Unser Party-Exzess

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"Reden Sie nicht lange rum. Es ist doch ganz einfach: Das Projekt ist eine Woche vor dem Abgabetermin nicht auf Kurs. Ich bin fassungslos. Wann können wir in der nächsten Stunde per Videocall dazu sprechen?"

Ich will antworten, da bekomme ich eine Mail mit dem Betreff "wichtig" und einer komplexen Erklärung der Probleme, die unser Projekt aufhalten. Ich will sie gerade öffnen, um sie wenigstens zu überfliegen, da geht ein zweiter paralleler Anruf auf meinem Handy ein. Wer ist das jetzt?

Stress und Zorn fluten in mir empor, aber ich lasse mich davon nicht überwältigen. Ich muss mich jetzt als ruhiger Problemlöser zeigen, als jemand, der in allen Details des Projekts drin ist und vor allem: Ich muss zeigen, dass ich gut zuhören kann.

"Lassen Sie uns den Call jetzt gleich machen. Dann erzählen Sie mir, weshalb Sie meinen, dass das Projekt nicht auf Kurs ist und wir werden gemeinsam einen Weg finden, den Abgabetermin zu halten."

Einen einzigen Tag habe ich mir freigenommen für den kurzen Motorradtrip von Düsseldorf hierher nach Unna und gleich brüllen alle nach mir.

Und was will ich hier in Unna?

 Hier gibt es heute ein außergewöhnliches Treffen. Mächtige Wesen aus verschiedenen Welten kommen hier zusammen.

Und vor allem werde ich heute die schönste Frau treffen, die ich kenne. Auch wenn sie mir schätzungsweise keine große Beachtung schenken wird.

Aber jetzt muss ich erst einmal den Videocall hinter mich bringen. Ich schließe das Fenster meines Hotelzimmers, damit es möglichst ruhig wird und greife seufzend nach meinem Notebook. Die Stimme von eben erscheint nun als schimpfender Kopf auf meinem Bildschirm. Er hat Unrecht mit seinem Geschimpfe, aber es ist zu kompliziert, ihm zu erklären, wieso. Und er würde mir sowieso keine Chance geben. Er will schimpfen, nicht zuhören.

Aber stop. Dieses Bild ist ein Fantasiebild in meinem Kopf, mehr nicht. Und deshalb lautet die erste Spielregel für die Mitspieler und Mitschöpfer beim Sumerland-Projekt:

1. Vergiss alles außer der unmittelbaren sinnlichen Gegenwart, die Dich umgibt.

Ich vergesse das Projekt und was für Nachteile ich habe, wenn es sich verzögert. Ich sehe mich im Hotelzimmer um. Obwohl ich das Fenster geschlossen habe, bewegt ein leichter Windzug die Gardinen vor dem Fenster. Die wenigen Möbel in dem kleinen Zimmer sind nichtssagend auf eine Weise, die mich beruhigt. Nichtssagend ist gut. Ich greife nach meinem Laptop und mache den Ton aus. Aufmerksam betrachte ich das gestikulierende Püppchen vor mir auf dem Bildschirm.

"Meine Verbindung ist leider schlecht. Ich schalte mein Video aus, um Bandbreite zu sparen."

Ich kann die Antwort des Püppchens auf diese Ankündigung nicht hören. Ich lasse den Videocall einfach weiter laufen, als ich das Hotelzimmer verlasse, um vor dem Treffen noch einen Spaziergang durch die fremde Gegend draußen zu machen.

Im Treppenhaus fällt mir ein, dass ich etwas vergessen habe. Ich gehe zurück ins Hotelzimmer und lege mein Handy neben den Laptop, auf dem das Püppchen unverändert weiter gestikuliert. Offenbar ist es so mit sich selbst beschäftigt, dass es noch nichts bemerkt hat.

Draußen liegt die Hochhaussiedlung in der Sommestille. Das ist Sommerstundes Erfindung. Ich suche die Fassaden nach dem Fenster von Sommerstundes Appartement ab. Aus ihrer Geschichte auf Wattpad weiß ich, dass ich ihr Appartement daran erkenne, dass ihre Fenster als einzige gekippt sind. Ich bewundere diese Frau deren Geist so tough ist wie ihr durchtrainierter Körper. Sie hat ihr Appartement und ihr Leben von allem unnötigen Ballast befreit. Sie ist hart und konsequent und glaubt an sich. So mache ich das auch und folge deshalb unserer zweiten Spielregel beim Sumerland-Projekt:

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