Während ich mich auf den Weg zur Tischtennisplatte machte, wo Khaled und Enok schon warteten, dachte ich immer noch an Nova und das merkwürdige Gespräch im Auto. Was war bloß mit ihr los? Auf einmal wurde sie so komisch, als sie sich ins Auto setzte. Und dann noch dieses „Ich war nicht nur wegen dem Song hier." äffte ich sie genervt nach.
Wir hatten rumgemacht, mehr war da doch nicht. Sie soll sich bloß nichts drauf einbilden, nur weil sie bildhübsch ist und dazu noch gut singen kann. Wir hatten unseren Spaß, mehr nicht. Trotzdem konnte ich ihr nicht in die Augen schauen, als es Zeit war, sich zu verabschieden. Ich fühlte mich schwach bei ihr und hatte das Gefühl, mich immer von meiner stärksten Seite zeigen zu müssen. Meine Jungs wussten, wer ich bin und was ich drauf habe, aber bei ihr wollte ich mich aus irgendeinem Grund beweisen. Gleichzeitig wollte ich nicht wie ein dreckiger Typ rüberkommen, der nur ein Junge von der Straße ist.
Ich fuhr mir erneut durch die Haare und biss die Zähne zusammen. Es waren zu viele Gefühle, die ich nicht verstand und auf die ich absolut keine Lust hatte.
An der Tischtennisplatte angekommen, begrüßte mich Khaled mit einem Lachen. „Heute im Penner-Look?" Er lachte über meine Schlappen, den Jogger und das Tanktop, bevor er mir zur Begrüßung die Hand reichte. „Du Wichser," lachte ich kopfschüttelnd und schlug auch bei Enok ein, einem Kolumbianer, mit dem ich früher im Knast war.
„Was lief so in Türkei?" rief Enok laut und übergab mir einen angerauchten Joint, den ich ohne Zögern annahm.
„Weißt ja, haben den Song aufgenommen und dann nicht viel gemacht," zuckte ich gelassen mit den Schultern und nahm einen Zug vom Blunt, genoss den Geschmack von Haze.
„Und die Kleine? War die da auch noch so nervig oder hat sie plötzlich wie ein Kaninchen auf alles gehört?" schmunzelte Khaled und erklärte Enok kurz, von wem er sprach.
„Ging. Eigentlich war sie ganz gechillt drauf," antwortete ich, wollte aber nicht weiter über sie reden. Sie hatte mir schon genug Kopfschmerzen bereitet, indem sie einfach vor meiner Haustür aufgetaucht war.
„Und, hast du sie flachgelegt?" fragte Khaled, während er schelmisch eine Augenbraue hob.
„Was redet der?" fragte ich Enok und tat so, als wäre Khaled Luft. Er war immer nur auf das eine aus.
Enok lächelte nur und bekam als Antwort einen saftigen Nackenklatscher von Khaled ab.
„Gehen wir morgen deinen Bruder besuchen?" fragte Khaled, der sich wieder eingekriegt hatte, und nahm einen Schluck aus seiner Jack-Dose.
„Nee, Alter. Er hat Einzelhaft bekommen," sagte ich ernst und runzelte die Stirn.
„Was laberst du?" hauchte Khaled perplex und fuhr sich durch seinen dichten Bart.
„Ja, Mann. Der hat einen Wärter mies gebombt," erklärte ich ihm und nahm noch einen Zug vom Blunt.
„Fuck," murmelte Khaled. Er liebte meinen Bruder wie seinen eigenen. Die beiden waren schon seid kleinauf immer zusammen, durch dick und dünn. Meine Mutter wollte Khaled sogar adoptieren, nachdem seine Eltern gestorben waren, aber das ging wegen ihrem tunesischen Pass nicht. Deshalb wurde er bei seinen Großeltern aufgezogen.
„Lass uns morgen feiern oder so," mischte sich Enok ein, woraufhin er nur einen Todesblick von mir und Khaled bekam. „Bist du krank?" fragte ich bedrohlich und hob eine Hand vor meinen Körper. „Wie soll ich saufen und feiern, wenn mein Bruder in seiner Zelle sitzt?" fragte ich ihn rhetorisch und zog beide Augenbrauen hoch.
„Sorry, Choya," entschuldigte sich Enok und senkte beschämt den Kopf.
„Ja, besser so," zischte ich und warf den Joint ins Gebüsch neben uns.
„Ich hau dann auch wieder ab. Wollte noch ins Studio," verabschiedete ich mich kurz und knapp. Ich wollte einfach allein sein. Ich liebe meine Brüder, aber in der Zelle lernt man, dass Einsamkeit oft zur Vernunft führt.
Und die beste Einsamkeit ist in einem leeren Studio nur für mich, mit einem kalten Bier und einem Joint. Mehr brauche ich nicht.
Auf dem Weg zu meinem Wagen holte ich meinen Autoschlüssel und mein Handy aus der Jogginghose. Eine neue Nachricht von Mezzy war auf dem Homescreen zu sehen, die ich dank meiner Schutzeinstellung erst lesen konnte, nachdem ich WhatsApp öffnete.
Mezzy: Hier ihre Nummer +49 015 44901483
Es war die Nummer, nach der ich gefragt hatte, um Nova zu erreichen, wenn es um unseren Song ging.
Ich bedankte mich bei ihm, speicherte die Nummer ein und schrieb Nova direkt.
Ich: Hey 😁✌🏽
Eine kurze Nachricht. Ohne viel Bedeutung. Ohne auf eine Antwort zu warten, steckte ich mein Handy ein und erreichte meinen Wagen. Ich hoffte, dass ich heute entspannen konnte—die nächsten Tage würden stressig werden.
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Ein Junge von der Straße | O.G.
RomanceNova, eine leidenschaftliche Künstlerin, die widerwillig zu einem Feature gezwungen wird, das ihr zutiefst widerstrebt. Der andere Künstler, ein mysteriöser hübscher Mann mit markanten Gesichtszügen, weckt in ihr gleichermaßen Angst und Faszination...