Summertime-Sadness

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Info: Diese Kurzgeschichte entsteht im Rahmen der Sommer-Challenge von  zehnbrieffreunde.

Ich habe mir dafür das Lied Nr. 4 "Summertime Sadness" herausgesucht (oben verlinkt).

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Es ist ziemlich genau fünf Jahre her, seit wir und das erste Mal sahen.

Und es ist ziemlich genau drei Jahre her, seit wir und das letzte Mal sahen.

Wir sahen uns das erste Mal auf einer Gartenparty, die von meiner Freundin veranstaltet wurde. Ich erinnere mich immer noch daran, wie ich dich das erste Mal zwischen all den Leuten sah. Wenn ich jetzt zurückdenke, musste die Beleuchtung dort mehr als nur spärlich gewesen sein.

Dennoch habe ich immer noch das Bild von deinen markanten Gesichtszügen und deinen beinahe gewöhnlich-unauffällig braunen Augen, die meinen Blick kreuzen im Kopf.

Nach dieser Feier sahen wir uns eine kleine Weile nicht – und dieser kurze Augenblick wanderte rasch in einen hinteren Winkel in meinem Hirn. Aber wie der Zufall es wollte, trafen wir uns einige Wochen später erneut.

Mit der Zeit lernten wir uns besser kennen und ich konnte nicht abstreiten, dass bei jedem unserer Treffen einige Schmetterlinge in meiner Magengegend herumflatterten.

Wir verliebten uns ineinander, kamen zusammen, lachten gemeinsam, stritten hin und wieder, doch jedes Mal vertrugen wir und wieder und wuchsen weiter zusammen. Wir waren glücklich zusammen – und wären es wahrscheinlich noch sehr viel länger gewesen, wenn du nicht eines Tages plötzlich weggemusst hättest.

Du erklärtest mir, dass du zurück nach Hause ins Ausland musstest. Deine Mutter wäre schwer krank und du wolltest deine Geschwister und deinen Vater entlasten. Zurück nach Hause – weit weg von mir.

Wir versprachen uns in Kontakt zu bleiben. Du wusstest nicht, wann du zurückkommen würdest, du versprachst mir jedoch, dass es bald sein würde. Und auch wenn du dies mehrmals beteuerte, fühlte sich unser Kuss am Flughafen an wie ein Abschied für sehr, sehr lange.

Am Anfang schrieben und telefonierten wir noch jeden Tag für viele Stunden. Du erzähltest mir von deiner neuen Arbeit und ich zeigte dir meine neue, große Wohnung, die ich mir nun endlich leisten konnte. Unser Leben ging weiter, nur ohne den anderen.

Mit der Zeit wurden unsere Anrufe kürzer und unsere Nachrichten förmlicher, wir hatten uns immer weniger zu erzählen. Es war ein schleichender Wandel, den ich erst wahrnahm, als unsere Kommunikation endgültig erstarb und damit der Hoffnungsschimmer, dass wir eine Fernbeziehung führen konnten.

Unsicher, ob du überhaupt noch Interessen an mir hättest und mit der Befürchtung, du hättest vielleicht längst eine Neue, schrieb ich dir nicht mehr. Im Nachhinein betrachtet hätte ich wahrscheinlich einfach mutiger sein und mehr Vertrauen in dich setzten sollen.

Mein Leben ging weiter. Am Anfang dachte ich noch oft an dich zurück, an unsere gemeinsame Zeit.

Meine Freunde drängten mich, mir doch einfach jemand Neues zu suchen. Ich könne mein junges Leben doch nicht wegen einer vergangenen Liebe vergeuden, sagten sie.

Und auch wenn ich mich dagegen wehrte, musste ich einsehen, dass sie Recht hatten. Ich war zu feige, mich nach der langen Zeit der Stille wieder bei dir zu melden und ich dachte, du würdest das schon an meiner Stelle erledigen, wenn du wirklich noch an mich denken würdest.

Wahrscheinlich hast du damals genauso gedacht.

Trotz des schlechten Gewissens, das in meinen Hinterkopf herumschlich, ließ ich wieder andere Männer an mich heran. Ich versuchte, sie nicht mit dir zu vergleichen, doch ich bemerkte, dass niemand von ihnen mir dasselbe Gefühl geben konnte, welches ich bei dir hatte und so blieb es oftmals bei One-Night-Stands.

Dennoch bemerkte ich, dass ich seltener an dich zurückdachte. Erinnerte ich mich früher noch jede Nacht zurück, kreisten meine Gedanken mit der Zeit auch öfters um anders.

Ich solle nicht an der Vergangenheit hängen, sagten alle.

Ich reiste, unternahm Abenteuer und überwand meine Grenzen. Mit der Zeit lernte ich zu leben, ohne dich, ohne irgendjemanden.

Aber immer wieder, spätestens im Sommer, der Jahreszeit in der wir uns vor Jahren kennenlernten, fragte ich mich, ob mein Leben mit dir anders verlaufen wäre. Und jedes Jahr spürte ich einen leisen Stich von Einsamkeit.

***

Heute, an einem warmen Augusttag, holt mich die Nostalgie wieder ein. Beim Aufräumen fällt mir ein vom Waschen bereits langsam verblassendes, rotes Kleid in die Hände.

Ich erinnere mich, dass du es so an mir mochtest und ziehe es aus einem Impuls heraus an. Am späten Abend beschließe ich, in den Park zu gehen, wo wir früher öfters waren.

Gemächlich spaziere ich zwischen den Bäumen hindurch. Irgendwo ertönt der Schrei einer Eule und Grillen zirpen im Gras.

Zur späten Stunde waren nicht mehr viele unterwegs. Einige wenige Jogger liefen mir über den Weg, in der Ferne spaziert eine Person ebenfalls durch den Park.

Die ersten Sterne lassen sich bereits am Himmel blicken. Ich hebe meinen Kopf und versuche, ein Sternbild zu erkennen.

Ich erinnere mich mit einem Grinsen daran, wie wir einmal verzweifelt den Himmel abgesucht haben, auf der Suche nach irgendeiner Sternenkonstellation. Ohne Erfolg, dafür mit jeder Menge Spaß.

Ich senke wieder meinen Blick und das dämliche Grinsen entgleitet mir mit einem Mal.

Die Person aus der Ferne steht nun vor mir – und starrt mich genauso entsetzt an, wie ich mich fühle.

Ich blicke geradewegs in deine beinahe gewöhnlich-unauffällig braunen Augen.

Summertime-Sadness || KurzgeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt