[Kai Havertz] Wer zuerst fällt

Kapitel 26

Mit meinem geliebten Auto fahre ich so schnell ich kann nach Hause. Obwohl es regnet, trage ich Sonnenbrille. In meiner Playlist läuft AnnenMayKantereit und sofort schalte ich um. Wieso sind die eigentlich noch in der Playlist, wenn ich es mir seit Jahren nicht mehr anhöre? Den Stich in meinem Herzen ignorierend drücke ich weiter auf das Gas, der Auspuff knallt, der Motor brummt laut auf und ich fahre auf der linken Spur an allen vorbei.
Beinahe pünktlich komme ich an. Julian und ich haben doch länger für den Abschluss gebraucht, als gedacht. Zum Glück waren die von den Hotels so kulant und haben uns nicht noch eine Rechnung gestellt, sodass wenigstens die Konten alle abgeschlossen sind, aber für die Turnierbilanz fehlen noch viele Daten.
Die ersten zwei Stunden der Fahrt war ich im Gespräch mit Arsenal, darüber, wann ich wieder zurück bin und was meine nächsten Projekte sind. Seufzend versuche ich nicht an die Arbeit zu denken, gestern war das erste Halbfinale, morgen das zweite. Und dann sind es nur noch vier Tage bis zum Finale in Berlin. Mein Leben ist schon stressig genug.

Als ich bei meiner besten Freundin in den Hof rolle, springt mir Toffee schon entgegen. Ich wusste nicht, dass er mittlerweile raus darf. Aber Leona und Till verwöhnen den Kleinen so sehr, an seiner Stelle würde ich auch nicht abhauen wollen.
Ich bin zum Essen eingeladen. Wir wissen beide nicht, wie lange wir uns nicht sehen werden, wenn ich wieder in England bin.
Trotz des Regens grillen wir bei ihnen im Garten, Toffee weicht mir die ganze Zeit nicht von der Seite.

„Er spürt, dass du traurig bist", sagt Till. Verdutzt sehe ich ihn an. Traurig?

„Ich bin nicht traurig", sage ich. Ich bin wirklich nicht traurig. Eher verloren, zerrissen und kaputt. Leona und Till werfen sich einen vielsagenden Blick zu.

„Möchtest du Toffee morgen für eine Nacht mitnehmen?", fragt Leona und legt ihren Kopf schief. Der Welpe sieht mich mit seinem süßesten Blick an und ich kann nicht widerstehen.
Mein Plan ist es, diese Nacht bei Leona und Till zu verbringen und die Nacht morgen bei Henrik und Jolene, weil Kilian ebenso dort einquartiert ist. Von dort aus fahre ich meine Mutter besuchen und da holt mich Kilian, der mit zum Finale nach Berlin kommt, ab. Mein Auto bleibt dann in unserer Garage. Und von Berlin aus werde ich zurück nach Heathrow fliegen. 

„Wie soll das gehen?", frage ich und streichle dem Welpen über sein weiches Fell. Die Idee ist fantastisch, aber die Umsetzung ist unmöglich. 

„Ich komme ihn einfach abholen bei Ela", sagt Leona und lächelt mir zu. „Habe deine Mum sowieso ewig nicht gesehen, würde mich freuen." Mama würde sich auch sicherlich riesig darüber freuen, Leona nochmal zu sehen.

„Das würde gehen. Mama fragt immer nach dir", sage ich. Leona grinst breit.

„Ich vermisse deine Mama", sagt sie dann.

„Macht das doch so", sagt Till, wirft einen liebevollen Blick auf Leona, dann auf Toffee, dann nickt er mir zu.

„Wenn ihr darauf besteht", sage ich, nehme den Welpen auf den Arm, der mir einmal über das Gesicht leckt. Ich drücke meine Nase an seine. Hachja, Welpen. 
Dann bemerke ich wieder einen Blick zwischen Till und Leona.

„Wird Kai eigentlich auch beim Finale sein?", fragt Till vorsichtig.

„Ich hoffe nicht", sage ich. Ich weiß es doch nicht.

„Wie sieht's aus?", fragt Leona. Da wir immer telefonieren, ist sie natürlich immer auf dem neusten Stand.

„Unverändert", brumme ich und um nicht an Kai denken zu müssen, schaue ich in die treudoofen Augen von Toffee. Im Augenwinkel sehe ich wieder, wie meine beste Freundin Till einen Blick zuwirft.

„Und das ist fein für dich?", fragt Leona.

„Natürlich", presse ich hervor. Ich hatte doch lange genug Zeit, zu verarbeiten, was mal war und was jetzt ist. Und dass er nunmal verlobt ist. Dieser eine seltsame Rückfall war halt ein Unfall. Passiert und hat nichts zu bedeuten.