eines Soldaten und einer Künstlerin, die nach einer Zeichentrickfigur benannt wurde und ständig wo anders lebte. Das war ich.
"Schon mal überlegt, was es mit euren Kindern macht, wenn sie nie an einem Ort bleiben dürfen? Ich hab hier endlich Freunde gefunden und jetzt soll ich wieder alles von vorne durchmachen?" Es kam keine Reaktion von ihnen. Meine Mutter sah schuldbewusst auf den Teller, den sie abtrocknete und mein Vater hatte sich seiner Zeitung gewidmet, die er bereits davor gelesen hatte. "Ich geh hoch packen. Bleibt mir so wie so nichts anderes übrig.", seufzend lief ich die Treppe hoch, die ich überhaupt nicht mehr so hässlich fand, wie sie es am Anfang war.
Die Familienfotos, die sonst an den Holzwänden hingen, waren schon verstaut und auch die Teppiche lagen zusammengerollt an der Seite. Nur mein Zimmer war unverändert.

Traurig sah ich an die Wand mit diesem Fleck von der Coladose, die das eine Mal fast explodiert ist. Das war damals an meiner ersten Übernachtungsparty. Meine beiden besten Freundinnen Sophie und Klara hatten diese super Idee den Fleck aus der Tapete wischen zu wollen, wodurch er noch viel größer wurde. Wir waren so verzweifelt irgendwann, dass wir einfach Sticker darüber klebten. Vor allem wegen den beiden wollte ich hier nicht weg. Ich war so dumm, denn ich hatte gedacht, wir würden länger bleiben und schloss Freundschaften.
Hätte ich echt besser wissen müssen. Wir waren nie länger als drei Jahre an einem Ort. Dieses Mal weren es sogar noch weniger.
Im Sommer hatte ich noch meinen 16. Geburtstag gefeiert und dachte ich wäre endlich angekommen aber da hatten meine Eltern wohl andere Pläne.
Ace interessierte das nicht mehr viel, denn er war irgendwo im Norden bei der Luftwaffe als Mechaniker, wodurch er nicht ständig weg ziehen musste. Ich wollte zu ihm ziehen, um wenigstens an einem Ort bleiben zu können aber ich war noch zu jung und mein Bruder hatte weder Zeit noch Lust sich um meine Teeniedramen zu kümmern.
Nachdem ich genug durch das Zimmer gesehen hatte, nahm ich mir ein paar der Kartons, die mir meine Mutter vor das Zimmer gestellt hatte und fing zuerst an meine Klamotten einzupacken. Nach so vielen Umzügen war ich gut drin geübt meine Kleidung möglichst Platz sparend einzuräumen, wobei ich auch jedes Mal aussortierte, weshalb ich nicht all zu viel Sachen besaß. Praktisch, nicht wahr?
Nach dem Kleiderschrank waren meine Schulsachen dran, die ich im und auf dem Schreibtisch verteilt hatte. Meine Mutter hatte mir auch wieder diese Sticker bereit gelegt, die ich an den Möbeln anbringen sollte, die ich unbedingt mit nehmen wollte. Einer der Aufkleber landete gleich auf meinem Tisch, denn bisher kam er immer mit. Genau wie der große Spiegel, mein Drehstuhl und mein Plüschsessel. Das waren für mich die wichtigsten Sachen. Der Rest würde wie mein Leben, dass ich in dieser Stadt hatte, zurück bleiben und ersetzt werden. Es käme ein neues Zimmer, ein neues Bett, eine neue Schuluniform und eine neue Schule.
Ich würde wieder die Neue sein, die wie ein Tier begutachtet wird. Die Neue, die nicht passt, denn das tun die Neuen am Anfang nie. Jedes Mal hatten die meisten Angst vor dieser Veränderung, die ich bringen würde und das auch noch im Schuljahr.
Hätten wir nicht wenigstens in den Sommerferien umziehen können? Natürlich nicht.

Under the same skyWhere stories live. Discover now