Kapitel 23:

136 10 3
                                    

Ein Monster entriss mir meinen linken Arm. Der Schmerz war unbeschreiblich. Ich hörte mich schreien, nur das es nicht meine Stimme war und kämpfte verzweifelt, um mich aus dem Maul des Biests zu befreien. Es ähnelte einer deformierten Schlange mit Fell und glibberigen Punkten. Ihren Unterleib hatte sie um meine Beine geschlossen und hinderte mich so daran zu fliehen. Mit ihren Reißzähnen riss sie nun an meinem zweiten Arm. Mit einem grausigen Knirschen löste sich auch dieser und das Blut befleckte ihr helles Fell.
Könnte mich dieser Schmerz nur umbringen!
Wieder rüttelte ich gegen den Körper der Schlange, doch sie zog sich nur enger um mich. Ich spürte kaum noch, wie mein Fußknöchel nun brach, denn der Schmerz an meinen Armstümpfen betäubte alles weitere.

Um mich herum sah ich eine Gruppe von Menschen, denen der Horror ins Gesicht geschrieben stand. Eine junge Frau sank bewusstlos zu Boden.
Töten!!
Nein!! Das waren nicht meine Gedanken! Ich wollte diese Menschen nicht töten, dennoch flutete eine starke Wut von mir aus, oder war es Angst? Ich schrie auf, als die Schlange mir einen weiteren Knochen brach.
Wie war ich eigentlich hergekommen?
Wer... bin ich?
Kaum konnte ich meine Gedanken ordnen, da sah ich schemenhaft einen dunklen Umriss auf einem nahgelegenem Dach. Ein Junge mit schwarzen Haaren. Eine Woge der Erkenntnis überkam mich.
Wer...Wer...?

Nur blickte dieser Mann nicht zu mir, sondern auf die Menschenmenge in der Nähe. Fast gleichzeitig spürte ich wie der Druck der Schlange nachließ. Als würde ich meine Chance riechen, schoss ich aus der Umklammerung. Meine gebrochenen Beine gaben unter mir nach, doch ich fühlte mich unter all den Schmerzen nur noch eines: Mächtig.
Töten! Töten!!
In meinem Körper formte ich Energie, doch gerade, als ich diese auf die Menschen feuern wollte, zögerte der Junge auf dem Dach nicht mehr.
Die Schlange riss mir in einer einzigen Bewegung den Kopf vom Körper.

In einem atemberaubenden Tempo sah ich mein Leben an mir vorbeiziehen.
Nicht mein Leben... Das ist nicht mein Leben!
Es war das Leben eines Mannes nur vier Jahre älter als ich. Seine Eltern, seine Freunde, seine Schule, seine Begeisterung an Technologie, sein erster Kuss, sein Ingenieur Studium, seine Arbeit, seine Hochzeit, ein Baby. Nichts entging mir. Ich sah es, als wäre ich es, die dieses Leben gelebt hatte. Es wirkte, als wäre der Mensch ein Teil von mir.
Das Letzte, was ich von ihm sah, war wie er erschöpft von der Arbeit nach Hause ging, bis ihm ein leuchtend gelbes Auge direkt in seine Seele leuchtete.

Meine Atmung ging unregelmäßig.
Ich lag zusammengekauert auf dem Boden, die Hände über meinem Kopf zusammen geschlagen, als würden nur diese mich vor dem Horror bewahren, den ich gerade am eigenen Leib spüren musste. Langsam kehrte mein eigenes Gedächtnis zu mir zurück.
Ich bin Misaki Hashiwara. Ich bin verflucht, aber ich lebe noch.
Trotzdem sah ich an mir runter. Meine Arme waren an Ort und Stelle und nur mein Bauch und Rücken schmerzten noch immer vom Aufprall an der Wand.
»Misaki!«
Eine Stimme? Wer? Wo bin ich?
Meine Augen rasten von einer Ecke zur anderen, aber ich konnte durch das spärliche Licht kaum was erkennen. Jemand beugte sich über mich.
Ich zuckte zurück.
Kurz zögerte er, ehe er mich an den Schultern packte und an sich zog.
Wer? Wer?
Seine Haare strichen mir bei der Umarmung leicht gegen die Wange und ein vertraute Duft hüllte mich ein.
Satoru...
Mein ganzer Körper entspannte sich und mein Zittern wurde merklich weniger.
Meine Erinnerungen kehrten zurück.
Rimori...

Vorsichtig schielte ich weiter in den Raum rein. Diese Frau stand noch immer an Ort und Stelle und betrachtete uns... fasziniert? Bevor die Wut erneut in mir aufkam, atmete ich tief durch. Diese Frau sorgte für meinen geistigen Zusammenbruch, indem sie die Marionetten von Herr Yaga und Geto töten ließ. Bis jetzt funktionierte es perfekt. Diese Beiden würden keine Zeit verschwenden. Oder doch?
Wie ein Blitz schoss mir das Bild des schwarzhaarigen Jungen auf dem Dach ins Gedächtnis. Geto!!
Warum hatte er gezögert? Immerhin befand ich... er... sich doch bereits in seiner völligen Gewalt. Beim Gedanken an die Schlange drehte sich mein Magen um. War das ein Fluchgeist?

Nur ein Mensch (Satoru GojoxOC)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt