Kapitel 37

22 5 0
                                    

Selbstverständlich war ich den Rest der Zeit, die Andreas und ich zusammen im Büro saßen und das besprechen mussten, was eben so anstand, unfassbar unangenehm und gereizt. Ich habe versucht, dass er es nicht bemerkt, war aber genauso froh, dass er es mir nicht übel genommen hat. Die Ruhe und den Kopf hatte ich dafür zwar gar nicht mehr, aber trotzdem haben wir beide das durchgezogen.

Gegen 18 Uhr haben wir uns voneinander verabschiedet. Er ist strikt nach Hause gegangen aus den Büros, ich bin nochmal in die Halle, um zu sehen, dass Juliette noch an ihrem Platz sitzt, irgendwas an den Lichtern der Probebühne ändert, aber eigentlich gar nicht bei der Sache ist. Ich will ihr den Abstand geben, den sie brauchen könnte und gehe daher raus und zu meinem Auto. Eigentlich dachte ich, dass ich heute noch wieder bei ihr bleiben könnte, aber nicht, wenn das gerade so angespannt zwischen uns sein würde. Aus der Tasche krame ich meinen Schlüssel hervor und schließe mein Auto auf, bevor ich einsteigen und später losfahren kann. In Herford war ich auch gar nicht darauf vorbereitet, dass ich wieder zu Hause sein würde, aber trotzdem konnte ich irgendwas zum Abendessen zusammenschmeißen, damit ich mich danach zu einer Folge von »The Office« ins Wohnzimmer setzen kann. Das Essen nehme ich so nebenbei zu mir, lade die Pläne, die mein Bruder schlussendlich finden konnte, in die Cloud und schreibe eine Rundmail an die Meister, bevor ich die Sachen zur Seite lege für den Tag.

Mehr oder weniger verfolge ich die Handlung der Folge, lasse meinen Blick durchs Zimmer wandern, bis ich bei dem Bild von Juliette und mir hängenbleibe. Dort lächelt sie mich wieder an und ich weiß, dass sie das vorhin nicht so meinte. Das könnte auch der Grund sein, warum ich mein Handy wieder herauskrame und auf unseren Chat gehe.
Chris: Hey, July. Du weißt hoffentlich, dass das vorhin nicht meine Absicht gewesen ist. Ich habe mir nur Sorgen gemacht, okay? Trotzdem weiß ich nicht, was ich dir genau angetan habe, aber ich glaube, dass du gerade Zeit für dich brauchst.
Chris: Melde dich bitte, wenn du was brauchst. Du muss das nicht allein schaffen, verstanden? Du bist nicht allein.
Ob sie das lesen wird? Naja, ihre erste Hoffnung bei solchen Dingen ist ja immer, dass der andere ihre Nachrichten liest. Wäre seltsam, wenn sie es selbst nicht machen würde. Da sich nicht kurz danach gleich die Anzeige oben auf online ändert, lege ich mein Handy wieder auf den Tisch und versuche mich auf die Folge zu fokussieren. Schlussendlich krame ich aber aus der Schublade doch noch mein Kartendeck hervor, weil mir eingefallen ist, dass ich noch ein paar Griffe durchgehen wollte, die ich für die Show in drei Wochen brauchen würde. Und nebenbei, wenn ich eine Serie schaue, kann ich das immer ganz gut üben. Währenddessen schaue ich immer mal wieder auch auf mein Handy, aber neben einigen Benachrichtigungen von Instagram oder aus dem Chat mit der gesamten Crew, kommt nichts. Vor allem ignoriert sie mich.

Gerade lasse ich mich gegen die Lehne des Sofas fallen, versuche den Pinky Breake nochmal besser zu verstecken, als es an der Tür klingelt. Genervt schaue ich zum Flur, überlege, ob es Herr Meyer sein könnte, immerhin könnten irgendwelche handwerklichen Arbeiten in der nächsten Zeit anstehen und er weiß, dass man mich meistens am Abend hier antreffen könnte. Daher lasse ich die Karten, wie ich sie eben noch in der Hand hatte, auf den Tisch zurück, stoppe die Serie und gehe durch den Flur zu meiner Wohnungstür, die ich erstmal aufschließe, bevor ich sie öffnen kann.

