Der Regionalzug aus Düsseldorf hält in Osnabrück am Gleis 4. Einige andere Fahrgäste laufen hier auch lang, weil vom Gleis gegenüber eine Bahn nach Bremen und die andere nach Bielefeld durchfährt und bald los will. Warum fährt mein Bruder eigentlich nicht noch bis nach Bielefeld durch?
Das erste, was Chris zu mir gesagt hat, als wir hier in den Bahnhof gekommen sind und ich schauen musste, wo wir bitte hin müssen, war, dass auch er diesen Bahnhof mehr als seltsam findet. Durch den Gang kommen wir zu den Gleis, wo Baptiste ankommen soll und dank der Verspätung haben wir auch noch etwa fünf Minuten, bis die Bahn einfährt. Ich schaue in der Zeit, ob er mir nochmal geschrieben hat, aber als das nicht der Fall ist, stecke ich mein Handy wieder weg und schaue zur Seite zu Chris hin. Wie er dort am Rand steht, immer wieder auf die Anzeige starrt, seine Hände in seinen Jackentaschen gesteckt hat und ein wenig auf seinen Füßen hin und her wippt. Er bekommt es gar nicht richtig mit, dass ich mich neben ihn stelle und eigentlich dadurch bewirken möchte, dass er mal was anderes als diese verdammte Anzeige beachtet. Erst, als ich meinen Kopf für einen Moment an seine Schulter lege, steht er endlich wieder still und wendet seinen Blick endlich in meine Richtung, schmunzelt auch ein wenig. Entgegen meiner Erwartung nimmt er eine Hand aus der Tasche und legt sie vorsichtig um mich, hält mich bei sich, selbst als der Zug aus Düsseldorf endlich einfährt.
Nachdem sich die Türen geöffnet haben, kommen die paar Fahrgäste langsam raus, gehen an uns vorbei und zu den Treppen. Etwas weiter hinten und etwas langsamer als die anderen, kommt mein Bruder auch aus der Bahn, schaut sich kurz um, bis er uns beide an der Seite wahrnimmt. Automatisch muss ich anfangen zu lächeln, gehe die ersten Schritte auf ihn zu, daher nimmt Chris seinen Arm wieder zu sich und bleibt dort vorerst stehen, während ich meinen Bruder begrüße. Baptiste lächelt, als ich beinahe bei ihm bin und nimmt mich in Arm, nachdem er seine Tasche auf den Boden gestellt hat.
Juliette: Bonjour, grand frère..."
Baptiste: Bonjour, petite sœur. Toi aussi, tu m'as manqué..."
Baptiste lässt im Anschluss seine Hände an meinen Armen liegen und schaut mich einmal genauer an. Währenddessen muss ich unwillkürlich lächeln, weil ich mich einfach freue, dass ich meinen Bruder wiedersehen kann, auch wenn es nur ein paar wenige Tage sind.
Chris: Hey..."
Mit unsicheren Schritten kommt Chris mit zu uns vor, versuche halbwegs sicher zu lächeln und schaut meinen Bruder an. Baptiste lächelt ihn freundlich an, nimmt nebenbei seine Tasche wieder in die Hand und versucht freundlich zu wirken.
Baptiste: Bonjour. Wir haben uns letztes Jahr bereits einmal gesehen."
Chris: Vor der Kirche in Bünde und dann in Frankfurt bei der Show...genau."
Baptiste: Dann können wir uns die Tage nochmal besser kennenlernen. Ich kenne dich ja nur aus den Erzählungen von mon petit monstre."Baptiste grinst mich frech an und ich bin kurz davor ihm zu sagen, dass Chris das verstanden haben wird, aber das findet er früher oder später schon von selbst heraus. Und ich finde es amüsanter, wenn er es von allein rausfindet. Meinem Bruder zeige ich, dass wir wieder gehen können und als wir beide an Chris vorbeigehen würden, nehme ich einfach seine Hand, was ihn zu Beginn offenbar ein wenig verwundert, aber er machts nichts dagegen, sondern hält meine fest. Und dabei habe ich auch das Gefühl, dass ich bei ihm ein leichtes Lächeln auf seinen Lippen erahnen kann.
