Am nächsten Morgen wache ich mit einem schrecklichen Gefühl im Magen auf. Schrecklich, weil Kai einfach heiraten wird, schrecklich, weil ich nicht schlafen konnte, schrecklich, weil wir heute gegen Spanien spielen.
Während ich mich fertig mache und meine Sachen zum Arbeiten einpacke, telefoniere ich mit Leona.„Er wird sie heiraten", sage ich, nachdem ich unser gestriges Gespräch zusammenfasse.
„Das ist so dumm von ihm", sagt sie, während ich in meine Kleidung schlüpfe.
„So ist er eben", sage ich und überlege, ob ich wirklich sein Trikot anziehen soll. Es könnte das letzte Mal sein. Leona seufzt am Ende der Leitung.
„Warum hast du ihm nichts gesagt?", fragt sie.
„Es ist zu spät", sage ich. Dann entscheide ich mich, dass ich es anziehe und wie üblich meine offenen Haare über seinen Namen lege.
„Das ist so dumm von dir", sagt sie. Ich kann mir genau vorstellen, wie sie gerade ihre Augen verdreht.
„Was denkst du denn?", werde ich nun wieder aufgebracht. „Dass ich ihn bitte, es nicht zu tun?"
„Ja", sagt sie und ihre Stimme klingt so, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt. Ich stelle mich in mein Badezimmer und beginne meine Wimpern zu tuschen.
„Und wie soll es dann weitergehen?", frage ich. Sie stöhnt. „Leo, du weißt doch, wie es war."
„Weiß ich", sagt sie seufzend. „Aber Romi, überleg doch, wie es jetzt ist." Meine Wimpern sind geschminkt, ich trage Puder auf.
„Ich muss gleich los", sage ich mit einem Blick auf die Uhr. Dann werfe ich mir einen Ananas-Kaugummi in den Mund und setze meine Brille auf.
„Denk an Kilians Worte! Hast du schon mit ihm darüber gesprochen?", fragt sie.
„Nein", antworte ich. Mein Bruder ist nicht sehr mitteilungsbedürftig am Telefon. Wenn er in der Türkei ist, telefonieren wir höchstens alle zwei Wochen, um uns auf dem Laufenden zu halten, er schreibt selten. „Aber ich muss jetzt wirklich los."
Meine beste Freundin seufzt, dann redet sie noch kurz auf mich ein, bevor sie uns für heute Glück wünscht und wir das Gespräch beenden.
Als Letztes werfe ich iPad und iPhone in meine Handtasche und verlasse fünf Minuten vor Abfahrt mein Hotelzimmer. Ich bin schon auf den letzten Drücker, aber natürlich muss ausgerechnet Kai im selben Augenblick aus dem Zimmer kommen. Zeitgleich fallen unsere Türen hinter uns zu, wir sehen uns kurz in die Augen, seine wirken lange nicht mehr so klar, wie gestern Abend noch, sondern sind rot unterlaufen und angeschwollen, da wendet er zuerst seinen Blick ab. Er zieht seine Schultern zurück und stellt sich aufrecht und breit vor den Aufzug. Abwartend stelle ich mich hinter ihn, nehme seinen Geruch wahr und vergesse für einen Moment zu atmen.„Hast du wieder nicht geschlafen?", frage ich vorsichtig. Keine Ahnung, warum ich das überhaupt frage. Vielleicht habe ich Angst vor dem Spiel.
„Natürlich nicht", brummt er. Ich will ihn noch fragen, wie er sich fühlt, ob er spielen kann. Aber es geht nicht. Hektisch kaue ich auf meinem Kaugummi, mache eine Blase, die zerplatzt, er zuckt zusammen, aber sagt nichts.
Als endlich der Aufzug kommt, steigen wir kommentarlos ein und stellen uns so weit wie möglich voneinander entfernt in jeweils eine Ecke. Der ganze Aufzug riecht innerhalb von Sekunden nur nach ihm. Mir wird plötzlich unglaublich heiß und meine ganze Haut kribbelt. Ich streiche mir vor Nervosität eine der kürzlich abgeschnittenen Strähnen aus dem Gesicht, bevor ich unauffällig in die Ecke schiele, in der Kai steht.
Er starrt mich ausdruckslos an, doch auch er wirkt verspannt.
Zum Glück öffnen sich die erlösenden Türen schnell wieder und schnellen Schrittes gehen wir schweigend zum Bus.
Dort werde ich schon von Julian erwartet.
DU LIEST GERADE
[Kai Havertz] Wer zuerst fällt
Hayran Kurgu[2024] „Wieso müssen sich ausgerechnet unsere Wege immer wieder kreuzen?" Romina und Kai kennen sich schon länger. Aber Romina und Kai mögen sich nicht. Oder? „Es ist nicht ein einziger Moment, der dein Leben verändert. Es ist die Summe an Momente...