Zuerst lächle ich freundlich, bis die Tür offen ist und ich nicht Herr Meyer, sondern Juliette dahinter stehen sehe. Ich bin etwas verwirrt und überrascht, dass sie einfach hergefahren ist und weiß auch gleich, dass sie deswegen nicht geantwortet haben wird.
Chris: Hey..."
Sie schafft es erst gar nicht, mich richtig anzusehen und es braucht einen Augenblich, bis Juliette ihren Kopf hebt und mir in die Augen sieht.
Juliette: Kann ich reinkommen?"
Da muss ich gar nicht lange überlegen, trete einen Schritt zur Seite und öffne ihr die Tür ein wenig mehr, damit sie reinkommen kann. Aufgesetzt lächelt sie mich an, kommt in meine Wohnung, bevor sie mit gesenkten Kopf an mir vorbeigeht und ich die Tür wieder schließen kann. Eben diese schließe ich wieder ab, während sie sich die Schuhe auszieht und neben meine abstellt, die ich vorhin unbedacht ausgezogen und liegenlassen hab. Mein Blick liegt auf ihr, sie sagt aber nicht und daher gehe ich an ihr vorbei und Richtung Wohnzimmer.
Juliette: Chrissy?"
Meinen Namen spricht sie fast wie eine Frage aus, als würde sie testen wollen, ob sie ihn noch sagen darf. Ich drehe mich um und als sich unsere Blicke auch wieder treffen, als sie mich endlich wieder ansieht, lächle ich sie sanft an.
Juliette: Es tut mir leid."
Vermutlich würde sie lieber wegsehen, beißt sich auf die Lippe und kämpft mit sich selbst, bis sie ihre Augen zusammenkneift, sodass ich dann sehe, dass ein paar wenige Tränen ihr das Gesicht runterlaufen.
Juliette: Ich brauche dich..."

Wortlos gehe ich auf sie zu und zuallererst nehme ich sie einmal in Arm, drücke sie an mich und merke, dass ihr zumindest eine erste Last von den Schultern abfällt. Leicht sackt sie in sich zusammen, legt ihre Hände auf meinen Rücken und atmet tief durch, versucht wieder zu sich zu kommen.
Juliette: Ich wollte dich nicht anschreien, mich nervt nur die ganze Situation mit Levi."
Chris: Das weiß ich doch..."
Juliette: Es tut mir trotzdem leid...ich kann manchmal so anstrengend sein. Und merke dann nicht, dass du mir eigentlich nur helfen willst...denn die kann ich ja auch nicht richtig annehmen und will immer alles allein schaffen..."
Vorsichtig lege ich meine Hände an ihre Schultern, nehme sie von mir weg, als Juliette mich auch wieder loslässt, damit ich sie beruhigend anschauen kann. Mit ihren Händen wischt sie einige Tränen noch wieder weg und versucht sanft zu lächeln.
Juliette: Es tut mir leid, Chrissy..."
Verhalten lache ich, lege meine Hände danach an ihren Kopf, streiche mit meinen Daumen die letzten Tränen noch weg und halte ihren Blick danach bei mir. Und während ich sie wieder mit einen sanften Lächeln ansehe, merke ich, dass ihr eigenes auch immer ehrlicher, erleichterter und echter wird.
Chris: Alles gut, July. Ich muss mich auch noch daran gewöhnen, mit einer französischen Latina zusammen zu sein."
Lachend will sie mir gegen die Brust schlagen, aber bevor sie das machen kann, lege ich meine Lippen sanft auf ihre und küsse sie vorsichtig.

Als wir einander wieder ansehen, hat July ihre Hände an meine Brust gelegt, verkneift es sich wohl, noch das zu machen, was sie zuvor vorhatte und schaut einfach glücklich grinsend zu mir rauf.
Chris: Wollen wir in Ruhe einmal drüber reden?"
Zuerst nickt sie einfach nur, schaut sich einen Moment im Flur um, bevor sie sich dazu überredet, mit mir zu reden. Aber trotzdem schließt sie ihre Augen und lässt ihren Kopf hängen, meidet meine Blicke.
Juliette: Du hattest recht, Chrissy. Sie ist eifersüchtig wegen dir...

Never Less Than a LoverWo Geschichten leben. Entdecke jetzt