Auf dem Weg zum Auto redet Baptiste über den Flug und die Zugfahrt, regt sich einmal darüber auf, dass er beinahe die Bahn verpasst hatte und dass diese dann auch zu spät gewesen ist. Als ich fragt, warum er nicht bis nach Bielefeld durchfährt, hat er mir entsetzt gesagt, dass er dann nochmal umsteigen und hoffen müsste, dass die Bahn pünktlich ist. Punkt für ihn. Im Parkhaus lasse ich Chris' Hand auch wieder los, damit ich mein Auto aufschließen kann. Baptiste öffnet den Kofferraum und packt seine Tasche darein, beobachtet vor allem Chris in den Moment, der eigentlich schon einsteigen will.
Baptiste: Du kannst vorne bei meiner Schwester sitzen."
Chris: Sicher? Ich habe kein Problem, auf der Rückbank zu sein."
Mein Bruder nickt nur nochmal, weil er noch etwas aus seiner Jackentasche in die Tasche stecken will und auch wenn es Chris zuerst nicht so sicher hinnimmt, er geht dann noch zur Beifahrertür und steigt als erstes ein, wobei ich das auch gleich auf der Fahrerseite mache. Baptiste schließt den Kofferraum zuletzt und geht zu seiner Seite und öffnet die Tür.
Juliette: Pass dieses Mal-"
Ich habe es nicht mal geschafft den Satz auszusprechen, da knallt er mal wieder mit dem Kopf oben gegen die Tür und hält sich diesen danach fest.
Baptiste: Cette putain de voiture. Tu ne peux pas t'en acheter une vraie?"
Juliette: Tu pourrais juste faire attention."
Baptiste: Petit malin."
Chris hat größte Mühe, dass er nicht einfach anfängt zu lachen und versteckt sein Grinsen hinter den Lippen, während ich uns aus dem Parkhaus steure und Richtung Bünde fahre.Nachdem Baptiste eine kurze Nachricht an seine Frau geschrieben hat, dass er gut angekommen ist und von uns beiden abgeholt wurde, packt er das Handy wieder weg, schaut einen Moment raus auf die Straße, wobei wir jetzt wieder auf der Autobahn sind und wendet sich anschließend wieder an Chris und mich.
Baptiste: Was steht jetzt an?"
Juliette: Wenn wir in Bünde sind, setze ich Chris eben bei der Halle ab, da dort sein Auto steht, womit er wieder nach Herford fährt. Und wir beide-"
Baptiste: Willst du nicht bleiben?"
Unsicher dreht Chris seinen Kopf in meine Richtung, aber ich kann ihn gerade nicht richtig anschauen, muss mich auf die Straße konzentrieren.
Baptiste: Ich dachte, dass wir es wieder so machen, wie letztes Jahr. Wir könnten uns was zum Abendessen bestellen und uns ein wenig zusammensetzen. Nur, wenn ihr das wollt."
Für einen kurzen Moment schaffe ich es, dass ich zur Seite schaue und merke, dass Chris sich selbst nicht sicher ist, was er will und was er antworten soll. Stumm sage ich ein »alles ist gut« zu ihm und wende mich durch den Rückspiegel an Baptiste.
Juliette: Klar, können wir so machen. Du kannst ja gerne wieder beim Italiener vom letzten Mal anrufen und die Bestellung durchgeben."
Baptiste: Damit du dich wieder darüber lustig machen kannst, dass die mich einfach nicht verstehen und ich nicht weiß, wie man alles richtig ausspricht."Die restliche Fahrt war ruhig, bis auf der Moment, wo mein Bruder telefonieren musste. Er hat sich deutlich geschickter angestellt als beim letzten Mal, aber dass er wieder am gleichen Wort scheitert, wie im Dezember, bringt mich zum Lachen. Neben mir sitzt ziemlich verhalten Chris, der aber während dieser Szene auch nicht keine Reaktion von sich geben kann. Er wird mit meinem Bruder schon warm werden, er braucht dafür nur etwas länger...
DU LIEST GERADE
Never Less Than a Lover
Fiksi Penggemar10: Du gibst mir wieder Mut 09: Du zeigst mir das Gefühl von Geborgenheit 08: Du bist der erste, der mich richtig verstehen kann... Alles, was Juliette und Christian miteinander verband, war ein endloser Deal und ein Geheimnis, was niemals ans Licht...